Baden/Wettingen
Das Corona-Virus senkt das Reisefieber: auch Twerenbold und Stöcklin leiden – was sind die Folgen für die Angestellten?

Bei Twerenbold Reisen in Baden und Stöcklin Reisen in Wettingen kommt es wegen des Corona-Virus zu zahlreichen Stornierungen und einem Rückgang der Buchungen. Die Geschäftsleiter erklären, was das für die Angestellten bedeutet.

Martin Rupf und Andreas Fretz
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Diese Jahr beginnt die Italien-Saison bei Twerenbold Reisen nicht Ende März, sondern voraussichtlich erst Anfang Mai.

Diese Jahr beginnt die Italien-Saison bei Twerenbold Reisen nicht Ende März, sondern voraussichtlich erst Anfang Mai.

Twerenbold

Kaum eine Branche, die vom Corona-Virus nicht betroffen ist. Ganz besonders hart trifft es auch die regionale Tourismus- und Reisebranche, die Reiseerlebnisse in ganz Europa anbietet. Einer der führenden Anbieter ist die Badener Twerenbold Reisen Gruppe, die pro Jahr über 100'000 Gäste befördert. «Das Corona-Virus trifft uns im Mark», sagt VR-Präsident Karim Twerenbold, der das Unternehmen in vierter Generation führt.

Konkrete Zahlen zu Annullierungen oder Umbuchungen möchte er nicht nennen. Aber gerade bei Reisen nach Italien sei die Zahl gross. «Wir haben den Saisonstart für Reisen nach Italien verschoben und aktuell alle Reisen nach Italien bis Ende April 2020 storniert», so Twerenbold. Auch die Jubiläumsreise – das Unternehmen feiert dieses Jahr seinen 125. Geburtstag – nach Mailand in die La Scala mit rund 1200 Gästen sei frühzeitig abgesagt worden. «Italien ist für uns nach Deutschland das wichtigste Reiseland. Entsprechend spüren wir den späteren Saisonstart natürlich, zumal die Frühlingszeit nebst dem Herbst die wichtigste Reisezeit sei», so Twerenbold.

Man sei permanent in Kontakt mit den Leistungsträgern und den Behörden vor Ort und analysiere die Lage in Italien laufend. «Die Gewährleistung der Sicherheit und Gesundheit unserer Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitenden hat Vorrang», versichert Twerenbold. Als Sofortmassnahme habe man die Umbuchungsbedingungen angepasst und würde Kundinnen und Kunden Sonderkonditionen gewähren, wenn sie die Reise verschieben oder eine andere buchen wollten.

Einbruch der Buchungen auch bei Schiffsreisen

Twerenbold Reisen beschäftigt rund 350 Mitarbeitende. Wie wirkt sich das Corona-Virus auf diese aus? «Wir prüfen zurzeit alle Optionen und sind im Dialog mit unseren Mitarbeitenden. Konkret prüfen wir, Überzeiten abzubauen sowie unbezahlte Urlaube oder Pensenreduktionen einzuführen», so Twerenbold. Kurzarbeit könne ebenfalls eine Option sein. «Wir erarbeiten momentan einen Massnahmenplan, wobei die Sicherung der Arbeitsplätze höchste Priorität hat.»

Weiter habe Twerenbold Reisen diverse Massnahmen ergriffen, damit die Mitarbeitenden die Verhaltensregeln des Bundesamtes für Gesundheit einhalten können. «Wir sensibilisieren und schulen unsere Chauffeure und Reiseleiterinnen und Reiseleiter. Zudem ermöglichen wir Home-Office und reduzieren Geschäftsreisen auf ein absolutes Minimum», sagt Twerenbold.

Auf die Frage, ob die Flussreisen gleichermassen betroffen sind wie die Busreisen, antwortet Twerenbold: «Die Saison der Flussreisen hat noch nicht begonnen. Wir registrieren aber einen starken Einbruch bei neuen Buchungen im Vergleich zum Vorjahr.» Über alles gesehen sei es schwierig, eine Prognose für die Saison zu machen. «In dieser sich extrem schnell entwickelnden und sich verändernden Lage ist eine Prognose praktisch unmöglich.»

