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Der abtretende Badener Stadtrat Roger Huber: «Das Amt hat mich jung gehalten»

14 Jahre lang war Roger Huber (FDP) Badener Stadtrat – seine Bilanz und was das alles mit der Pfadi zu tun hat.

Martin Rupf
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Die Karriere von Roger Huber in Bildern
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2003: Roger Huber an der Landammannfeier von Peter C. Beyeler.
2008: Roger Huber und Marie-Louise heiraten und fahren standesgemäss vor.
2012: Roger Huber und Markus Dieth weihen den RVWB-Hybrid-Bus ein.
2013: Roger Huber zeigt vollen Einsatz beim Pflanzen von 1000 Jungeichen.
2017: Oktoberfest mit Reto Schmid, Gilbert Gress und Erich Obrist.

Die Karriere von Roger Huber in Bildern

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Zum letzten Gespräch erscheint Stadtrat Roger Huber im Anzug – so wie man den Rechtsanwalt meistens in Baden angetroffen hat. Im Gespräch wirkt er trotz leichter Erkältung gelöst. Man merkt: Hier freut sich einer auf einen neuen Lebensabschnitt.

Roger Huber, 2003 wurden Sie mit 30 Jahren als jüngster Stadtrat von Baden gewählt. Jetzt, 14 Jahre später verlassen sie die politische Bühne. Fühlen Sie sich 44 Jahre alt oder hat Sie das Amt schneller ältern lassen?

Roger Huber: Also vornweg: Das Amt des Stadtrats war eine sehr bereichernde Tätigkeit. In diesem Sinn würde ich sogar eher sagen, das Amt hat mich über all die Jahre jung gehalten. Grundsätzlich ist und war es immer ein grosses Privileg, Badener Stadtrat zu sein. Man ist stets gut informiert, am Puls des Geschehens und kann Einfluss nehmen und gestalten.

Gar nichts Negatives?

Natürlich gab es auch belastende Momente. Was man nicht unterschätzen darf, ist insbesondere der Zeitaufwand. Auch ich habe diesbezüglich das Amt am Anfang etwas unterschätzt. Aber ich war ja noch jung und voll im Saft, als ich gewählt wurde (lacht).
Sie sprechen von «Einfluss nehmen und gestalten».

Wie gross ist die Gefahr, dass einem die Macht zu Kopf steigt – gerade wenn man so jung wie Sie gewählt wurde? Ihnen wurde ja auch nachgesagt, die politische Karriere wie kein Zweiter forciert zu haben.

Ich bin immer mit beiden Füssen auf dem Boden geblieben und habe bewusst immer den Kontakt zur breiten Bevölkerung gesucht. Auch bin ich immer gut mit sämtlichen politischen Lagern ausgekommen. Ich glaube, ich bin in all diesen Jahren ich selber geblieben.

Zur Person

Roger Huber, FDP-Stadtrat und Ressortvorsteher Immobilien und Infrastruktur, sass von 1999 bis 2003 für die FDP im Einwohnerrat. Von 2000 bis 2004 präsidierte er die FDP-Stadtpartei. Seit 2004 ist er Stadtrat von Baden. Beruflich ist Huber seit 2005 als selbstständiger Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Zivil- und Strafrecht in Baden tätig.

Huber ist unter anderem Präsident des Gemeindeverbandes Kehrichtverwertung Region Baden-Brugg (KVA Turgi) und Präsident des Abwasserverbandes Region Baden-Wettingen (ABW) und wird diesen Vorständen vorerst auch weiter vorstehen. Huber ist Brödlirat der Spanischbrödlizunft Baden und Mitglied des Stadtturnvereins Baden. Der 44-Jährige lebt mit seiner Frau Marie-Louise und seinen beiden Söhnen (2,5 und 6 Jahre) in Dättwil. (mru)

In Ihrer gesamten Amtszeit sind Sie dem Ressort Immobilien und Infrastruktur treu geblieben. Weil es das mit dem geringsten Aufwand war?

