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Der älteste Schindler-Lift der Welt, der noch in Betrieb ist, befinde sich im Hotel Blume. So wird es seit Generationen überliefert. Doch leider stimmt diese Geschichte nicht.
Befasst man sich mit dem Bädergebiet, kommt man an dieser Geschichte nicht vorbei: Mit Stolz erzählen sich die Badener, dass in der «Blume» der älteste Schindler-Lift der Welt die Gäste befördere – der legendäre Schindler-Lift Nummer 2, eingebaut im Jahr 1898.
Auf der Internetseite des Hotels, in Reiseführern, Zeitungen mit nationaler Reichweite und im neusten Geschichtsbuch über das Badener Grand Hotel von 2016 ist dies zu lesen. Doch jetzt steht fest: Das ist lediglich ein Mythos, der sich über die Jahre etabliert hat.
Die Hoteliers Patrik und Silvio Erne sind nicht die Einzigen, die glaubten, den ältesten noch in Betrieb stehenden Schindler-Lift der Welt zu besitzen. Um diese Gunst buhlte schon der bulgarische König oder das Hotel Pera Palas in Istanbul.
Doch bei beiden Liften handelt es sich um Modelle aus dem frühen 20. Jahrhundert, nicht etwa aus den 1890er-Jahren. Der älteste, noch laufende Aufzug von Schindler in der Schweiz – und vermutlich auch der Welt – ist jener am Hirschengraben 33b in Luzern.
Den Aufzug «Type 1911» liess ein Zahnarzt per 1. September 1912 einbauen, um seinen betuchten Kunden den Zugang zu seiner Praxis zu erleichtern. 1998 wurde der Lift aus Sicherheitsgründen ein paar Jahre stillgelegt und 2008 mit Mitteln der Luzerner Denkmalpflege saniert und wieder in Betrieb genommen, schreibt Schindler-Mitarbeiter Beat Baumgartner im «Senkrechtstarter-Blog». (saw)
«Schon ein kurzer Blick auf die Blechkabine des jetzigen Personenaufzuges in der Blume zeigt, dass der Lift unmöglich aus dem vorletzten Jahrhundert stammen kann», schreibt Beat Baumgartner auf dem «Senkrechtstarter-Blog», hinter dem Schindler Deutschland steht.
Denn Blechkabinen produzierte das Schweizer Unternehmen erst ab 1930. Der langjährige Redaktor der Personalzeitung von Schindler Schweiz recherchierte bei Schindler Aarau genauer nach und fand heraus: Der elektrische Lift in der «Blume» stammt aus dem Jahr 1948. Das zeigt eine Offerte vom 6. März 1948.
Der Aufzug kostete 18 617,30 Franken. «Für die damalige Zeit ein respektabler Betrag», so Baumgartner. Der Lift ersetzte eine alte wasserhydraulische Anlage mit der Kommissionsnummer 213, ungefähr aus dem Jahr 1895. «Von diesem Hydrauliklift Nummer 213 gibt es keine Unterlagen mehr, weil er damals total abgebrochen wurde.» Der heutige noch in Betrieb stehende Lift wurde 2006 das letzte Mal renoviert.
Für Hotelier Patrik Erne, der die «Blume» zusammen mit seinem Bruder Silvio 2002 übernahm, bricht damit keine Welt zusammen: «Für uns spielt es keine Rolle, ob es der Aufzug Nummer 2 oder Nummer 53 ist.» Es bleibe dennoch ein Erlebnis sowohl für ihn als auch die Gäste, mit einem historischen Aufzug zu fahren.
«Und dies in einem Gebäude, das 1421 erstmals urkundlich erwähnt, mit dem Aargauer Heimatschutzpreis ausgezeichnet und seit Januar 2017 als erstes und bisher einziges Aargauer Hotel bei ‹Swiss Historic Hotel› aufgenommen wurde.»
Auf der Webseite des Hotels wird dennoch weiterhin zu lesen sein, dass es sich um den Schindler-Lift Nummer 2 handelt. «Wir werden keine Anpassung am Text auf der Homepage oder anderen Kommunikationsmitteln machen.» Denn schon als seine Eltern die «Blume» 1972 kauften, hiess es, es wäre die legendäre Nummer 2, welche die Gäste befördere, so Erne.
Dass sich die weitverbreitete Geschichte um den Schindler-Lift Nummer 2 nun als unwahr herausstellt, überrascht den Badener Historiker Bruno Meier nicht. «Solche Legenden entstehen immer wieder.»
Zwar sei sicher, dass die «Blume» in den 1890er-Jahren einen Lift einbaute. Doch die Frage, um welchen Aufzug es sich dabei genau handelte, könne nur Schindler beantworten. «Massgeblich ist letztlich deren Archiv», so Meier.
Doch wie ist dieser Mythos um diesen Lift entstanden? «Darüber kann man nur spekulieren», sagt Beat Baumgartner von Schindler. Er vermutet, dass dieses Missverständnis aus einem Schreibfehler entstanden ist. «Aus Nummer 213 wurde die Nummer 2, aus 1895 wurde 1898, denn die Ziffern 5 und 8 können leicht verwechselt werden.»
Auch wenn der Lift im Hotel Blume nicht so alt ist wie angenommen, steht für Beat Baumgartner dennoch fest: «Das Hotel mit seiner neoklassizistischen Galerie und dem Atrium ist auf jeden Fall einen Besuch wert.»