Baden
Cartoonist Silvan Wegmann nimmt Badener Cüpligesellschaft aufs Korn

Im Badener Restaurant Hirschli haben die Gäste künftig einen Grund mehr zum Schmunzeln: Die grosse Wand vis-à-vis der Bar schmückt ein riesiger fünfteiliger Cartoon von Silvan Wegmann, der die Badener Ausgehgesellschaft aufs Korn nimmt.

Ursula Burgherr
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Mammutcartoon
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Der Cartoon von Silvan Wegmann wird die nächsten paar Jahre die Wand vis-à-vis der Bar im Badener Lokal 'Hirschli' zieren (Bild ub)
Oben Silvan Wegmanns fünfteiliger Mammutcartoon - unten der satiritsche Jahresrückblick, der nur an der Vernissage zu sehen war (Bild ub)2
Silvan Wegmanns Cartoon über die Ausgehgesellschaft zu später Stunde im Kleinformat und am Stück - das Original im Hirschli ist fünfteilig (Bild ub)
Teil des Cartoons von Silvan Wegmann im Badener Hirschli.

Mammutcartoon

Ursula Burgherr

Es muss ja nicht immer Kunst sein! Statt einer Malerin oder einen Maler fragte «Hirschli»-Gastgeber André Stalder Cartoonist Silvan Wegmann, ob er die grosse Wand vis-à-vis der Bar mit witzigen Bildgeschichten bespielen möchte. «Er gab mir völlig freie Hand und ich wollte ursprünglich ein etwas schräges Abendmahl mit Badener Prominenz kreieren», meint Wegmann an der Vernissage seines bisher monumentalsten Werkes. Diese Idee verwarf er allerdings schnell wieder.

Stattdessen ist ein fünfteiliges, 2,5 auf 12,5 Meter grosses Panoptikum der heutigen Ausgeh- und Cüpligesellschaft aus dem Blickwinkel des Barmanns hinter dem Tresen kurz vor der Sperrstunde entstanden. Eine Frau lächelt ihn angesäuselt an, ein alkoholisierter Mann hat einen derartigen Lachkrampf, dass man sein Halszäpfchen sieht, während der Nachbar im heulenden Elend versinkt. Auch die Selfiemacher in jeder Situation sind zugegen, jemand schnippt ungeduldig mit den Fingern nach der Bedienung und ein Gast zahlt seinen Abschlusskaffee mit einer Tausendernote. Szenen mitten aus dem Leben gegriffen. «Ich habe mich intensiv mit den Leuten, die im ‹Hirschli› bedienen, unterhalten. Und die vielen kleinen alltäglichen ‹No-Goes›, die an der Bar passieren, in einem Bild zusammengefasst», erzählt Wegmann. Sein Mammutcartoon soll die nächsten paar Jahre zur Belustigung der Gäste im «Hirschli» bleiben.

«Satire darf alles», lautet das Motto von Silvan Wegmann

Die Vernissage dazu fand ein Tag nach Silvan Wegmanns 50. Geburtstag statt. Zur Feier dieses Anlasses montierte der in Baden wohnhafte gebürtige Stadt-Solothurner noch seinen ganz persönlichen satirischen Rückblick auf 2019 an die Wand. Karl Lagerfeld steht im weissen Engelshemd auf einer Wolke und meint entsetzt «Mein Gott, ich bin in die Modehölle geraten.» Boris Johnson, Trump, Greta und die Klimakrise, Wahlen usw.: Das sich zu Ende neigende Jahr war für den Cartoonisten sehr ergiebig. Seine Ideen schöpft er am Morgen beim Radiohören und Zeitungslesen. «Am schwierigsten ist es, eine Karikatur so runterzubrechen, dass sie für alle verständlich ist», berichtet er. «Satire darf alles», ist das Motto des einstigen Zollbeamten mit Zweitausbildung zum Bachelor of Art and Design, dessen Cartoons regelmässig in verschiedenen Printmedien erscheinen. Trotzdem würde er selber bei religiösen Themen Vorsicht walten lassen und sich nicht über Behinderung oder Krankheit lustig machen.

Wegmann erntet viel Lob für seine Arbeit, musste jedoch auch schon Shitstorms über sich ergehen lassen. «Aber damit kann ich gut umgehen. Wer austeilt, muss auch einstecken können», sagt er und lacht. Sein erster Cartoon erschien 1996 im «Badener Tagblatt». Seither wurde er für seine Arbeit mit Preisen überhäuft. Allen voran der World Press Cartoon Award, der wie der Oscar in der Filmbranche gewichtet wird. Auch von der UNO bekam er zweimal einen Preis für seine Politcartoons. «Aber das ist Schnee von gestern», sagt Wegmann.

Er lebt im Hier und Jetzt und hält seine Fühler stets ausgestreckt nach neuem Stoff für seine Karikaturen. Meistens hat er zu viele Ideen, um sie alle zu Papier zu bringen. Aber auch bei ihm gibt es manchmal Stau, und er sitzt vor dem weissen leeren Blatt. Was dann? «Ich knorze nicht weiter, sondern mache etwas ganz anderes», bekundet Wegmann, «oft gehe ich raus in den Wald. Oder fluche laut. Dann kommen die Ideen garantiert wieder.»