Ganz bestimmt nicht. Auch wenn man vielleicht nicht so viel Beachtung erhält wie als Hochbau- oder Finanzvorsteher, habe ich mein Ressort immer mit Herzblut und Leidenschaft geführt. Ich hatte ein enorm breites Aufgabenfeld und einen grossen Tätigkeitsbereich, den man in der Öffentlichkeit vielleicht zum Teil gar nicht so wahrgenommen hat. So gehören zu unserem Ressort 240 Wohnungen, 500 Parkplätze und alle Kindergarten-, Schul- und Sportanlagen, das Terrassenbad und sämtliche Strassen- und Anlagen der Stadt. Diese müssen dauernd gereinigt, unterhalten und erneuert werden. Und: Kein Ressort innerhalb der Verwaltung ist locker – sie alle beinhalten spezielle Herausforderungen und Aspekte.

Trotzdem: Hat es Sie nie gereizt, ein anderes Ressort zu führen?

Nein, im Gegenteil. Ich bin stolz darauf, durfte ich verschiedene Perlen realisieren und begleiten wie etwa die neue Stadthauszeilen-Fassade, den Umbau der «Baldegg», die Renovation des Stadtturmes oder dass in meiner Amtszeit sämtliche öffentliche Spielplätze erneuert wurden. Wenn ich einen neuen Spielplatz eröffnen durfte und die leuchtenden Kinderaugen sah, dann hat mir das immer sehr viel gegeben.

Bei welchen Projekten hat es geharzt?

Zwar hatte ich gerade im Entsorgungsbereich eine sehr gute Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden und wir konnten gemeinsam einiges anstossen. Aber ich hätte mir bei diesen Themen manchmal etwas mehr Tempo gewünscht. Ich lernte zu akzeptieren, dass es zuweilen etwas langsamer geht, als ich mir das wünschte.

Ist das ein verstecktes Plädoyer für weniger Zusammenarbeit und für eine grössere Regionalstadt?

Das ist ein öffentliches Plädoyer: Ich bin seit je her ein Verfechter einer grossen Regionalstadt und hoffe, dass die umliegenden Gemeinden wieder mit offeneren Armen auf Baden zugehen, als dies in den letzten Jahren der Fall war. Ich gehe aber auch davon aus, dass in Zukunft die finanzielle Lage der Gemeinden dazu führen wird, dass man gar nicht mehr um das Thema Zusammenschlüsse herumkommt.

Wo sehen Sie sonst für die Stadt Baden – abgesehen von den Finanzen – in den nächsten Jahren die grossen Herausforderungen?

Es liegt sicher nicht an mir, dem neuen Stadtrat die Agenda vorzugeben. Aber in der aktuellen finanziellen Situation wird es umso mehr so sein, dass man zuerst die bestehende Infrastruktur erhalten und zeitgemäss erneuern kann, bevor neue Investitionen beschlossen werden, für deren Unterhalt künftig kein Geld vorhanden sein wird.

Ihre politische Karriere erfuhr einen Dämpfer, als Sie sich im Frühling 2013 denkbar knapp mit 34 Stimmen im Ammann-Wahlkampf Geri Müller geschlagen geben mussten. Wie haben Sie diese Niederlage verdaut?

Wer mich kennt, der weiss: Ich bin keiner, der die Flinte ins Korn wirft, wenn mal etwas nicht klappt. Ich wäre wirklich gerne Badener Stadtammann geworden. Doch ich akzeptierte den Entscheid des Volkes trotz des sehr knappen Wahlausgangs.

Hat Ihnen das Bekanntwerden des «Deals vom Roten Turm» – Sie und Gegenkandidat Markus Schneider hatten vereinbart, derjenige, der nach dem ersten Wahlgang das schlechtere Resultat erzielt, tritt nicht mehr an – letztlich die nötigen Stimmen gekostet?

Es ist knapp fünf Jahre später müssig, darüber zu spekulieren. Der «Deal» wurde vor allem von den Medien hochgespielt. Dass im Wahlkampf Gespräche unter Kandidaten und Parteien geführt werden und Szenarien durchgegangen werden, ist völlig normal und hat nichts Anrüchiges an sich.

Sie hätten ja im Herbst 2013 bei den Gesamterneuerungswahlen nochmals angreifen können?

