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In der 86. Baden-Ballade geht es um die Frage, ob künstliche Intelligenz den Dichtern den Rang ablaufen könnten. Wer hat das Gedicht wohl geschrieben - Simon Libsig oder eine KI?
Leider können Sie sich
heutzutage nicht mehr
sicher sein:
Dichtete tatsächlich Simon
Libsig diese Zeil’n?
Höchstpersönlich? Im
Schweisse seines Angesichts?
Ist dies wirklich ein menschgemachtes,
sozusagen ein Human-Gedicht?
Oder ist eine Maschine
die Verfasserin?
Erlaubt sich gerade ein Algorithmus
einen Spass mit Ihnen?
Denn, das kann gut sein.
Geben Sie mal «Künstliche Intelligenz»
bei Google ein.
Sehen Sie die Möglichkeiten?
Sie müssen Texte nie mehr
selber schreiben.
Nie mehr unter
Schreibstau leiden.
Nie mehr stundenlang
um Worte ringen.
Nie mehr Blitzgedanken
zu Ideen spinnen.
Nie mehr fristgerecht
Pointen bringen.
Nie mehr zweifeln
am Gelingen.
All das gehört nun
zur Vergangenheit.
Und vergessen Sie
den Langenscheidt.
Es genügt schon ein Stichwort
und ein Klick –
schon kriegen Sie einen Text,
in der gewünschten Rubrik:
Bewerbungsbrief? Inserat?
Song? Gedicht?
Kondolenzschreiben? Kurzgeschichte?
Zeitungsbericht?
Sogar den Schreibstil
können Sie bestimmen,
lieber Goethe oder
Hildegard von Bingen?
Lieber J.K. Rowling oder Kafka?
Einfach mal ausprobieren,
vielleicht passt’s ja.
Und es geht spielerisch leicht
Und die Maschine lernt und
lernt und wird immer
wieder geeicht.
Bis es nicht mehr besser geht.
Das ist die neue Art, wie Text entsteht.
Möglichst schnell.
Weil immer alles pressiert.
Sogar den Nachruf aufs Schreiben
hat sie schon vorformuliert.
Und das beunruhigt mich,
ich sag es mal so
ich hoffe,
KI bedeutet nicht mein K.O.
*Simon Libsig (45) ist Autor und Poet. Sein neustes Buch ist am 1. September 2022 erschienen: «Dorfpolizist Gruber hat’s erwischt».