Einwohnerrat
Daniel Jenni und seine Töchter – das sind die Kennedys von Obersiggenthal

Familie Jenni ist im Obersiggenthaler Einwohnerrat neu gleich zu dritt vertreten. Der Vater (CVP) und seine Töchter (SP) sind jedoch nicht immer und überall gleicher Meinung.

Pirmin Kramer
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Vater Daniel und die Töchter Mara (links) und Mia: Er sitzt für die CVP im Einwohnerrat, die Töchter für die SP.

Vater Daniel und die Töchter Mara (links) und Mia: Er sitzt für die CVP im Einwohnerrat, die Töchter für die SP.

Alex Spichale

Vater Daniel (CVP), Tochter Mia und nun auch ihre Schwester Mara (beide SP): Die Familie Jenni ist im vierzigköpfigen Parlament der Gemeinde Obersiggenthal neuerdings gleich zu dritt vertreten. Und hätte damit, wenn sie am selben Strick zieht, theoretisch mehr Macht als etwa die BDP oder die EVP.

Darauf angesprochen, lacht Daniel Jenni und sagt: «Wir sprechen uns vor Sitzungen nicht ab. Wenn wir über Politik diskutieren, dann eher konfrontativ. Abgesehen davon ist es manchmal sehr, sehr schwierig, meine Töchter zu überzeugen.» Bei den Jennis ging es schon immer politisch zu und her. So wie bei der amerikanischen Vorzeigefamilie, den Kennedys. Am Küchentisch wurde und wird über Politik diskutiert, sei es über das Weltgeschehen, Feminismus oder die Dorfpolitik.

Mia, Studentin der Germanistik und Kunstgeschichte, hat bereits nationale Bekanntheit erlangt: Nur eine Stimme fehlte ihr vor wenigen Wochen zur Wahl als Präsidentin der Juso Schweiz. «Wenn man in einen solchen Wahlkampf geht, weiss man, dass man verlieren kann.»

Sie habe das Ergebnis aber verdaut. «Ich stehe erst am Anfang meiner politischen Laufbahn. Und ich kann ja auch in Obersiggenthal einiges bewegen.» Die Politik im Einwohnerrat gefalle ihr, weil hier «nicht bloss theoretisiert wird, sondern wir über konkrete Sachverhalte abstimmen können».

Mara Jenni: «Lebensqualität im Dorf muss erhalten bleiben»

Aus diesem Grund hatte sich auch Mara, Studentin der Allgemeinen Geschichte und der Anglistik an der Uni Zürich, bei den vergangenen Wahlen zur Verfügung gestellt. Am Donnerstag rückte die 23-Jährige in den Einwohnerrat der Gemeinde mit einer Bevölkerungszahl von 8559 nach.

«Einerseits will ich mich dafür einsetzen, dass die Lebensqualität im Dorf erhalten bleibt.» Eine wichtige Rolle spiele beispielsweise das Hallenbad. Es sei bis zur temporären Schliessung meist voll besetzt gewesen, von jeder Alters- und Gesellschaftsgruppe genutzt worden. «Das Bad muss saniert werden. Es darf nicht verschwinden.»

Der Studentin der Allgemeinen Geschichte geht es in der Politik andererseits auch um Grundsätzliches: «Fremdenfeindlichkeit gibt es leider in unserem Land noch immer. Rassismus stirbt nicht aus, wenn man nichts aktiv dagegen unternimmt.»

Daniel Jenni (53), Arzt, sagt, er sei in die Politik reingerutscht. Er wuchs im Kanton Baselland auf, in der Nähe zu Deutschland und zum Elsass, wodurch er weltoffene Ansichten mit nach Obersiggenthal brachte. «Ich war in keiner Partei, wurde dann aber vor einigen Jahren von der CVP angefragt, ob ich für den Einwohnerrat kandidieren möchte. Wenn ich in der Gemeinde etwas bewegen will, muss ich mich engagieren, sagte ich mir.»

In welchen Fragen sind sich die Jennis einig? «Bei Grundsatzthemen, wie etwa Menschenrechten oder Feminismus», sagt Neu-Einwohnerrätin Mara. «Stimmt», sagt der Vater. «Meine Frau ist ebenfalls Ärztin und sobald sie schwanger wurde, war die Chancengleichheit nicht mehr gegeben. Ungerechtigkeiten wie diese waren bei uns schon immer ein Thema.» Mia bestätigt: «Diese Diskussionen haben mich geprägt. Ich war erst feministisch und dann links.»

Gleicher Meinung sind die Jennis auch beim Thema Verkehr. Eines der grössten Probleme für Obersiggenthal sei die hohe Verkehrsbelastung, sagt Daniel Jenni. «Mit dem Projekt Oase des Kantons und dem Bau des Martinsbergtunnels wird der Verkehr massiv zunehmen. Das macht uns Sorgen. Die Vorschläge des Kantons sind Schwachsinn», findet der sonst besonnene CVP-Einwohnerrat deutliche Worte.

Klare Worte findet auch Mia, wenn es um die Finanzpolitik des Grossen Rates geht. «Der Kanton wälzt immer mehr Kosten auf Gemeinden ab. Gleichzeitig macht er Steuergeschenke an Konzerne, und Reiche profitieren von der Pauschalbesteuerung.»

In Obersiggenthal sehe man die negativen Folgen dieser Politik. «Das Geld reicht für vieles im Dorf nicht mehr, weder für einen Fussballplatz noch für eine Erneuerung des Schwimmbads.»

Mia Jenni: «Politik macht grossen Teil meines Lebens aus»

Der Vater sagt zwar, er politisiere eher am linken Flügel der CVP, also gar nicht so weit weg von der SP; dennoch gebe es ab und zu Meinungsverschiedenheiten mit seinen Töchtern. «Die Juso hat zum Teil Ansprüche, etwa bei der Rückverteilung, die mir zu weit gehen.» Dagegen, dass seine Töchter die 99-Prozent-Initiative unterstützten, die das reichste Prozent der Bevölkerung stärker besteuern will, könne er aber nichts einwenden.

Und wer schafft es im Hause Jenni am ehesten, den anderen von seiner Meinung zu überzeugen? «Mia umzustimmen», sagt Vater Daniel und lacht, «ist praktisch unmöglich. Erstens, weil sie eine Ideologin ist. Und zweitens, ich gebe es zu, weil sie manchmal einfach die besseren Argumente hat.»

Mia: «Politik macht nun mal einen grossen Teil meines Lebens aus.» Der Gesprächsstoff geht den Jennis nie aus. Zu Hause am Küchentisch diskutieren nebst den Eltern und den beiden Ältesten längst auch der jüngere Bruder und die beiden jüngeren Schwestern von Mara und Mia mit. Ebenso eifrig und engagiert wie ihre Schwestern. Es wäre keine Überraschung, würde die Jenni-Fraktion im Einwohnerrat in den kommenden Jahren weitere Sitze hinzugewinnen.