Baden
«Das Fest darf nicht kommerzieller werden»

Das Badener Stadtfest ist zu Ende. Die beiden Co-Präsidenten des Stadtfest-Komitees Adi Hirzel und Marc Périllard ziehen eine positive Stadtfest-Bilanz. Doch angestossen wird nicht etwa mit Bier oder Wein – aus gutem Grund.

Martin Rupf und Roman Huber
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Verspüren keine Leere nach dem Stadtfest: Adi Hirzel (l.) und Marc Périllard. Christoph Voellmy

Verspüren keine Leere nach dem Stadtfest: Adi Hirzel (l.) und Marc Périllard. Christoph Voellmy

Vergangenen Sonntag ging das Stadtfest 2012 zu Ende. Ein paar Tage später trifft die az die beiden OK-Präsidenten Marc Périllard und Adi Hirzel zu einem abschliessenden Gespräch. Dabei wird nicht etwa mit einem Bier auf das schöne Fest angestossen, sondern mit einer Apfelschorle. Périllard: «Ich habe mir vorgenommen, drei Tage keinen Alkohol mehr zu trinken, das ziehe ich jetzt durch.»

Herr Périllard, Herr Hirzel: Drei Jahre Vorbereitung auf das Stadtfest und zehn intensive Festtage liegen hinter Ihnen. Verspüren Sie jetzt die grosse Leere?

Marc Périllard: Also, mir geht es saugut. Ich bin froh, ist das Fest nach zehn strengen Tagen fertig, denn der Druck war schon gewaltig. Das Spektrum, welches das OK abdecken musste, war riesig. Dabei ist jede Aufgabe für sich bewältigbar, vielmehr war es die Menge der Aufgaben. Ich freue mich, dass ich jetzt nicht mehr jeden Abend 30 bis 40 Mails zum Stadtfest beantworten muss.
Adi Hirzel: Wegen des Stadtfests habe ich die Arbeit auf dem Büro etwas schleifen lassen. Deshalb verspüre ich jetzt auch keine Leere, weil es mich im Büro braucht.

Konnten Sie das Fest überhaupt geniessen, oder mussten Sie von einem Termin zum anderen hetzen?

Hirzel: Natürlich ging das Fest an die Substanz, doch geniessen konnte ich es jederzeit. Was mir besonders Eindruck gemacht hat, wie mir wildfremde Menschen die Hand gedrückt haben und sich für das tolle Fest bedankt haben.
Périllard: Wir haben darauf geachtet, dass wir Termine für repräsentative Verpflichtungen auf den frühen Abend legen, sodass wir nachher noch «i d Möscht» gehen konnten.

Welches waren für Sie die positiven Überraschungen, welche Highlights werden Ihnen in Erinnerung bleiben?

Périllard: Eines der Highlights war für mich das Festgebiet auf der Schlossruine Stein. Es hat doch einigen Mut gebraucht, dieses Gebiet mit einzubeziehen. Und natürlich das grosse Engagement aller, die zu diesem Fest beigetragen haben.
Hirzel: Extrem zufrieden bin ich, dass der Theaterplatz genau das gebracht hat, was wir wollten. Einerseits für die Kulturszene Baden, andererseits wegen der vielen Sitz- gelegenheiten, die auch genutzt wurden. Auch der Mehrwegbecher hat sich total bewährt; es gab bedeutend weniger Abfall. Und nicht zuletzt bin ich sehr glücklich darüber, dass das Fest trotz Zehntausender Besucher friedlich und ohne grössere Zwischenfälle über die Bühne gegangen ist.

Was ist weniger gut gelaufen bzw. wo ziehen Sie Lehren für das nächste Fest?

Périllard: Es ist fast unmöglich, Lehren zu ziehen, da fast jedes Fest anders ist. Jedes Fest muss von Grund auf neu aufgezogen werden. Natürlich machen wir im Komitee nach jedem Fest eine Liste, was wir verbessern können.

Thema «Reservationen»: Viele Beizen hielten sich ans Verbot, bei anderen war es fast unmöglich, einen Tisch zu erhalten. Lässt sich das Verbot überhaupt durchsetzen?

Périllard: Nein, durchsetzbar ist es grundsätzlich nicht. Wir können die Festbeizer nur animieren, auf Reservationen zu verzichten. Aber die ganze Thematik muss sicher im Hinblick auf das nächste Fest zusammen mit den Vereinen angeschaut werden.
Hirzel: Viele Beizen haben gemerkt, dass es je nachdem unvorteilhaft ist, wenn sie reservieren. Ich habe erlebt, dass für 10 Personen reserviert war, diese aber nicht erschienen. Oder andere Besucher kamen zu spät.

Das Fest – obwohl offiziell keine Badenfahrt – hat knapp eine Million Menschen nach Baden gelockt. Ist die Schmerzgrenze damit erreicht?

Hirzel: Die Frage, was mag die Stadt überhaupt schlucken, ist wirklich berechtigt. Viel mehr mag es sicher nicht vertragen. Doch wir können auf die Besucherzahl nur sehr bedingt Einfluss nehmen.