Stöcklin Reisen: Kurzarbeit beantragt

Die Stöcklin Reisen AG aus Wettingen sei vom Corona-Virus «arg betroffen», sagt Geschäftsleiter und Inhaber Emil Schmid. «Mit dem Bekanntwerden des Virus sind die Teilnehmerzahlen regelrecht eingebrochen.» Da die Feriendestination Italien 80 Prozent des Jahresumsatzes ausmache, stehe die Firma still. Die Stöcklin AG bietet Wellness-, Kur- und Badeferien im südlichen Nachbarland an und zählt in der Deutschschweiz und im Tessin zu den grösseren Anbietern. Vor allem der Frühling und der Herbst seien sehr beliebt bei den eher älteren Wellness-Kunden, sagt Schmid.

Die Destinationen Abano-­Montegrotto, Montecatini sowie die Insel Ischia werden wöchentlich ein- bis zweimal mit Stöcklin-Reisebussen angefahren. Doch im Moment verbucht das Unternehmen mehr Annu­l­lationen und Umbuchungen als Neubuchungen. «Ein Drittel der Kunden annulliert die Reise, zwei Drittel buchen um», sagt Schmid. Für die sieben Voll­zeitangestellten im Büro und für die drei Buschauffeure hat die Firma Kurzarbeit beantragt. «Das habe ich in 40 Jahren noch nie machen müssen», sagt Schmid.

Gäste mussten aus Italien zurückgeführt werden

Aufgeschreckt wurde die Geschäftsleitung am vergangenen Sonntag. Um 10 Uhr erhielt die Firma die Weisung, alle noch in Abano verbliebenen Gäste umgehend in die Schweiz zurückzuführen, da die Hotels bis am Abend leer sein müssen. «Wir kamen dieser Aufforderung umgehend nach und organisierten gleichentags eine Extrafahrt», sagt Schmid. Am Sonntagabend um 21 Uhr seien alle Kunden zurück an ihrem Wohnort gewesen. Inzwischen habe das Reiseunternehmen keine Gäste mehr in Italien.

«Wie es nun weitergeht, wissen nur die Viren», sagt Schmid. Die Firma müsse sich überlegen, ob sie den Betrieb aufrechterhalten kann. «Wenn das Virus das ganze Jahr bleibt, wird es schwierig. Wenn wir die Wellnessreisen nach Italien nicht anbieten können, haben wir keine Existenzgrundlage.»

Abklären, ob Anzahlungen rückforderbar sind

Erschwerend kommt hinzu, dass Anzahlungen für die Hotels und Marketing-Ausgaben bereits im Voraus getätigt wurden. 400'000 Katalog-Exem­plare wurden an die Haushalte versendet. «Werbung können wir nicht rückgängig machen», sagt Schmid. Alleine fürs Marketing hat die Firma bereits 300'000 Franken ausgegeben. Weitere 400'000 Franken gingen für Anzahlungen an die Hotels drauf. «Wir müssen abklären, ob wir da etwas zurückfordern können», sagt der Geschäftsleiter.

4000 Gäste hat Stöcklin Reisen pro Jahr, rund 2000 Gäste hätten ihre Reisen für das laufende Jahr bereits gebucht. Diese können kostenfrei und ohne Bearbeitungsgebühren auf einen späteren Zeitpunkt im Jahr verschoben werden. Grundsätzlich können alle Reisen bis 22 Tage dem Start ohne Annullationsgebühren storniert werden.

«Wenn die Abreise zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr erfolgt, empfehlen wir den Gästen, zuzuwarten und die Lage weiterhin zu verfolgen», sagt Schmid. So gelten etwa für die Destination Bad Wörishofen in Deutschland bisher keine Einschränkungen.