Wie gesagt, ich akzeptierte den Entscheid des Volkes. Hinzu kam aber auch, dass in jenem Sommer der langjährige und verdiente Leiter der Abteilung Liegenschaften, Tony Stalder, überraschend verstarb. Ich sah es als meine Pflicht an, für Stabilität in dieser Abteilung zu sorgen und das Boot gemeinsam mit den Mitarbeitenden über Wasser zu halten. Das erachtete ich damals als meine wichtigste Aufgabe.

Anderes Thema: Wohl auch für Sie war das Auffliegen der Nackt-Selfie-Affäre von Stadtammann Geri Müller im Sommer 2014 ein einschneidender Moment. Wie haben Sie die folgenden Wochen und Monate – auch innerhalb des Stadtrats – erlebt?

Aus dem Nähkästchen plaudere ich natürlich auch jetzt nicht. Nur so viel: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das Kollegium damals die richtigen Entscheide gefällt hat. Den Rest hat jetzt die Geschichte geschrieben, respektive korrigiert (Anm. der Redaktion: der Stadtrat stellte sich am Anfang gegen eine Rückkehr Geri Müllers in den Stadtrat, willigte später aber auf eine Mediation ein, die jedoch erfolglos verlief). Ich glaube, es bringt nichts, wenn man das Ganze jetzt weiter kommentiert.

Doch es ist wohl kein Geheimnis, dass sich die weitere Zusammenarbeit im Gremium erschwert hat. Laut zuverlässigen Quellen soll das Gesprächsklima immer wieder mehr als vergiftet gewesen sein.

Der Stadtrat Baden hat als Gremium auch danach funktioniert. Die Kollegialität innerhalb des Stadtrats war immer viel besser, als gegen aussen behauptet wurde.

Trotzdem entschieden Sie sich, diesen Herbst nicht mehr als Stadtrat anzutreten bei den Gesamterneuerungswahlen. Wäre es taktisch nicht klüger gewesen, nochmals als Bisheriger anzutreten und so der FDP allenfalls wieder zu einem zweiten Sitz in der Exekutive zu verhelfen?

Man kann sich nicht immer nur in den Dienst der Partei stellen. Der Entschluss war lange gereift und wohl überlegt. Nach 20 Jahren Lokalpolitik ist es jetzt die richtige Zeit für etwas Neues. Zudem war in der Abteilung Immobilien mit dem neuen Abteilungsleiter wieder Stabilität und Kontinuität eingekehrt.

Sie waren zu 40 Prozent als Stadtrat tätig. Wo investieren Sie diese frei werdende Zeit. In den Beruf oder in die Familie?

In beides natürlich. Ich freue mich grundsätzlich einfach wieder mehr Zeit für meine Familie sowie meinen Beruf als Rechtsanwalt, aber auch für meine Freunde und meine Hobbys, die in den vergangenen Jahren viel zu kurz kamen, zu haben. Man wird mich künftig wieder öfters beim Frühschwimmen oder beim Joggen oder Biken in den Badener Wäldern antreffen. Insbesondere freue ich mich, mehr Zeit mit meinen beiden Jungs verbringen zu können. Aber natürlich bin und bleibe ich ein sehr politischer Mensch, auch ohne Amt. Und ich schliesse auch nicht aus, mich irgendwann mal wieder politisch zu engagieren.

Sie selber waren in der Pfadi Baden Hochwacht. Werden Sie Ihre Buben auch für die Pfadi begeistern?

Vieles, was ich an Rüstzeug im politischen Alltag gebraucht habe, habe ich in der Pfadi gelernt. Man übernimmt schon sehr früh Verantwortung, hat Lager und Sitzungen geleitet oder Budgets verantwortet. Umso mehr freut es mich, dass mein älterer Sohn bereits in der Biberstufe mitmacht; der Vorstufe zu den Wölfen. Auch habe ich mir unlängst ein Pfadi-Spatz-Zelt gekauft und freue mich jetzt schon aufs Zeltabenteuer mit meinen beiden Jungs. Es ist schön, wenn meinen Söhnen so die gleichen Werte wie Naturverbundenheit und Kameradschaft vermittelt werden. Getreu dem Pfadi-Motto: Allzeit bereit!

Ursprünglich wollte das «Badener Tagblatt» auch mit dem scheidenden Stadtammann Geri Müller ein Schluss-Interview führen. Im Einvernehmen mit der Redaktion verzichtete Geri Müller aber schliesslich darauf.