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Baden
Eine Probefahrt mit einer Ducati endete für einen 27-Jährigen vor dem Badener Bezirksgericht. Der viel zu schnelle Ausflug mit dem Töff war nicht sein einziges Vergehen im Strassenverkehr.
Als ein Kollege dem 27-jährigen Luca (Name geändert) eine «Ducati 899 Panigale» für eine kleine Probefahrt anbot, liess Luca sich nicht zweimal bitten. Das war an einem Mittwoch im April vergangenen Jahres nach 22 Uhr in Würenlingen. «Autos und Motorräder waren damals meine Leidenschaft, mein Hobby», erklärt Luca elf Monate später vor dem Bezirksgericht Baden – mit der Betonung auf «damals».
Rissige Jeans mit bunten Aufnähern, schwarz-rot kariertes Holzfällerhemd, viel Gel im schwarzen Haar und ein unter der schwarzen Maske hervorlugender Bart: Der stabil gebaute Handwerker erweckt den Eindruck, als könnte ihn so leicht nichts aus der Bahn werfen.
Luca hatte sich damals zum ersten Mal auf eine Ducati gesetzt, «ich hatte sie unterschätzt». Jedenfalls war er auf der Industriestrasse Richtung Untersiggenthal gebraust und noch innerorts mit 106 km/h geblitzt worden. Damit hatte er den so genannten «Raserartikel» erfüllt, es droht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr: 14 Monate bedingt sollten es für Luca gemäss Anklage sein. Vor dem Bezirksgericht sagt er:
«Ich hätte nie gedacht, dass das Leben von einer Sekunde auf die andere komplett auf den Kopf gestellt werden kann.»
Bis dahin war die Weste des 27-Jährigen blütenweiss gewesen. Zur Freiheitsstrafe gesellte sich eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen nebst einer Verbindungsbusse von 3000 Franken. Denn Luca hatte weitere, teils grobe Verletzungen der Verkehrsregeln «der Polizei sozusagen frei Haus geliefert», wie Gerichtspräsident Christian Bolleter es nannte.
Tatsächlich hatten die Beamten auf Lucas Handy Videos gefunden, die dieser im Frühling und Herbst 2019 selber aufgenommen hatte, als er mit seinem Mercedes-Benz C63 AMG ausserorts unterwegs war. Bei einer Fahrt war der Tacho sichtbar, der 126 km/h anzeigte. Auf zwei weiteren Fahrten hatte er durch Beschleunigungsmanöver unnötigen Lärm verursacht sowie die Herrschaft über das Fahrzeug verloren, so dass das Fahrzeugheck ausgebrochen war.
Im Übrigen hatte Luca die Ducati ohne Helm gefahren und hatte den Fahrausweis nicht bei sich. Den war er danach logischerweise umgehend los, was ihn die Arbeitsstelle kostete, muss er beruflich doch sehr mobil sein.
Inzwischen hat er wieder eine 100 Prozent-Stelle; oft fahre ihn die Freundin oder er organisiere Kollegen und Bekannte als Chauffeure, was sehr aufwendig sei. Er sagt:
«Mir wird Tag für Tag vorgeführt, wie blöd ich war, einfach auf den Töff zu steigen und nichts zu denken.»
Luca lebt noch bei den Eltern, denen er von Anfang an reinen Wein eingeschenkt hat. «Sie stehen voll zu mir, unterstützen mich zum Glück moralisch und finanziell.» Busse, Kosten und Gebühren schlagen allein in der Anklageschrift mit rund 2450 Franken zu Buche. Dazu gesellen sich Gerichts- und Anwaltskosten.
Zwar war Luca ein amtlicher Verteidiger zur Seite gestellt, doch hatte sein Vater für ihn freiwillig einen befreundeten Anwalt aufgeboten. Gemeinsam mit diesem war Luca zum Schluss gelangt, Schuldspruch und Strafe tel quel zu akzeptieren. Diesem Entscheid musste das fünfköpfige Richtergremium in einer Verhandlung ohne Plädoyers prüfen.
Präsident Bolleter befragte den Beschuldigten vor allem ausgiebig zur Person. Lucas Ziele sind berufliche Selbstständigkeit und mit der Freundin zusammenzuziehen. Sein Hobby sei jetzt Fitness. Zu der Biker-Clique, in der er verkehrte, habe er den Kontakt abgebrochen. Er überlege auch, seine Harley – die er nebst dem Mercedes besitzt – zu verkaufen. Was er getan habe, sei dumm und unreif gewesen:
«Ich werde auf gar keinen Fall jemals wieder so fahren.»
Was im Verlauf von Lucas Befragung deutlich wurde, brachte sein Anwalt auf den Punkt: «Mein Mandant bereut aufrichtig. Was geschehen ist, war ein unüberhörbarer Weckruf.» Luca sei dadurch «etwas spät, aber doch noch erwachsen geworden».
Das Gericht erhob Schuldspruch und Strafmass der Anklage zum Urteil. Luca habe leichtsinnig, egoistisch, vor allem aber gefährlich gehandelt. Das Gericht sei indes beeindruckt vom Weg, den er gegangen sei. «Sie haben durch ihr Tun zwar den Job verloren, aber nicht den Boden unter den Füssen, was uns sehr imponiert», schloss Präsident Bolleter.