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Die Sonderausstellung ist aus einer Idee des Künstlers Ruedi Sommerhalder, der seit Jahren im Stroppel-Areal lebt und arbeitet, und der Ortsmuseumskommission entstanden.
Vor dem alten Bauernhaus plätschert der Brunnen. Der Dorfbach rauscht gemächlich vorbei. Das sprudelnde Wasser ist die perfekte Einstimmung auf eine ganz besondere Ausstellung, die am Sonntag im Untersiggenthaler Ortsmuseum ihre Türen öffnet. Sie erzählt vom Leben am und mit dem Wasser – und vor allem auch vom Leben im Wasserschloss. Hier, wo Aare, Reuss und Limmat zusammenkommen und die Hälfte des gesamten Schweizer Wassers Richtung Nordsee fliesst, gibt es zahlreiche Schätze zu entdecken: Zum einen das Stroppel-Areal mit seiner reichen Industriegeschichte, die unzertrennlich mit dem Wasser verbunden ist. Zum anderen Dutzende Lebensarten, vom Mittelalter bis in unsere Zeit, die ohne das Wasser nicht denkbar wären.
Die Sonderausstellung ist aus einer Idee des Künstlers Ruedi Sommerhalder, der seit Jahren im Stroppel-Areal lebt und arbeitet, und der Ortsmuseumskommission entstanden. Deren Präsident Marcel Meier sagt bei einem Rundgang vor der Eröffnung: «Das Thema der Ausstellung hat eine grosse Bedeutung für Untersiggenthal. Aber auch weit über das Dorf hinaus.»
Sommerhalder sagt von sich selbst: «Ich bin ein Wassermensch durch und durch.» Der Künstler, der auf der Wettinger Klosterhalbinsel aufgewachsen und von Haus aus Lehrer ist, erzählt: «Ich habe bei den Badener Pontonieren meine halbe Jugend verbracht. Seit meiner Kindheit bin ich immer wieder auf dem Wasser gefahren.» Im Militär war er erst Pontonier, später Taucher. Gemeinsam mit seiner Frau Tonia suchte er in den Neunzigerjahren ein altes Bauernhaus, um ein Atelier einzurichten. Es wurde etwas anderes: 1995 konnte er im Fabrikareal Stroppel sein Atelier einrichten.
Die Zwirnerei an der Limmatmündung im Stroppel wurde 1869 als erste Fabrik in Untersiggenthal gegründet. Sie ist exemplarisch für das Leben mit dem Wasser: Lange war sie der wichtigste Arbeitgeber im Dorf. 1907 verkaufte sie die Fabrikantenfamilie Escher an J.P. Coats Limited aus dem schottischen Glasgow. 1990 wurde die Produktion eingestellt, die Fabrikgebäude nach und nach an private Eigentümer verkauft. In den letzten dreissig Jahren ist hier, mitten im Wasserschloss, eine einmalige Mischung aus Künstlerateliers, Wohnraum, KMU und Kulturlokalen entstanden, allen voran der Saal im früheren Garnhaus.
Die Geschichte des Stroppel-Areals ist aber nur ein Teil dieser reichhaltigen und aufwendig gestalteten Ausstellung. Sie nimmt einen mit auf grosse Fahrt über die Aargauer Flüsse. So erfährt man, wie die mit Weidlingen befahrenen Flüsse über Jahrhunderte als «freie Reichsstrassen» dienten. Man lernt auch, was der Untersiggenthaler Weiler Steinenbühl – hoch oben auf dem Siggenberg gelegen – mit der Flösserei zu tun hat.
Überhaupt erfährt man sehr viel Spannendes über das fast verschwundene Handwerk des Flossbaus, das im Aargau so wichtig war. Oder wie wichtig der Fährübergang bei Stilli früher war, als die Zurzacher Messe blühte und es noch kaum Brücken gab an Aare, Reuss und Limmat. Oder wie die Fischer früher nicht nur mit Netz, Garn und Reusen fischten, sondern auch mit kleinen Leuchtfeuern und scharfen Harpunen in der Nacht. «Zünden und Stechen» nannte man diese brutale Methode. Das war in Zeiten, als es in Untersiggenthal noch Lachse im Überfluss gab. Heute verschwinden die meisten heimischen Fische aus den Flüssen.
Das Ortsmuseum ist ein Vorzeigebeispiel eines kleinen Museums, das mit geringen Mitteln eine grosse Wirkung erreicht. Die neue Sonderausstellung ist der beste Beweis dafür. «Wir haben das Glück, dass wir in Untersiggenthal eine gesunde Ortsbürgergemeinde haben, die auch ein Gespür für Kultur hat», betont Marcel Meier, der früher als Logistikchef selbst in der Zwirnerei Stroppel gearbeitet hat.
Die lebensgrossen Figuren, die jetzt vor und im Museum an alte Zeiten erinnern, hat Ruedi Sommerhalder mit der Unterstützung der Museumskommission und eines Mitarbeiters in rund drei Monaten geschaffen. Die Ausstellung bietet einen tiefen Einblick in das Leben am und mit dem Wasser. Sie dauert bis in den Herbst: Eine Lesung mit dem Schriftsteller Christian Haller am 3. November ist der voraussichtliche Schlusspunkt eines umfangreichen Rahmenprogramms mit Führungen, Referaten - und einer Flussfahrt.
Leben mit dem Fluss: Vom 7. 4. bis zum 3.11. im Ortsmuseum Untersiggenthal. Jeweils am ersten Sonntag im Monat. Führungen jederzeit auf Anfrage: www.ortsmuseum-untersiggenthal.ch