Fast zehn Jahre schaute Fredy Neuenschwander im Bäderquartier zum Rechten. In wenigen Tagen zieht er mit seiner Partnerin ins Tessin – das letzte Gespräch über Einbrüche, das zwei Grad warme Schlafzimmer und die Vorfreude auf das neue Thermalbad.
Überall hängen Tücher an den Glaswänden im Empfangsraum des «Staadhof». «Die Tücher helfen, den Raum besser zu isolieren», sagt Freddy Neuenschwander. Zusammen mit Angela seiner Lebenspartnerin schaut er hier zum Rechten. Einst von Benno Zehnder angestellt, bezieht Neuenschwander heute Lohn von der Stiftung «Gesundheitsförderung Bad Zurzach + Baden». Doch jetzt, wo mit den Bauabbruch begonnen wurde, sind auch ihre Tage im Bäderquartier gezählt.
Seit knapp zehn Jahren bewohnt er zusammen mit Angela ein kleines Zimmer im «Staadhof», dem ehemaligen Ärztehaus. «Der einzige Raum der in diesem Gebäude noch geheizt wird, ist die Empfangshalle», so Freddy. In ihrem Zimmer sei es im Januar manchmal nicht wärmer als 2 Grad geworden. «Und eine Dusche haben wir auch nicht. Wenn wir duschen wollen, heizen wir das Wasser jeweils im Teekocher auf und schöpfen es danach mit einem Massbecher aus einem Plastikkübel.
Neuenschwander, der nebenbei noch für die RVBW Bus fährt, ist als «Abwart» für die Instandhaltung der stillgelegten Gebäude (Verenahof-Geviert, Thermalbad, Römerbad), und das Parkhaus zuständig – ja sogar für die Wartung der Quellen ist er verantwortlich, aus denen täglich über eine Viertelmillion Liter Thermalwasser ungenutzt in die Limmat fliessen. In dieser Zeit hat er allerlei erlebt. «Schon zweimal stand plötzlich einer mitten in der Nacht vor unserem Zimmer», erinnert er sich.
Nachdem er jeweils höflich gefragt habe, was dieser hier suche, hätte der Eindringling ihn zu Boden geschlagen. «Deshalb habe ich mir vor ein paar Monaten einen Pfefferspray angeschafft, um für alle Fälle gewappnet zu sein – zum Einsatz ist er aber glücklicherweise nie gekommen.» Doch was gibt es in diesen baufälligen Gebäuden überhaupt zu schützen? «Es gibt denkmalgeschützte Objekte; so wurden schon kostbare Fachwerk-Fenster entwendet.» Tatsächlich haben Diebstähle und Vandalismus im Bäderquartier in den letzten Jahren jährlich mehrere 10 000 Franken gekostet. Wer denkt, diese Vorfälle hätten in jüngster Zeit abgenommen, täuscht sich. «Erst vor zwei Tagen ist wieder eingebrochen. Und vor wenigen Tagen ist sogar ein Gabelstapler geklaut worden.»
Nun zieht es Freddy zusammen mit Angela ins Tessin. «Wir freuen uns auf ein etwas wärmeres Klima und ein richtiges Zuhause. Es ist jetzt Zeit für eine Luftveränderung.» Am Anfang werden sie in der Region Locarno eine Ferienwohnung beziehen. «Zudem planen wir, ein altes Haus komplett zu renovieren und zu erneuern. Hierfür konnte ich ja jetzt die letzten zehn Jahre hier im Bäderquartier üben», sagt Neuenschwander mit einem Lachen.
Aufgrund seines Know-hows sei er in den letzten Wochen immer wieder von Bauleuten um Rat gefragt worden, wo etwa die Strom- oder Wasseranschlüsse seien. «Einmal hatten sie einfach den Strom abgeschaltet, worauf die Pumpen abstellten, was wiederum zur Folge hatte, dass die Quellen überliefen. Ich konnte die Situation dann aber dank Notpumpen entschärfen.» Bis Ende Monat werde man ausgezogen sein. Nun gehe es darum, alles für den Umzug in den Süden vorzubereiten und Kisten zu packen. Mitten im Gespräch klingelt das Telefon, eventuell müsse er und Angela schon nächste Woche raus, heisst es. «Sehen Sie, wir müssen sehr flexibel sein, alles kann innert Sekunden anders sein.
Bestimmt werde er dann mit seiner Partnerin einen Schwumm im neuen Thermalbad von Stararchitekt Mario Botta machen, wenn dieses voraussichtlich im Frühling 2019 eröffnen wird. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass man Freddy Neuenschwander schon vorher wieder in der Region antrifft. Denn: «Eventuell fahre ich für Indermühle und die RVBW weiterhin Bus, zum Beispiel als Ferienablösung.» Die Busgäste dürfte es freuen, fällt doch «Freddy» immer wieder mit originellen und ausgefallen Durchsagen auf. Für ihn und Angela heisst es jetzt aber: «Nächste Ausfahrt Locarno.»