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Nach sieben Jahren schliesst die Weltenbummler-Bar mit Wohnzimmer-Atmosphäre in Baden ihre Tore. Die beiden Co-Präsidentinnen werfen einen Blick zurück.
Für viele aus der Region ist sie wie ein zweites Zuhause: die Weltenbummler-Bar «Trotamundos». Doch damit ist am Freitag Schluss: Das Lokal schliesst nach einem Abschiedsfest für immer seine Tore.
Denn nachdem der gleichnamige Betreiber-Verein das Lokal letzten Sommer komplett saniert hatte, entschloss sich Liegenschaftsbesitzer Bernd Reichert, dass er die Räumlichkeiten in Zukunft rauchfrei halten möchte. Der Verein aber hätte das «Troti» am Hahnrainweg 13 gerne weiterhin mit dem bisherigen Konzept als Raucherbar betrieben.
2009: So ist die Idee entstanden
Die Idee, ein Kulturlokal zu eröffnen, entstand vor knapp acht Jahren auf einer Reise in Chile. Gründungsmitglied Fanny Raffinger unterstützte Studenten bei den Umbauarbeiten für ihr Café «Trotamundos» oder Weltenbummler. Zurück in der Schweiz und inspiriert von ihrer Reise wollte Raffinger einen Ort schaffen, an dem Menschen zusammenkommen und kulturelle Aktivitäten in einer gemütlichen Wohnzimmer-Atmosphäre Platz haben. Mit ein paar Freunden gründete sie den Verein «Trotamundos» und im Kriesi-Areal fanden sie ein geeignetes Lokal.
Doch im Lagerraum der ehemaligen Schlosserei Kriesi tropfte es von den Wänden, der Raum war kaum isoliert, ein WC war nicht vorhanden und es war auch keine Heizung eingebaut. Also arbeiteten die rund zehn Kernmitglieder den ganzen Winter durch am Abend und an den Wochenenden bis spät in die Nacht hinein, um den Raum in eine gemütliche Bar zu verwandeln.
«Da der Holzofen erst im Frühling eingebaut wurde, war es während den Umbauarbeiten saukalt», erinnert sich Janine Ort, die sich mit Marita Sutter heute das Präsidium teilt. Kurz vor der Eröffnung im April 2010 stellten sie zudem fest, dass die Wasserleitungen nicht etwa zugedreht waren, sondern gar nicht bis ins Haus führten.
2010: Eröffnung des «Troti»
Dank viel Herzblut, Eigenleistungen und dem Know-how der Mitglieder konnte der Verein am 9. April schliesslich das «Trotamundos» eröffnen. Die Zukunft des Lokals war aber ungewiss. «Wir wussten zwar, dass unsere 40 bis 50 Freunde regelmässig kommen würden», sagt Janine Ort. «Aber wir hatten damals keine Ahnung, wie gut das ‹Troti› insgesamt laufen würde.» Zudem erhielten sie von der Stadt die Bewilligung nur für drei Jahre als Zwischennutzer, da das Gebäude einer Überbauung hätte weichen sollen.
Doch schon nach einem Jahr etablierte sich das Lokal, das jeweils am Dienstag, Freitag und Sonntag offen hat, zu einem beliebten Treffpunkt mit 1200 Mitgliedern, die für zehn Franken auf Lebzeiten beigetreten sind. Und das ganz ohne Werbung.
Etwa einmal pro Monat finden Konzerte statt, an denen lokale, wenig bekanntere Musiker auftreten. Künstler können ihre Werke ausstellen und immer wieder finden Karaokeabende, Lesungen oder Spielturniere statt, an denen die Gäste sich im Brändi-Dog, töggele oder Jassen messen können.
Die kleine Badenfahrt vor fünf Jahren gehörte zu einem der Highlights, sind sich Janine Ort und Marita Sutter einig: «Das war der Hammer.» Das Team organisierte zahlreiche Konzerte und jeden Tag gab es ein anderes Bier und ein anderes Menu. Und das alles mit einem Budget von 5000 Franken.
Der Ansturm war so gross, dass sie auf der Terrasse Bier auf der Mauer stehend verkaufen mussten, da kein Durchkommen mehr war. Ganz besonders in Erinnerung blieb das Konzert von «Scacciapensieri», die im strömenden Regen auf der vollen Dachterrasse spielten. Geschützt durch ein improvisiertes Dach mit Planen, die das «Troti»-Team mit Besenstilen regelmässig leeren mussten.
Zu einem Grossanlass entwickelte sich auch das alljährliche Geburtstagsfest. Im zweiten Jahr drohte das «Troti» wegen des Besucherandranges derart aus den Nähten zu platzen, dass der Verein die Feier zum dritten Geburtstag 2013 in die Stanzerei verlegte – mitsamt der Einrichtung.
2016: «Troti» darf definitiv bleiben
Ein Meilenstein in der «Troti»-Geschichte war 2016, als die Stadt grünes Licht zur dauerhaften Nutzung gab – nachdem sie zweimal eine dreijährige Bewilligung zur Zwischennutzung erteilte. Dafür musste der Verein das Lokal aber energetisch teilsanieren.
Bei den Sanierungsarbeiten und der kompletten Neugestaltung des Lokals legten die «Trotamundos»-Teammitglieder im Sommer selbst Hand an. Rund 40 freiwillige Helfer unterstützten sie bei den Umbauarbeiten, die zwei Monate dauerten.
Liegenschaftsbesitzer Bernd Reichert finanzierte den Umbau. «Ich freue mich, wie sich das Lokal entwickelt hat. Ehrlich gesagt wüsste ich gar nicht, was ich sonst mit dem Haus machen würde», sagte Reichert damals gegenüber dem «Badener Tagblatt». Denn als Wohnhaus eigne sich das grüne Haus am Eck nicht. Er sei stolz auf die Bar und gehe selbst ab und zu vorbei.
Dass nun nach sieben Jahren Schluss ist, stimmt die beiden Co-Präsidentinnen traurig. Marita Sutter: «Ich werde die Abende hier im ‹Troti› sehr vermissen.» Die Möglichkeit, sich in der Weltenbummler-Bar selbst verwirklichen zu können, werde ihr fehlen.
«Wir konnten alles nach unserem Geschmack gestalten, unsere Musik spielen, die Getränke anbieten, hinter denen wir stehen.» Und Janine Ort ergänzt: «Das ‹Troti› ist ein Ort, an dem man auch alleine kommen kann.
Trotzdem trifft man ganz viele Freunde auf einmal oder kommt mit Unbekannten ins Gespräch. Dass dies jetzt verloren geht, bedaure ich am meisten.» Ob sie in Zukunft ihre Freizeit in ein ähnliches Projekt investieren, ist noch offen. «Wir verabschieden uns zuerst vom ‹Troti› dann schauen wir weiter», sind sich die beiden einig.
Mit einem grossen Fest verabschiedet sich das heute siebenköpfige Kernteam am Freitag von seinen Gästen. Auf der Dachterrasse spielen die Bands «Effie’s Beast», «In Gin Lane» und «Elyn». Zudem legt Roman Tschopp seine Platten auf.