Baden
Christoph Meili wurde zum bekanntesten Schweizer Whistleblower – nun wurde seine Geschichte verfilmt

Die Story von Christoph Meili, dem bekanntesten Whistleblower der Schweiz, ist verfilmt worden. Er wuchs in Windisch auf und lebte in Baden, als er Bankdaten vor dem Schredder rettete und eine Staatskrise auslöste. In seiner alten Heimat hat er immer noch Freunde.

Pirmin Kramer
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Szene aus dem Film «Die Affäre Meili»: Der Whistleblower arbeitet tageweise als Promoter für Akkuschrauber und Bohrmaschinen. «Ich würde alles nochmals so machen. Ausser vielleicht aus Baden weggehen und nach Amerika ziehen.»

Szene aus dem Film «Die Affäre Meili»: Der Whistleblower arbeitet tageweise als Promoter für Akkuschrauber und Bohrmaschinen. «Ich würde alles nochmals so machen. Ausser vielleicht aus Baden weggehen und nach Amerika ziehen.»

1997 wurde Christoph Meili auf einen Schlag weltberühmt. Der damals 29-jährige Badener entdeckte im Schredderraum einer Tochterfirma der Schweizerischen Bankgesellschaft historisches Aktenmaterial, das zur Vernichtung vorgesehen war (siehe Kontext unten). Nun wurde seine Geschichte verfilmt: «Die Affäre Meili – Whistleblower zwischen Moral und Milliarden» – wurde letzte Woche im Schweizer Fernsehen gezeigt und läuft in einigen Kinos.

Meili wuchs in Windisch auf, er war ein Scheidungskind. Er ging mit 15 fort von zu Hause, schlug sich in Wohngemeinschaften durch, lebte in Brugg, in der Neuenhofer Webermühle und Baden. Beim Unterhaltungselektronik-Fachgeschäft Rediffusion an der Badener Mellingerstrasse absolvierte er eine Lehre als Radio- und TV-Verkäufer. 1997 lebte er gemeinsam mit seiner damaligen Frau und den zwei Kindern im Badener Ortsteil Rütihof. «Ich habe Baden immer sehr gemocht», sagt Meili zu dieser Zeitung.

Rückkehr nach Baden ins «Hope»

Den Film über Meili schaute sich auch Fred Grob an, der Mitbegründer des christlichen Sozialwerks Hope in Baden. Er kannte Meili aus der Stadtmission Baden, schon bevor dieser ein Whistleblower war. «Christoph Meili war schon früher ein Mensch, der für Gerechtigkeit einstand. Ein sehr empathischer Mann und das Gegenteil von einem Heuchler. Er hat ein Herz für die Schwachen, die Ungeliebten und jene, die ins Kreuzfeuer geraten.»

Nach seiner Rückkehr aus Amerika, wohin er nach dem Wirbel geflüchtet war, arbeitete Meili einige Zeit als Koch im Badener Hope; er leistete ein halbes Jahr Freiwilligenarbeit. «Er war natürlich geprägt von den Jahren zuvor, aber immer noch derselbe: ein sehr authentischer Mensch. So handelte er auch damals 1997: Nicht diplomatisch, aber dafür authentisch», sagt Grob.

Und ergänzt: «Nun, rund 20 Jahre nach den Enthüllungen, wäre es eventuell an der Zeit, dass die Stadt ihrem verlorenen Sohn Unterstützung anbieten würde. Denn Christoph Meili hat die Weltgeschichte mitgeprägt wie wohl kein anderer Bürger der Stadt vor ihm, und bei aller Kritik an seinem Handeln darf nicht vergessen werden, dass viele Familien, in der ganzen Welt verteilt, dank ihm ein Stück weit Gerechtigkeit erfahren haben.»

Meili hätte es wirklich verdient, wenn ihm geholfen würde, findet Grob. Denn er habe es nicht leicht, einen Job zu finden. «Er wurde hochgejubelt und gefeiert, doch kaum war die Story nicht mehr in den Schlagzeilen, wurde er fallengelassen wie eine heisse Kartoffel.»

Auch Käthi Frenkel (73) erinnert sich an Meili. Sie und ihr Mann Werner, beide jüdischen Glaubens, heute in Lengnau im Bezirk Zurzach zu Hause, wohnten damals in Baden-Dättwil. «Und da wir quasi Nachbarn waren, er lebte in Rütihof, luden wir ihn und seine Familie zum Nachtessen ein. Ich glaube, wir waren die ersten Menschen jüdischen Glaubens, die er traf. Kurze Zeit später verliess er die Schweiz in Richtung USA.» Auch sie spricht von einer «ehrenvollen Tat, die wir nie vergessen haben».

Christoph Meili sagt am Telefon: «Es freut mich, dass es noch Menschen gibt in der Region Baden, die an mich denken. Fred Grob kenne ich schon lange. Er war immer gut zu mir. Dass ich nach meiner Rückkehr aus den USA bei ihm im Hope arbeiten durfte, war gut für mich, und auch heilend», sagt der religiöse Mann.

Derzeit lebt Meili in der Ostschweiz, er hat zum dritten Mal geheiratet. Seine Frau ist Floristin und bestreitet den grössten Teil des Einkommens des Paars. Er arbeitet tageweise als Promoter für Akkuschrauber und Bohrmaschinen in mehreren Baumärkten.

Angesprochen auf seine Vergangenheit wird Meili nur noch selten. Er selber bereut nichts. «Ich habe viel erreicht und erlebt. Und ich konnte vielen Leuten helfen. Ich würde alles nochmals so machen. Ausser vielleicht aus Baden weggehen und nach Amerika ziehen.»

Meili und seine Rolle in der Debatte um Holocaust-Gelder

Mitte der 1990er-Jahre schwelte ein Streit um nachrichtenlose Holocaust-Gelder, in deren Zentrum Schweizer Banken standen. Ihnen wurde vorgeworfen, Vermögen zu lagern, die Nazis von den Juden geraubt und in der Schweiz deponiert hatten. Die rechtmässigen Erben erhielten aber keinen Zugriff, weil die Banken zum Teil Totenscheine der Konteninhaber verlangten, die von den Nazis aber nicht ausgestellt worden waren.

Der New Yorker Senator Alfonse D’Amato sagte 1996, auf Schweizer Bankkonten seien «Hunderte von Millionen oder mehr verschollen». Der amerikanische Anwalt Ed Fagan reichte eine Sammelklage ein und forderte 20 Milliarden Dollar. Im Januar 1997 eskalierte der Streit: Der Nachtwächter Christoph Meili aus Baden-Rütihof entdeckte im Schredder-Raum einer Tochterfirma der Schweizerischen Bankgesellschaft (heute UBS) historisches Aktenmaterial, das zur Vernichtung vorgesehen war.

Wenige Wochen zuvor war im Zusammenhang mit der Suche nach Konten von Holocaust-Opfern ein Aktenvernichtungsverbot erlassen worden. Meili schmuggelte einen Teil der Akten aus der Bank und übergab sie der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich. Die Schweizer Banken stimmten im August 1998 zur Entschädigung von Nazi-Opfern der Vergleichszahlung von 1,25 Milliarden Dollar zu. Die Geschichte wurde damit juristisch abgeschlossen.

Meili, in Israel als Held gefeiert und in der Schweiz als Verräter bezeichnet, war mit seiner Familie in die USA geflüchtet. Die Strafuntersuchung des Kantons Zürich gegen Meili wurde 1998 mangels strafbaren Verhaltens eingestellt. 2009 kehrte Meili nach mehr als elf Jahren Aufenthalt in den USA wieder in die Schweiz zurück.

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