Baden/Wettingen
Das Konstanzer Konzil in der Region

Poggio Bracciolini kam als Konzilsteilnehmer vor 600 Jahren nach Baden. Die Absichten des Konzilsthematisiert die katholische Kirche Wettingen.

Dieter Minder
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Poggio Bracciolini.

Poggio Bracciolini.

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Die Imperia, eine mächtige Frauenfigur mit sehr grossem Décolleté, prägt die Hafeneinfahrt von Konstanz. Auf ihren Händen trägt sie zwei Figuren, die eine mit der Kaiserkrone, die andere mit der Tiara, der früheren Krone des Papstes. Ihr gegenüber steht der mächtige Bau des Konzils. Imperia und Gebäude erinnern an das Konzil, das zwischen 1414 und 1418 in der Stadt am Bodensee stattgefunden hat. Gedacht als Reformkonzil konnten sich die kirchlichen Würdenträger und Mächtigen des Reichs weder auf eine neue Machtverteilung zwischen Kirche und Staat noch auf Reformen einigen.

Der grösste Erfolg: Das Konzil setzte die drei amtierenden Päpste ab und wählte Martin V. zum neuen Papst. Damit war die Führung in der Kirche wieder geregelt. Der traurige Tiefpunkt der wohl grössten kirchlichen und politischen Versammlung des Mittelalters: Jan Hus und Hieronymus von Prag wurden, trotz der Zusicherung des freien Geleits, verbrannt. Ihre Reformideen gingen den Mächtigen zu weit.

Entzückt von den freien Sitten

Einer der Konzilsteilnehmer war Poggio Bracciolini. Er logierte zeitweise in den Bädern von Baden. Der 1996 verstorbene Schriftsteller und BT-Journalist Robert Mächler hat ihm in den Badener Neujahrsblättern 1980 einen ausführlichen Artikel gewidmet. Unter anderem schreibt Mächler: «In die Bäder von Baden kam Poggio im Mai 1416 von Konstanz aus. Der lateinisch geschriebene Brief über den Aufenthalt war an den Florentiner Freund Niccolò Niccoli gerichtet. Der Grund des Aufenthalts, Gicht an den Handgelenken, wird nur flüchtig erwähnt. Von der Tatsache, dass Baden nicht lange zuvor von den Eidgenossen erobert worden war, nimmt Poggio keine Notiz. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Leben und Treiben in den Bädern, die man dazumal fast mehr des Vergnügens als ihrer Heilkraft wegen aufsuchte.

Er ist entzückt von den freien Sitten daselbst, vom zwanglosen gemeinsamen Baden der Geschlechter. Alles sieht er im Zeichen frohen, durch keinerlei Verdruss und Zank gestörten Lebensgenusses und wird bloss durch seine Unkenntnis der Landessprache davon abgehalten, sich mit den badenden Mädchen näher anzufreunden. Etwas anders als im Sinne der kirchlichen Lehre vom Paradies glaubt er, ‹dass unser Ort der ist, wo der erste Mensch erschaffen wurde; Gan Eden nennen ihn die Juden, das heisst Garten der Lust›».

Die Themen sind dieselben

«Es ist erschütternd, dass die Kirche heute noch vergleichbare Fragen bewegen, wie beim Konzil vor 600 Jahren», stellt der Wettinger Pastoralassistent Stephan Lauper fest. Obwohl als Konzil des Aufbruchs gedacht, erfüllte es die Hoffnungen nicht. Es kam zu keinem Aufbruch, dabei ist ein solcher wichtig. «Das Christentum ist vom Aufbrechen geprägt», sagt Lauper. «aufbrechen, kleingeschrieben, um auszudrücken, dass es eine Tätigkeit sein muss, ist das Motto unserer diesjährigen Bildungsreihe», sagt Heinz Bürgler. Er, Hans Senn und Stephan Lauper sind Mitträger der Erwachsenenbildung der katholischen Kirchgemeinde Wettingen. Höhepunkt der Reihe wird die Doppelveranstaltung vom 5. und 6. September sein. Kirchenhistoriker Markus Ries einen Vortrag über das Konzil halten und eine Exkursion nach Konstanz leiten.