Ein Vertreter einer Tiefbaufirma, die auf Aushubarbeiten spezialisiert ist, musste sich vor dem Bezirksgericht verantworten, weil er bei einem Bauprojekt nicht abgeklärt hat, ob eine Bewilligung für Kiesabbau vorliegt. Er habe nicht gewusst, dass es eine Extra-Bewilligung brauche, erklärte er an der Verhandlung.
Er stand zwar zum ersten Mal vor dem Bezirksgericht Baden, nicht aber vor Gericht, der 60-jährige Martin (alle Namen geändert), der in einem angrenzenden Bezirk lebt. Ein Vergehen, für das er im Jahr 2016 zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt worden war, hatte ihn über die Region hinaus bekanntgemacht. 2018 war er zudem wegen Verstosses gegen das Strassenverkehrsgesetz verurteilt worden, weil er zu viel geladen hatte.
Beide Fälle haben im Grunde nichts damit zu tun, wofür sich Martin diese Woche in Baden verantworten musste: Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer durch fahrlässige Ausbeutung von Kies ohne Bewilligung. Sprich: Er habe bei einem Bauprojekt in einer Gemeinde im Bezirk Baden illegal Kiessand für einen Bau auf der Nachbarparzelle ausheben lassen. Im Auftrag von Grundstückbesitzer und Bauherr Peter, der deshalb bereits im vergangenen Jahr per Strafbefehl verurteilt worden war.
Als Vertreter eines Tiefbauunternehmens, das auf Aushubarbeiten spezialisiert sei, hätte Martin sicherstellen müssen, dass eine Bewilligung für den Abbau vorliege, schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift. Hier kommen seine beiden früheren Verurteilungen ins Spiel: Die Staatsanwaltschaft forderte, dass bei einem Schuldspruch die Probezeit für die Strafe aus dem Jahr 2016 um ein Jahr verlängert und die bedingte Geldstrafe aus dem Jahr 2018 widerrufen und Martin für eine Gesamtstrafe von 80 Tagessätzen à 130 Franken unbedingt verurteilt wird.
Der gelernte Maurer ist seit mehr als 30 Jahren – mit mehreren Unterbrüchen – in leitender Funktion bei der Tiefbaufirma angestellt. Er bestritt, für den illegalen Kiesabbau verantwortlich zu sein, er habe nur Mensch und Maschinen zur Verfügung gestellt. Peter, der an der Verhandlung als Zeuge auftrat, sei verantwortlich und Bauleiter und Bauherr in einem gewesen.
Peter hatte unter anderem geplant, auf seinem Grundstück eine Remise zu erstellen und diese um 30 Zentimeter anzuheben. Für das Bauprojekt lag zwar eine Bewilligung vor, nicht aber für den Abbau von Kies. Zusätzlich stand an der Verhandlung zur Debatte, ob übriggebliebenes Kies abtransportiert worden war. Martin bestritt das, Peter hingegen erklärte, ihm sei nicht klar gewesen, dass das passieren würde, das sei nicht abgemacht gewesen.
Ein Vertrag zwischen dem Beschuldigten und Peter ist nicht mehr als ein «Fresszettel», wie ihn Gerichtspräsidentin Gabriella Fehr bezeichnete. Mit Datum 25. Oktober 2017 wurde unter anderem festgehalten, wie viel Geld Martin pro Kubikmeter Kies erhalte. Im Gericht erklärte er aber, dass am Morgen des Baustarts am 26. Oktober 2017 der Kiesabbau erstmals zum Thema geworden sei. Peter habe gesagt, er würde für Abklärungen die Gemeinde aufsuchen.
Dort sprach er mit dem Bauverwalter, wie Peter an der Verhandlung erklärte: «Ich habe ihm gesagt, dass es besser und nachhaltiger ist, Kies für die Remise zu verwenden», statt roten, möglicherweise vorbelasteten Materials. Der Bauverwalter habe ihm zugestimmt, ihn am Ende aber darauf hingewiesen, er solle die Baubewilligung noch einmal genau durchlesen. Weil dessen Rückmeldung aber so positiv gewesen sei, habe er das «vor lauter Euphorie» doch nicht gemacht. Ansonsten hätte Peter entdeckt, dass es für Kiesabbau eine zusätzliche Bewilligung benötigt. Er habe nicht gewusst, dass es dies brauche. «Ich sehe meinen Fehler ein und habe dafür bezahlt», gab sich Peter schuldbewusst.
In Sachen Bewilligung klang es bei Martin überraschend ähnlich, auch er habe nicht gewusst, dass es eine Extrabewilligung braucht. So einen Fall habe er bisher auch gar noch nie gehabt, sagte er auf Nachhaken von Richterin Fehr, der es offensichtlich schwerfiel, das zu glauben. Martin bekräftigte:
«Wenn wir einen Auftrag erhalten, gehen wir davon aus, dass der Bau bewilligt ist.»
Sie würden keine Einsicht in Baubewilligungen erhalten, er wisse also nicht, was in derjenigen von Peter gestanden sei.
Sein Verteidiger plädierte für einen Freispruch, er stellte die ganze Anklage in Frage: «Was wird meinem Mandanten überhaupt vorgeworfen?» Martin sei nicht verantwortlich gewesen und habe deshalb nicht nach einer Bewilligung fragen müssen. Die Staatsanwaltschaft treffe Annahmen, ohne diese beweisen zu können. Zudem hinge das Vergehen aus dem Jahr 2016 wie ein Damoklesschwert über seinem Klienten und stehe in keinem Zusammenhang mit dem jetzigen Fall. Vielmehr könne Martin eine positive Prognose gestellt werden.
Dem stimmte Gerichtspräsidentin Gabriella Fehr zwar zu, dennoch sprach das Gericht Martin schuldig. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 140 Franken mit einer Probezeit von zwei Jahren. Fehr nannte es eine Zusatzstrafe, seine Schuld befände sich im untersten Bereich. Aber: «Im Bundesgesetz über den Gewässerschutz steht klar, wer Kies abbaut, der muss eine Bewilligung haben.» Es bestehe ein Vertrag mit dem Bauherr, dass Kies abgebaut wird, und Martin wäre dementsprechend verantwortlich gewesen, abzuklären, ob eine Bewilligung vorliegt. Wenn es so wäre, wie Martin ausgesagt hatte, wäre auch nicht in Kubikmetern abgerechnet worden. Deshalb:
«Sie sind Ihrer Pflicht fahrlässig nicht nachgekommen.»