Integration
Der gute Bosnier

Der Behindertenbetreuer Marko Matolic spricht über sein Leben als Migrant. «Ich fühle mich hier zu Hause», sagt Matolic, der als Beispiel für eine gelungene Integration gilt.

Philippe Neidhart
Drucken
Marko Matolic fühlt sich wohl in der Schweiz – sie ist seine Wahlheimat geworden.

Marko Matolic fühlt sich wohl in der Schweiz – sie ist seine Wahlheimat geworden.

12. Stock in einem Block an der Grenze von Baden. Das helle Wohnzimmer mit den kleinen Glastischchen ist farbig eingerichtet. Marko Matolic sitzt auf dem Sofa und erzählt von seinem Leben. 50 Jahre ist er alt, sein frisches Auftreten lässt ihn jünger erscheinen. Geboren wurde er in Bosnien, verbrachte jedoch einen grossen Teil seiner Kindheit in Kroatien.

Dort studierte er Politikwissenschaften, half bei der Organisation der Weltsportspiele der Studenten und war als freier Mitarbeiter für das kroatische Fernsehen tätig. Dass er nun in der Schweiz wohnt, ist eher ein Zufall. Im Sommer 1991 hatte Matolic keine Arbeit. Eine Bekannte aus der Schweiz schlug ihm deshalb vor, für einige Monate in die Schweiz zu kommen und dort als Hilfskraft im Spital Muri zu arbeiten.

«Eigentlich wollte ich nur für eine befristete Zeit hier bleiben, da ich im September wieder eine Arbeit in Kroatien antreten sollte.» Kurz nach seiner Abreise in die Schweiz eskalierte aber die Situation im ehemaligen Jugoslawien und seine Aufenthaltsbewilligung wurde verlängert. «Das war für mich die schwierigste Zeit in meinem Leben – vor allem die Ungewissheit, ob die Familie noch am Leben ist.»

Ein neuer Anfang

Obschon die ersten Jahre schwierig waren, hat er viele positive Erinnerungen an die Zeit, als er frisch in die Schweiz kam. «Es war Krieg, und viele Leute haben sich damals mit mir solidarisiert.» Als er nach 7 Monaten keine Arbeit mehr in Muri hatte, konnte er weiter dort wohnen und wurde verpflegt. «Das habe ich nie vergessen und bin bis heute dankbar.»

Für Matolic war bald klar, dass er nicht wieder nach Kroatien zurückkehren würde. Das Land hatte sich verändert und nach dem Krieg wäre es schwierig für ihn gewesen, eine Arbeit zu finden. «Ich kenne weniger Leute in Kroatien als hier in der Schweiz.» Die jährlichen Reisen in den Osten werden für den 50-Jährigen deshalb immer mehr zu Ferien. Die Schweiz ist zu seiner Wahlheimat geworden. «Wo man sich wohlfühlt, da ist man zu Hause.»

Ausserdem hat er in der Schweiz seine grosse Liebe gefunden und eine Familie gegründet. Auch beruflich hat sich Matolic weiterentwickelt. Während seiner 13 Jahre bei der Behindertenstiftung Arwo hat er sich berufsbegleitend zum Behindertenbetreuer ausbilden lassen. Seit 14 Monaten arbeitet er nun im Arbeits- und Wohnzentrum Kleindöttingen.

Gefahr der Gettoisierung

Mit seiner aufgeschlossenen Art ist Matolic ein Beispiel für gelungene Integration. «Da ich viel mit Menschen arbeite und als Kind oft meinen Wohnort gewechselt habe, ist es mir vielleicht leichter gefallen als anderen Migranten.»

Er habe sich als Ausländer zwar einiges anhören müssen, das sei aber nicht weiter schlimm gewesen. «Wenn man als Schweizer nach Kroatien geht, hört man dieselben Sprüche. Es gibt überall schlechte Menschen, doch man darf niemals alle in denselben Topf werfen.» Die Integration müsse auf beiden Seiten stattfinden. «Wir haben unsere Sprachkurse selbst finanziert, auch einen grossen Teil meiner Weiterbildung.»

Man solle aber auch die Unterstützung von Gemeinden oder Kantonen bekommen, etwas günstiger einen Sprachkurs zu besuchen. Ansonsten sei es schwierig, sich in einem Quartier zu integrieren. «Wenn die Leute nicht integriert werden oder sich selbst integrieren können, besteht die Gefahr einer Gettoisierung.»

Bei vielen seiner Ansichten lässt Matolic seine Ausbildung als Politologe durchscheinen. «An der Art, wie man eine Minderheit behandelt, kann man die Qualität einer Demokratie ablesen. Hass und Ablehnung führen nicht zu einem funktionierenden Zusammenleben.» Und die Schweizerische Regierungsform gefällt dem Behindertenbetreuer. Vor allem die Ordnung und die Freiheit in diesem Land seien ein grosser Vorteil. Und diese sollten auch bewahrt werden. «Als Migrant muss man die Schweizer Gesetze respektieren. Wenn es jemandem hier nicht passt, soll er nicht hierbleiben und woanders hingehen.» Er selbst geniesst das Leben hier sichtlich. «Baden ist eine kleine überschaubare Stadt, mit allem, was man zum Leben braucht.»