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Die Zahl der Überwachungskameras ist in Baden schon auf 300 gestiegen. Sind sie wirklich nötig? Und sorgen Radarfallen wie der Gstühl-Blitzer für Sicherheit? Stadtpolizeichef Martin Brönnimann im Interview nimmt zu diesen und weiteren Fragen Stellung.
Die Sicherheitspolitik der Stadt gibt in der Bevölkerung zu reden: Baden setzt rund 300 Überwachungskameras ein, weit mehr als alle anderen Aargauer Städte, neuerdings auch auf der Ruine Stein. Und im Sommer wurde auf der Gstühl-Kreuzung eine Radarfalle in Betrieb genommen – der erste fest installierte Blitzer auf einer Kantonsstrasse. Sind diese Massnahmen wirklich notwendig? Stadtpolizeichef Martin Brönnimann sitzt im Büro in der Rathausgasse. Der Berner, der mit seiner Frau und den zwei Söhnen in Dättwil wohnt, lacht beim Interview viel, und lässt sich durch die Fragen nicht aus der Ruhe bringen.
Herr Brönnimann, seit diesem Monat wird auch noch die Ruine Stein videoüberwacht. In keiner anderen Aargauer Stadt filmen so viele Kameras wie in Baden. Ist diese Überwachung wirklich nötig?
Martin Brönnimann: Es ist schon auffällig: Seit wir die Kameras auf der Ruine installiert haben, herrscht Ruhe. Vom einen Tag auf den anderen. Und Videos von anderen Standorten haben uns schon bei diversen Ermittlungen geholfen, wir konnten schon oft die Täterschaft identifizieren. Diesbezüglich haben die Kameras in meinen Augen ihre Berechtigung. Hinzu kommt der psychologische Aspekt, bei manchen Menschen steigt das Sicherheitsgefühl. Aber es ist eine Tatsache: Wir haben in Baden, im Vergleich zu anderen Städten, ein gehöriges Mass an Kameras.
Sollten noch weitere Standorte gefilmt werden?
Im Moment sehe ich im öffentlichen Raum keinen Handlungsbedarf. Es gibt zuerst auch immer mildere Massnahmen, zum Beispiel die polizeiliche Prävention, mit denen man versuchen kann, Probleme wie Vandalismus oder Littering in den Griff zu kriegen.
In der Cordulapassage wird sogar der Eingangsbereich einer Toilette überwacht. Ist das verhältnismässig?
Auch hier konnten wir nach Vandalenakten die Täterschaft überführen und die Schäden geltend machen. Fakt ist: Die Kameras wurden von der kantonalen Datenschutzstelle bewilligt.
Einige Kameras überwachen in Echtzeit. Das heisst, die Videos laufen auf die Bildschirme der Stadtpolizei. Sehen Sie keinen Konflikt mit der Privatsphäre der Gefilmten?
Nein. Die Bilder sind zum Schutz der Privatsphäre teilweise verpixelt. Läuft nach einem Delikt ein Verfahren, erhalten wir gelegentlich die Aufforderung, die Daten zur Verfügung zu stellen. Nur drei Mitarbeitende haben bei uns die Berechtigung, die Verpixelung aufzulösen. «Big Brother» schaut also nicht zu, Big Brother zeichnet nur auf (lacht).
Zu reden gibt der erste Aargauer Blechpolizist, der seit Juli auf der Gstühl-Kreuzung im Einsatz steht. Er soll die Sicherheit erhöhen. Ist schon ein Effekt spürbar?
Die Anlage erfüllt ihren Zweck dann, wenn sie die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sensibilisiert. Wenn sie daran denken, dass orange bedeutet, sich vorzubereiten, und nicht, aufs Gas zu drücken, dann haben wir schon viel erreicht.
Erfüllt die Anlage diesen Zweck bereits?
Bisher ist die Zahl der Übertretungen noch konstant: Pro Woche gibt es rund 40 Rotlicht- und 150 Tempoübertretungen. Es sind ungefähr die Werte, die wir vor der Abstimmung im Einwohnerrat ausgewiesen hatten. Zum Teil wird mit 80 Stundenkilometern über die Kreuzung gefahren, erlaubt wären 50. Einer fuhr über die Kreuzung, als die Ampel schon seit 83 Sekunden auf rot stand. Dass wir solche Verkehrsteilnehmer hier nun konsequent büssen können, macht in meinen Augen mehr als Sinn.
Geht es nicht einfach ums Geld? Es gäbe Kreuzungen in Baden, die gemäss Unfallzahlen des Bundes ähnlich gefährlich sind. Etwa jene beim Hochbrückenkopf Ost vor Wettingen.
Aus polizeilicher Sicht ist jede technische Unterstützung sinnvoll und wertvoll, die meine Mitarbeitenden entlastet. Wenn man von der Polizei Effizienz verlangt, machen genau solche Anlagen Sinn. Betrachtet man aber die politische Diskussion, welche die Anlage beim Gstühl ausgelöst hat, stellt sich schon die Frage, ob sie akzeptiert wird. Und es bringt nichts, an einem anderen Ort ein Gerät hinzustellen, wenn es von der betroffenen Bevölkerung nicht mitgetragen wird. Wenn sich die Menschen zu stark kontrolliert und überwacht fühlen, haben wir das Ziel verfehlt.
Ein Autofahrer beschwerte sich in einem Leserbrief in dieser Zeitung, bei einer Verkehrskontrolle von einem Polizisten angehalten worden zu sein, der keine Maske trug. Der Beamte sei ihm zu nahe gekommen.
Wir äussern uns nicht zum Vorfall. Meine Mitarbeitenden haben den Verlauf der Kontrolle als korrekt empfunden.
Gilt bei Verkehrskontrollen eine Maskenpflicht für Polizisten?
Nein.
Wie lautet die Vorgabe für Polizistinnen und Polizisten bei Kontrollen betreffend Coronasicherheit?
Eine konkrete Vorgabe gibt es nicht. Nur jene, die für alle Menschen im Land gelten: Dass die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden müssen. Im Normalfall dauert eine Kontrolle zwei bis drei Minuten. Aber es ist nun mal so: Eine Polizeikontrolle kann durchaus dazu führen, dass man jemandem näher kommen muss. Aber bei Einvernahmen, die drinnen stattfinden und länger dauern, sieht unser Schutzkonzept die Möglichkeit einer Masken-Tragepflicht vor.
Was beschäftigt die Stadtpolizei derzeit am meisten?
Die Freitag- und Samstagabende nehmen uns sehr in Anspruch, sie sind ein Schwerpunkt unserer sicherheitspolizeilichen Arbeit. Dann hat es in der Stadt viele Gäste, viele jüngere Menschen suchen am Wochenende Abwechslung. Das fordert uns. Nicht zu unterschätzen ist das Tagesgeschäft unter der Woche, mit verkehrs- und verwaltungspolizeilichen Aufgaben. Und wir verfolgen ein wichtiges Projekt: Wir bauen den Bereich Prävention weiter auf. Zusätzlich überprüfen wir intern unsere Strukturen, hinterfragen uns, ob wir noch zeitgemäss aufgestellt sind.