Bezirksgericht Baden
Landesverweis missachtet: Manor-Diebin aus den USA kassiert die nächste Gefängnisstrafe

Eine US-Amerikanerin zieht in die Schweiz und verbringt hier über Jahre hinweg ein seriöses Leben – bis sie ihre Alkoholkrankheit einholt.

Olivier Nüesch
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Die Angeklagte hat in der Badener Manor-Filiale diverse Waren gestohlen. (Symbolbild)

Die Angeklagte hat in der Badener Manor-Filiale diverse Waren gestohlen. (Symbolbild)

Philipp Zimmermann

«Der Gefängnistransport hat Verspätung», heisst es von Seiten des Bezirksgerichts Baden. Rund um Lenzburg herrsche ein Verkehrschaos. Doch schlussendlich tritt die Angeklagte mit Handschellen und Polizeieskorte in den Gerichtssaal. Die Anspannung ist ihr ins Gesicht geschrieben.

Anna (Name geändert) war Ende 1998 von den USA in die Schweiz ausgewandert. «Ich war froh, hier ein neues Leben beginnen zu können», erklärt sie vor dem Richtergremium unter Leitung von Gerichtspräsidentin Gabriella Fehr. Nachdem sie in den Vereinigten Staaten eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hatte, liess sie sich in der Schweiz weiterbilden und verbrachte hierzulande von 2000 bis 2018 ein ruhiges und seriöses Leben.

Diebstähle und Verweisungsbruch

2019 nahm ihr Leben jedoch eine entscheidende Wende: Ihre Alkoholsucht, welche sie für zwölf Jahre im Griff hatte, begann sich wieder verstärkt bemerkbar zu machen. «Ab 2021 habe ich zwei Liter Wodka pro Tag getrunken», erklärt sie dem Gericht. Sie habe auch eine Drogenabhängigkeit entwickelt und Kokain konsumiert.

Die selbstständige Tätigkeit, die sie bereits 2019 begonnen hat und die, nach ihren eigenen Worten, «wirklich hätte funktionieren können», brachte ihr kein Geld ein. Das finanzielle Defizit versuchte die Amerikanerin mit mehreren Diebstählen aufzufangen.

Anna wird von der Badener Staatsanwaltschaft unter anderem vorgeworfen, mehrere gewerbsmässige und bandenmässige Diebstähle begangen zu haben. Bandenmässig deshalb, weil sich Anna bei mehreren Fällen mit zwei Personen zusammengeschlossen hatte.

So habe sie in der Badener Manor-Filiale «wissentlich und willentlich» eine Dampfbügelstation im Wert von 429 Franken, eine Kaffeemaschine im Wert von 449 Franken und einen Roboterstaubsauger im Wert von 999 Franken geklaut. Hinzu kämen jedoch, gemäss Klageschrift, drei weitere Diebstähle in anderen Geschäften, bei welchen sie Zigaretten, Spirituosen und andere Konsumgüter im Wert von über 27'000 Franken gestohlen habe.

Neben den Diebstählen wird Anna zusätzlich vorgeworfen, sich über eine Landesverweisung von fünf Jahren hinweggesetzt zu haben. Bereits im November 2021 hatte das Aargauer Obergericht diese in einem Urteil gesprochen.

Noch vor der Rechtskraft dieses Urteils war Anna mit ihrem Partner nach Serbien gereist. Einige Monate danach kamen sie zurück in die Schweiz und wurden 17 Tage später von der Polizei verhaftet.

Zweifel an Stellungnahmen

Sie habe nicht geahnt, dass vom Obergericht ein Landesverweis ausgesprochen wurde. «Hätte ich davon gewusst, wäre ich nicht wieder in die Schweiz eingereist», sagt sie vor dem Badener Gericht. Dort sagt sie aber später auch aus, dass sie einen Landesverweis erwartet habe und nur auf Geheiss ihres Mannes wieder in die Schweiz zurückgekehrt sei.

Der Staatsanwalt bezweifelt am Prozess denn auch, dass Anna nichts von dem entsprechenden Urteil geahnt haben soll: «Sie wusste, dass sie nicht in die Schweiz einreisen darf.»

Der Staatsanwalt glaubt aber, dass für Anna die Chance, von der Alkohol- und Drogensucht wegzukommen, in Serbien grösser wäre. «Wenn sie in der Schweiz ist, geht es ihr nach eigener Aussage nicht gut.» Er fordert für Anna einen Landesverweis von acht Jahren und eine 30-monatige Freiheitsstrafe, den Widerruf einer bedingten 18-monatigen Freiheitsstrafe inbegriffen.

«In der Schweiz besser integriert»

Der Strafverteidiger von Anna argumentiert dagegen, dass Annas privates Interesse am Verbleib in der Schweiz das öffentliche Interesse an ihrer Ausschaffung überwiege. Die Angeklagte sei in der Schweiz deutlich besser integriert, während sie in den USA nur einen beschränkten Kontaktkreis besitze. Selbst ihre Eltern, ebenfalls Amerikaner, wissen nichts von ihrem Gefängnisaufenthalt.

«Der Drogen- und Alkoholkonsum hat sie in die Delinquenz geführt», führt der Verteidiger aus. Die positive Persönlichkeitsentwicklung seiner Klientin würde durch einen Landesverweis zunichtegemacht.

Härtefallregelung ausgeschlossen

Das Bezirksgericht verurteilt die 49-Jährige zu 16 Monaten Freiheitsstrafe. Bei der Strafzumessung wurden auch die vielen Vorstrafen der Angeklagten mitberücksichtigt, sagt Fehr. Bei der bedingten Vorstrafe von 18 Monaten verlängert es die Probezeit um eineinhalb Jahre.

Bei den Diebstählen sei keine Bandenmässigkeit auszumachen. Für diese wird ein Mindestmass an Organisation innerhalb einer kriminellen Gruppierung vorausgesetzt, was bei den Diebstählen nicht ersichtlich sei.

Weiterhin verurteilt das Gericht Anna zu einem achtjährigen Landesverweis. Da Anna erst im Erwachsenenalter in die Schweiz gekommen sei, treffe auf sie auch die Härtefallregelung nicht zu, die eine Ausschaffung verhindert hätte. Diese Regelung könnte insbesondere dann in Kraft treten, wenn Anna in der Schweiz geboren oder aufgewachsen wäre.

In Zweifel zieht das Gericht, dass Anna nicht mit der Bestätigung des Landesverweises durch das Aargauer Obergericht gerechnet habe. Die Gerichtspräsidentin ermahnt die Angeklagte zum Schluss denn auch: «Falls Sie diesen Landesverweis erneut missachten sollten, müssen Sie damit rechnen, lebenslänglich ausgewiesen zu werden.»

Korrekt

In einer ersten Version dieses Artikels stand, das Bezirksgericht habe die 49-jährige Beschuldigte zu 16 Monaten Freiheitsstrafe, davon 10 Monate davon bedingt, verurteilt. Korrekt ist aber eine unbedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten.