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Mit Spannung wurde die Debatte im Einwohnerrat von Obersiggenthal um die Reduzierung des Pensum des Gemeindeammanns auf 60 Prozent erwartet. Entschieden wurde in der Sache noch nicht, dafür hagelte es von allen Seiten Kritik.
Mit Spannung wurde die Debatte um die Pensumsreduktion des Gemeindeammanns im Einwohnerrat von Obersiggenthal erwartet. Mit der Einführung einer Geschäftsleitung soll der Gemeinderat mehr Zeit erhalten, sich um die strategischen Fragen zu kümmern, heisst es im Postulat von CVP-Einwohnerrat Erich Schmid, das am Donnerstagabend im Einwohnerrat behandelt wurde.
Da der Gemeindeammann dadurch entlastet würde, soll seine Vollzeitstelle auf 60 Prozent reduziert werden. Gerade Letzteres sorgte so kurz vor den Wahlen im Herbst für Zündstoff. Das sieht auch Schmid: «Der Zeitpunkt für diese Abstimmung ist äusserst unglücklich.» Er kritisierte aber den Gemeinderat für das schleppende Vorgehen.
Für Gemeindeammann Dieter Martin war es eine schwierige Situation, schliesslich geht es um seinen Posten. Brisant: Der Gemeinderat unterstützte die Vorlage – «aber nicht einstimmig», betont Martin. Er sieht die geforderte Stellenkürzung als nicht gerechtfertigt. «Ein Gemeindeammann hat nicht nur seine Ressorts, sondern ist auch in regionale und kantonale Aufgaben eingebunden und hat Repräsentationspflichten.» Das könne man nicht an eine Geschäftsleitung abgeben.
Dass Martin sich trotz der Ja-Empfehlung des Gemeinderats negativ äusserte, stiess einigen Einwohnerräten sauer auf. «Will der Gemeinderat das Geschäft nun annehmen oder nicht?», wollte Eugen Paul Frunz von der SVP wissen. Von SP-Gemeinderätin Marie-Louise Nussbaumer Marty erhielt der Gemeindeammann Unterstützung: «Nach 13 Jahren im Rat halte ich mich heute nicht an das Kollegialitätsprinzip. Ich bin dagegen und stehe dazu!»
Auch die SP und die Grünen waren gegen die Vorlage. Kritik gab es aber selbst von den Befürwortern: Der Vergleich der verschiedenen Verwaltungsmodelle in der Vorlage des Gemeinderats sei ungenügend. SVP-Mitglied Patrick Hehli sah dahinter taktische Gründe: «Man macht eine schlechte Vorlage, damit sie abgelehnt wird und vom Tisch ist.» Auch von Erich Schmid selbst wurde die Arbeit des Gemeinderats gerügt.
Nach einer kurzen Pause überraschte es darum nicht, dass gleich zwei Rückweisungsanträge gestellt wurden. Über jenen von FDP-Einwohnerrat Christoph Villiger wurde abgestimmt. Und so kam es im Rat trotzdem noch zu einem einstimmigen Resultat: Ja zum Rückweisungsantrag. Der Gemeinderat muss die Vorlage neu ausarbeiten. Mit einem Dringlichkeitsantrag wollte CVP-Einwohnerrat Erich Schmid erreichen, dass sie spätestens in der Dezembersitzung vor den Rat kommt.
«Die Rechnung 2016 ist enttäuschend – vorsichtig ausgedrückt», betont FDP-Einwohnerrat und Fiko-Präsident Peter Marten. Dank den Sparbemühungen sei es aber nicht ganz so schlimm wie befürchtet, fügt er mit einem müden Lächeln hinzu. Die Devise ist klar: Jeder Franken muss zwei Mal umgedreht werden. Der Schuldenberg von 18 Millionen Franken wächst weiter und das operative Ergebnis der Gemeinde zeigt für das Jahr 2016 ein Minus von 855 579 Franken.
Sorgen machen die hohen Ausgaben für die Pflegefinanzierung und das Sozialwesen. Posten, die die Gemeinde nicht beeinflussen kann. Allein der Bereich Sozialwesen macht 12 Steuerprozent des Gemeindebudgets aus. Negativ beeinflusst wurde die Rechnung 2016 auch durch die zu tiefen Steuereinnahmen. Das kombiniert mit den zukünftigen hohen Investitionen für neue Schulbauten und das Hallen- und Gartenbad stimmen Peter Marten nachdenklich: «Wenn das so weitergeht, bin ich nicht sicher, ob der kürzlich erhöhte Steuerfuss noch ausreicht.» Dann liege es an Einwohner- und Gemeinderat, die Bevölkerung von einer erneuten Erhöhung zu überzeugen.
Das sieht auch Daniel Meier von der CVP so: «Wenn wir neue Schulen und das Hallen- und Gartenbad finanzieren wollen, geht das wohl nur über eine Steuerfusserhöhung.» Erst Ende Februar hat das Obersiggenthaler Volk im zweiten Anlauf einer Steuerfusserhöhung um 5 auf 103 Prozent knapp zugestimmt. Darum lehnt die SVP eine weitere Erhöhung strikt ab. «Ob unser Chef – das Volk - einer weiteren Erhöhung zustimmen würde, ist fraglich», sagt Marcel Müller und plädiert für Bescheidenheit: «Wir wollen Geld in der Kasse und nicht Schulden bei den Gläubigern.»
CVP-Gemeinderat Linus Egger macht sich vor allem um den niedrigen Selbstfinanzierungsgrad der Gemeinde Sorgen. Dieser lag im letzten Jahr gerade einmal bei 34 Prozent. «Das ist ungenügend», betont Egger. Lob findet er für die Schule und die Verwaltung, die bei der Umsetzung des Sparpakets gut mitgemacht hätten.
Auch Urs Müller von den Grünen bedankt sich für diese Bemühungen, stellt aber auch fest: «Die Zitrone ist ausgepresst – das zeigt die hohe Fluktuation in der Verwaltung.» 18 Mitarbeiter seien im letzten Jahr gegangen, darum sei fraglich, ob Obersiggenthal noch eine gute Arbeitgeberin sei. Gleichzeitig warnt Müller davor, dass man nicht alles schwarzsehen soll. Auch Fiko-Chef Peter Marten stellt fest: «Wir gehen nicht am Krückenstock – wir haben eine gute Infrastruktur hier in Obersiggenthal.»
Zwischen den vielen negativen Zahlen gingen diese positiven Voten jedoch unter. Ein Spar-Rezept zum Abbau des 18-Millionen-Franken Schuldenbergs fand der Einwohnerrat auch an dieser Sitzung nicht. Die Rechnung 2016 wurde einstimmig genehmigt.