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Drei Tage im Januar gehören dem Pianisten Oliver Schnyder: Er spielt im Gartensaal der Villa Boveri. Mit Stücken von Mozart und Beethoven fesselt er die Zuhörer.
«Beethoven schafft Visionen von höchster Klarheit, Geistigkeit und Glut», sagt der Korrepetitor Jan, eine Romanfigur: «Wenn man sich unterwirft mit Herz und Hirn, erlebt man das Höchste, was Musik bietet. Es zerreisst einen» – wie etwa beim Hören der «Hammerklaviersonate». Da fehlen einem die Worte, bevor einem schliesslich in den Sinn kommt, was in der Beethoven-Oper «Fidelio» gesungen wird: «O Gott, welch ein Augenblick!»
Das hätte man am Ende von Oliver Schnyders von nuancierter Empfindungswärme durchpulster Interpretation dieser Sonate am liebsten gesagt.
Stattdessen schnellt man wie alle anderen im Gartensaal der Villa Boveri hoch – wissend, dass die Standing Ovation aus der Erkenntnis erfolgt: Nur so können ein kapitales Werk und eine kapitale Lesart gewürdigt werden. Mag sein, dass man zuvor Angst hatte vor dieser fast 50-minütigen Sonate, zumal diese zu den technisch schwierigsten und für den Interpreten wie für das Publikum gleichermassen zu den geistig anspruchsvollsten Klavierwerken gehört. Deshalb liegt die «Hammerklaviersonate» zwar in vielen Einspielungen vor, doch im Konzertsaal hört man sie zu selten.
Nimmt sich nun ein Pianist wie Oliver Schnyder ihrer an, weiss man um dessen langjährige, akribisch-behutsame Erforschung des Werks. Und noch etwas weiss das Publikum der zum fünften Mal durchgeführten Schnyder-Tage im Rahmen der Korendfeld-Konzertreihe: Dieser Pianist führt uns. Auch jetzt, als er mit sympathischer Offenheit zunächst von den horrenden Schwierigkeiten erzählt; danach betont, dass das kurzzeitige «den Faden verlieren» keine Zerknirschung beim Hörer hervorrufen soll. Schliesslich erfolgt – mit Blick ins Publikum – die Feststellung: «Sie sind ja bei mir.»
Der Auftakt überrascht: Schnyder schlägt ein schnelles, ja riskantes Tempo an und er spielt die klar rhythmisierten Fortissimo-Akkorde nicht wuchtig, sondern mit tänzerischem Gestus. Gebannt folgt man dem Pianisten weiter; man staunt über den rhythmisch-federnden Schwung und die fein variierte Gestaltung des wiederholten Innehaltens sowie über Schnyders Souveränität, auseinander driftende Entwicklungsverläufe schlüssig zu ordnen.
Das riesige Adagio sostenuto spielt der Pianist ganz nach Beethovens Vorschrift «leidenschaftlich und mit viel Gefühl». Wut, Klage und Trost durchdringen diesen Satz mit schmerzlicher Schönheit. Oliver Schnyder vereint da – mehr noch als in den eingangs gespielten Mozart-Sonaten Nr. 17 und Nr. 9 – jene Kraft und zarte Wärme, die sein Rezital unvergleichlich machen.