Baden
Der Hauptdarstellerin auf den Leib geschrieben

So kann Theater auch sein – verfremdend, irritierend, improvisiert. «Es wird sicherlich bald sehr still sein in mir», hiess das Stück, das am Wochenende im ThiK zu sehen war.

Hans Christof Wagner
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Theater Thik
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Familienbande - Miro Caltagirone (Neffe Gregor) und Laura Lienhard als Tante Umbrella.
Miro Caltagirone (Neffe Gregor) und Laura Lienhard als Tante Umbrella machen Erna (Sabine Martin) Vorwürfe (von links)
Sangen auch gemeinsam, von links Laura Lienhard als Tante Umbrella und Sabine Martin als Erna
Auf der Thik-Bühne wurde auch viel gesungen, von links Miro Caltagirone (Gregor), Roman Shamov (Herr Molch) und Laura Lienhard als Tante Umbrella
Schicksalsgemeinschaft von links Miro Caltagirone (Gregor), Sabine Martin (Erna), Roman Shamov (Herr Molch) und Laura Lienhard (Tante Umbrella).

Theater Thik

Von Hans Christof Wagner

Das Stück von Autor Lukas Linder wurde zuvor in der Schweiz nur zwei Mal gespielt – bei der Uraufführung im November 2014 in Schaffhausen und noch einmal in Chur. Vermutlich werden es die dortigen Theaterbesucher einen Tick anders in Erinnerung haben. Denn was Linder zu Papier gebracht hat, ist kein klassisches Theater, kein fest umrissenes Stück mit klarer Handlung, mit Anfang und Schluss. Die ThiK-Besucher mussten sich eine neue Vorstellung vom Bühnenbetrieb machen. Das fing schon damit an, dass es bei «Es wird sicherlich bald sehr still sein in mir» auch keine klassischen Auftritte und Abgänge gibt. Alle Akteure sassen schon vor Beginn auf der Bühne herum und blieben auch dort, in scheinbar sinnlosen Aktionen verharrend, wie Stühle balancieren oder Katalogseiten ausreissen.

Die Präsenz der alten Diva

Linder hat gesagt, er habe die Hauptrolle, Tante Umbrella, der Schaffhauserin Laura Lienhard ein Stück weit auf den Leib geschrieben. Im ThiK war das zu spüren. Lienhard konnte als alternde Diva aus dem Vollen schöpfen und eine schier unbegrenzte Präsenz entfalten. Sie räsonierte über die Bedeutung des Stuhlwesens, haderte mit dem Alter, schwelgte in längst vergangenen Zeiten. Aber sie, wie die anderen Akteure, konnten sich auch dem Moment hingeben, anarchisch, im Hier und Jetzt. Linder lässt seinen Figuren diese Freiheiten, lässt sie vielschichtig sein – zur Überraschung der Zuschauer.

Die Geschichte einer Schicksalsgemeinschaft, die in einem Abbruchhaus ein Konzert vorbereitet, das nie stattfinden wird, wartet mit vielen umwerfend komischen Szenen auf, die jedoch nie oberflächlich sind. Wutausbrüche folgen auf leise Passagen und die eingebauten Songs changieren von sentimental bis rockig. Alles ist fokussiert auf die Bühne des ThiK, deren Ausmasse für «Es wird sicherlich bald sehr still sein in mir» wie geschaffen zu sein schienen.