Viele verstanden nicht, weshalb man das Fest «Stadtfest» und nicht «Kleine Badenfahrt» nannte. Trotzdem wollen Sie am «Stadtfest» festhalten. Weshalb?

Périllard: Ich kläre an dieser Stelle gerne nochmals auf. Das Stadtfest wird nicht immer fünf Jahre nach bzw. fünf Jahre vor einer Badenfahrt stattfinden. Es ist also eben keine «Kleine Badenfahrt». Sondern es ist durchaus denkbar, dass zum Beispiel 2019 – also zwei Jahre nach der nächsten Badenfahrt – ein kleineres Stadtfest stattfindet. Einen Grund für ein Fest finden wir immer!
Hirzel: Wenn der Brand «Stadtfest» so unglücklich ist, wie ich immer wieder höre, weshalb kommen dann doch 850000 Besucher? Mit anderen Worten: Wir könnten den Anlass irgendwie nennen, und die Besucher kämen trotzdem...
...Périllard: Ausser, wenn wir es «Wettiger Fescht» nennen (lacht).

Es fällt auf, wie die Festbeizen immer grösser und imposanter werden. Besteht da nicht die Gefahr, dass Vereine ohne Sponsoren im Rücken bald keine Beiz mehr aufstellen können? Oder anders gefragt: Muss das Komitee nicht korrigierend einwirken?

Hirzel: Ich habe mich sehr gefreut, dass auch mit einfachen Mitteln tolle Beizen entstanden. Aber wir sind uns im Komitee einig, dass es nicht kommerzieller werden darf. Es muss Platz haben für jeden Verein.
Périllard: Die Ideen und mehrstöckigen Geschosse sind ja von den Vereinen aus gekommen, da können wir keinen Einfluss nehmen. Wir vom Komitee geben nur das Motto vor und definieren die Festgebiete. Wir sagen bestimmt nicht, es soll immer gigantischer werden.

Aber indem das Komitee auf dem Theaterplatz einen Bau für rund 250000 Franken hinstellt, setzt es die Vereine schon unter Druck.

Périllard: Das glaube ich nicht. Nehmen wir das Beispiel Schlossruine Stein: Dort gab es ganz unterschiedlich grosse Beizen, die sich überhaupt nicht gestört, sondern vielmehr ergänzt haben.
Hirzel: Was das Fest hingegen wieder deutlich gezeigt hat: Beizen ohne Kreativität und speziellem Angebot waren oft leer.
Périllard: Noch ein Nachtrag zu den imposanten Bauten: Ein solches Fest ist immer auch ein Zeitspiegel. Im Moment boomt die Region, deshalb hatten wir auch ein paar gesponnene Bauten. Wenn es der Region in fünf Jahren nicht mehr so gut gehen sollte, werden wir genauso eine gute Badenfahrt haben, aber einfach mit kleineren Ansprüchen. Das war schon immer so.

Kritische Stimmen gab es zum unteren Bahnhofplatz und zur Badstrasse, wo Besucher vor allem Food-Stände und vereinzelt wenig kreative Festbeizen vorfanden.

Hirzel: Der Bahnhofplatz war ein Problem, weil wir Mühe hatten, dort jemanden zu finden. Zudem mussten wir irgendwo 80 Food-Stände platzieren. Denn die 70 Festbeizen hätten nicht gereicht, um alle Besucher zu verpflegen. Dass diese Stände nicht sehr attraktiv waren, stimmt. Aber wir können diesen nicht vorschreiben, wie sie daherzukommen haben.
Périllard: Natürlich haben wir die Badstrasse im Komitee oft diskutiert. Stände sind aber noch besser als eine leere Badstrasse, sie verbinden die einzelnen Festgebiete. Festbeizen konnten wir in die Badstrasse keine stellen, da sie meist zu gross wären.
Hirzel: An der Badenfahrt 2017 werden wir aktiv Einfluss nehmen müssen auf die Gestaltung des Bahnhofplatzes – denn er ist das Eingangstor zum Fest.

«Wir»? Herr Périllard Sie haben ja bereits angekündigt, bei der Badenfahrt 2017 nicht mehr in einer führenden Rolle dabei zu sein. Wer wird das Badenfahrt-Komitee anführen, Sie Herr Hirzel?

Hirzel: Ich würde mich dieser Aufgabe tatsächlich gerne annehmen. Das war ja mit ein Grund, weshalb wir das Stadtfest-OK zu zweit geleitet haben. So konnte ich von der Erfahrung und dem Wissen Marcs profitieren. Weil aber die beiden Vereine «Stadtfest» und «Badenfahrt» auf dem Papier nichts miteinander zu tun haben, muss mich der Verein Badenfahrt zuerst wählen.
Périllard: Daran habe ich keinen Zweifel (lacht).

Wenn wir schon beim Personal sind. Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der Festgestalterin Eliane Zgraggen?

Hirzel: Sehr! Sie hat diesem Fest gestalterisch den Stempel aufgesetzt.
Périllard: Sie war eine echte Bereicherung im Komitee...

...und wird darum auch für die Badenfahrt 2017 gestalterisch verantwortlich zeichnen?

Hirzel: Wir werden zu gegebener Zeit sicher mit ihr darüber sprechen.