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Nach acht Jahren in der Schuhboutique Pellina in Baden geht Gabriela Kräuchi in Rente und übergibt ihr Amt.
Sie sind eine aussterbende Spezies: kleine Läden in Innenstädten. Heute kauft ein Grossteil der Bevölkerung in grossen Shoppingcentern ein oder bestellt Artikel online. Doch Gabriela Kräuchi hält diesem Wandel stand. In ihrer Boutique Pellina an der Oberen Gasse in Baden verkauft sie seit acht Jahren Damenschuhe aller Art. Dass genau diesem Geschäft nicht die Kunden ausgehen, hat einen Grund: Pellina ist einer der wenigen Läden in der Schweiz, der Schuhe ab Grösse 34 anbietet – und somit für Frauen mit kleinen Füssen eine wichtige Adresse ist. Nun hat sich Kräuchi dazu entschlossen, ihre seit Januar laufende Pension in Anspruch zu nehmen. Die Schuhboutique bleibt aber weiterhin bestehen: Ab dem 1. April gibt sie Gabriela Martinez ihr Geschäft weiter.
Kräuchis Werdegang verlief alles andere als geradlinig: Nach ihrer Ausbildung zur Zahnarztassistentin und einigen Jahren Arbeit als kaufmännische Angestellte machte sie eine längere Mutterschaftspause. Später leitete sie bei der Migros Klubschule Kreativkurse. Diese wiederum führten sie 2005 zur deutschen Firma Rico Design, für die Kräuchi fünf Jahre lang die ganze Schweiz bereist hat. Doch der viele Verkehr machte ihr zu schaffen. Als eine damalige Kundin sie als Nachfolgerin für ihren Laden in Baden anfragte, zögerte sie erst. Selber einen Laden zu führen, konnte sie sich erst nicht vorstellen. Ein Bekannter, der Kontakt zu vielen Schuhlieferanten hatte, schlug ihr vor, sie solle dort Schuhe verkaufen. Diese Idee gefiel ihr.
«Viele Kundinnen sind zwar ein bisschen traurig, dass ich aufhöre, aber andererseits froh, dass der Laden weiter besteht», sagt die 64-Jährige. Die Kunden würden es schätzen, dass man bei ihr «noch richtig bedient» werde. Sie erzählen Kräuchi immer wieder, wie man in vielen anderen Schuhgeschäften nicht mehr freundlich und hilfsbereit mit der Kundschaft umgehen würde. Der persönliche Kontakt mit den Kunden, auch einfach mal zu plaudern, das sei für Kräuchi immer ein wichtiger Bestandteil des Berufsalltags gewesen. Und doch verkauft Kräuchi mittlerweile immer weniger Schuhe. Das liege zum einen an der allgemeinen Entwicklung zu Ungunsten der kleinen Läden, andererseits aber auch am verstärkt nachhaltigen Denken der Konsumenten: «Sie kaufen überlegter ein und sagen sich oft ‹Ich hab ja schon genug›».
Die Frau, die ab 1. April im Pellina das Steuer in die Hand nimmt, ist Gabriela Martinez. Abgesehen vom Vornamen haben die beiden noch weitere Gemeinsamkeiten: Genau wie Kräuchi hat die 52-Jährige zwei Söhne und führt ebenfalls seit acht Jahren ein eigenes Geschäft für Damenschuhe. Ihr Laden Big Shoes in Zürich richtet sich genau an die Frauen, die im Pellina nicht allzu viel finden würden: Martinez verkauft dort Schuhe ab Grösse 41. Nun freut sie sich darauf, zusätzlich Kräuchis Laden zu übernehmen. «So wird mein Sortiment wunderbar ergänzt», sagt sie lachend.
Auch Martinez war schon früh im Verkauf tätig, allerdings in der Versicherungsbranche. Nach einer längeren Phase, in der sie ihre Kinder grosszog, wurde sie Therapeutin für traditionelle chinesische Medizin. Den Laden Big Shoes in Zürich übernahm sie schliesslich ebenfalls von einer Frau, die in Pension ging. Dass Kräuchi aufhört, hat sie von einem Schuhlieferanten erfahren. Als dieser ihr vorschlug, «Pellina» zu übernehmen, entschied sie sich kurzerhand dafür. «Ich schwimme damit bewusst gegen den Strom», so Martinez. Es sei ihr wichtig, die Tradition aufrechtzuerhalten. Viele Kundinnen würden einen Laden, in dem sie sich wohlfühlen, sehr schätzen. Daher ist sie zuversichtlich, dass die Kundschaft bleiben wird.
Fürs Erste wird Kräuchi sie noch zweimal pro Woche unterstützen. Dass sie bald ganz in Rente gehen wird, macht die bisherige Inhaberin nicht traurig: «Ich weiss ja, dass es mit dem Laden weitergeht und freue mich auf die viele Freizeit.» Ihr Plan: Reisen, Sport machen und – sobald es wieder geht – viel Zeit im Tessin verbringen.