Bezirksgericht Baden
Schnaps-Diebstahl, Drogenkonsum und ein Raub: Zwillinge schrammen am Landesverweis vorbei

Zwei junge Syrer klauten bei einem Einbruch Schnaps aus einem kirchlichem Jugendraum – vom Gericht erhielten sie eine zweite Chance.

Louis Probst
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Das Bezirksgericht Baden musste bei zwei Brüdern beurteilen, ob es sich um Härtefälle handelt.

Das Bezirksgericht Baden musste bei zwei Brüdern beurteilen, ob es sich um Härtefälle handelt.

Chris Iseli

«Das war unnötig», meinte der Beschuldigte vor dem Bezirksgericht Baden. «Ich habe damals die Lehre abgebrochen und die ganze Zeit nur Seich gemacht.» Sein Zwillingsbruder sagte: «Das war einfach eine dumme Idee. Ich bereue, dass ich das gemacht habe.» Die beiden knapp 22-jährigen Männer, die 2014 mit ihrer Familie als Flüchtlinge aus Syrien in die Schweiz gekommen waren, hatten sich wegen Diebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch sowie wegen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu verantworten.

Gemäss Anklage waren sie im Sommer 2020 in Gebenstorf in eine Liegenschaft der Kirchgemeinde eingestiegen, nachdem ein weiterer junger Mann – gegen den ein Verfahren bei der Jugendanwaltschaft läuft – mit Fusstritten das Fenster zum Heizungsraum eingeschlagen hatte. Im Jugendraum behändigte das Trio «zirka fünf Flaschen Whiskey und Wodka und eine Flasche Coca Cola im Wert von zirka 50 Franken», hiess es in der Anklage der Staatsanwaltschaft. Beiden Beschuldigten warf sie zudem vor, mehrfach Marihuana geraucht zu haben.

Faustschläge und Tasche entrissen

Der eine der Zwillinge wurde überdies des Raubes beschuldigt. Im Februar 2022, so die Anklage, hatte er sich in Baden mit zwei Jugendlichen getroffen, gegen die separate Verfahren laufen, und über den Erwerb des Medikaments Xanax verhandelt – das Benzodiazepin gilt als Szenedroge und wird als Beruhigungsmittel missbraucht. Ein Deal kam aber nicht zustande. Der potenzielle Lieferant lief weg. Der Beschuldigte rannte ihm nach und stiess ihn in ein Gebüsch. Das Opfer bekam Faustschläge ab, und der Beschuldigte entriss ihm eine Umhängetasche.

Die Staatsanwaltschaft forderte für den Einbruch für jeden der Beschuldigten eine bedingte Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Franken, eine Busse von 500 Franken sowie eine Landesverweisung für die Dauer von fünf Jahren. Für den Beschuldigten, dem Raub vorgeworfen wurde, forderte sie zudem eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten.

Der Kifferei haben sie abgeschworen

Vor Gericht gestanden die Zwillinge die Delikte ein. Zum Einbruch machten sie geltend, dass die Idee nicht von ihnen gekommen sei, dass sie aber spontan mitgemacht hätten. Der Beschuldigte, dem Raub vorgeworfen wurde, erklärte, dass er sein Opfer bloss gestossen, aber nicht geschlagen hätte.

Aus der eingehenden Befragung durch Gerichtspräsident Daniel Peyer als Einzelrichter ging hervor, dass beide Beschuldigte inzwischen dem Kiffen abgeschworen haben. Derjenige, dem Raub vorgehalten wurde, ist freiwillig in eine stationäre Therapieinstitution eingetreten und bereitet sich auf die Wiederholung des theoretischen Teils der Lehrabschlussprüfung vor, nachdem er den praktischen Teil erfolgreich absolviert hat. Sein Bruder steht vor dem Abschluss der Berufslehre. Zur drohenden Abschiebung nach Syrien meinte der eine: «Ich wüsste nicht, was ich dort anfangen könnte.» Der andere erklärte: «Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich weiss nicht, was auf mich zukommen würde.»

Fälle für die Härtefallklausel

Die Anstrengungen der beiden amtlichen Verteidigerinnen richteten sich denn auch vor allem gegen die Abwendung der drohenden obligatorischen Landesverweisung. «Die Sachverhalte sind anerkannt», so die Verteidigerin des mutmasslichen Räubers. «Alle Umstände sprechen aber gegen eine Wegweisung.» Sie verwies auf die Härtefallklausel und erbat für ihren Mandanten «eine zweite Chance, wie sie auch ein junger Schweizer erhalten würde». Ihr Mandant sei integriert, so die Verteidigerin des zweiten Beschuldigten: «Es besteht kein öffentliches Interesse, das eine Wegweisung rechtfertigen würde. Es liegt klar ein persönlicher Härtefall vor.»

Dieser Sicht schloss sich auch das Gericht an. Es sprach die beiden Brüder im Sinne der Anklage schuldig, sah aber von Landesverweisungen ab. Das Gericht verhängte für den Raub eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten und eine Busse von 1000 Franken sowie für beide Beschuldigten bedingte Geldstrafen von 60 Tagessätzen zu je 30 Franken. Der zweite Beschuldigte erhielt eine Busse von 300 Franken. Das Gericht hielt beiden zu Gute, dass die Initiative zum Einbruch nicht von ihnen ausgegangen war. «Lassen Sie sich nicht von Leuten beeinflussen, die Sie zu irgendetwas mitziehen wollen», gab der Vorsitzende den jungen Männern mit auf den Weg.