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Der Horrorunfall von Würenlingen ist eine Geschichte mit Ansage. Zwar hat die Polizei die Szene präventiv aufgesucht und junge Männer auf die Folgen von Raser-Rennen aufmerksam gemacht. Genutzt hat es nichts. Nun verstärkt die Polizei die Kontrollen.
In Würenlingen sind Auto- und Töff-Rennen an der Industriestrasse ein Ärgernis. So sehr, dass die für die Gemeinde zuständige Stadtpolizei Baden um Unterstützung angefragt hat.
Der stellvertretende Polizeikommandant Max Romann sagt: «Aus der Bevölkerung von Würenlingen gibt es Hinweise, dass an der Industriestrasse Rennen gefahren werden.» Die Polizei selbst konnte solche nicht beobachten – aber: «Aufgrund der Situation vor Ort gehen wir davon aus, dass sich die jungen Männer für Rennen getroffen haben.»
Dass die Industriestrasse bei jungen Autofahrern beliebt ist, erzählt auch eine Gewerbetreibende aus der Nachbarschaft am Telefon. Die Autofans würden sich an der Coop-Tankstelle Ecke Industrie-/Hardstrasse treffen. Davon zeugten am nächsten Morgen jeweils die weggeworfenen Abfälle.
Ein solches Rennen führte am Wochenende zu einem krassen Unfall. In der Nacht auf Samstag traten ein 19-jähriger Töfffahrer und ein 22-jähriger Autofahrer gegeneinander an. Was genau auf ihrer Horrorfahrt auf der pfeilgeraden Strecke Richtung Bahnhof Siggenthal-Würenlingen passiert ist, das ist aktuell Gegenstand von Ermittlungen der Aargauer Staatsanwaltschaft.
Sicher ist: Der Töfffahrer touchierte während der Raserei ein korrekt entgegenkommendes Auto, wurde durch den Aufprall 70 Meter durch die Luft geschleudert und liegt seither schwer verletzt im Spital. Die unschuldige Autofahrerin und ihre beiden Mitfahrer kamen mit dem Schrecken davon. Der am Rennen beteiligte Autofahrer ebenfalls.
Die beiden Raser müssen nun mit einer Strafe von bis zu vier Jahren Gefängnis rechnen.
Die Raser-Szene scheint uneinsichtig. Denn die Stadtpolizei Baden hat laut Romann in den letzten Wochen den Hotspot wiederholt Freitag- und Samstagnacht kontrolliert und mit den dort angetroffenen jungen Männern das Gespräch gesucht. Meist seien es Töfffahrer gewesen. Romann: «Wir haben sie auf die Folgen von Raser-Rennen aufmerksam gemacht.» Offenbar vergebens. Der Fall Würenlingen ist ein Horrorunfall mit Ansage.
Nun plant die Polizei laut Romann demnächst Geschwindigkeitskontrollen an der Industriestrasse.
Ist Würenlingen ein Einzelfall? «Ähnliche Hotspots sind der Stadtpolizei im Bezirk Baden nicht bekannt», sagt Romann. «Wir stellen eher spontane Rennen fest und keine Verabredungen zu Rennen.»
Würenlingens Gemeindeammann André Zoppi sagt, dass auf der Industriestrasse gerne zu schnell gefahren wird, weshalb er mit der Polizei schon länger in Kontakt ist. «Es geht nicht nur darum, was in jener Nacht passiert ist, sondern auch was am Tage vorkommt.» Von Rennen will er persönlich aber keine Kenntnis haben. Vielmehr würden Anhänger und andere auf der Strasse abgestellte Fahrzeuge eine Intervention erfordern.
Um Rennen vom Wochenende sagt Zoppi: «Ich hoffe, dass der Unfall den jungen Leuten hilft, zur Besinnung zu kommen.»
Dass sich junge Männer wie in Würenlingen zu Rennen verabreden, ist die Ausnahme. Das sagt Bernhard Graser von der Kantonspolizei Aargau. Der Normalfall seien spontane Rennen und dann meist auf der Autobahn.
Doch auch Graser weiss, dass Autofans ihre aufgemotzten Boliden gerne in Industriequartieren zur Schau fahren. Nicht immer geht es ums Rasen. Eine kurze Beschleunigung aus einer Kurve, um den Motor heulen zu lassen, bedeutet für manchen pure Lust. Und für Anwohner Frust. Dann wird schon mal die Polizei wegen Ruhestörung angerufen.
Allen gemeinsam ist laut Graser aber: Die Autofans sind jung, männlich und unerfahren. Meist sind sie erst seit Kurzem im Besitz des Fahrausweises und somit Neulenker von geleasten Fahrzeugen mit viel zu vielen PS. Manch einer landet beim Gasgeben laut Graser neben der Strasse, weil er sein Geschoss nicht im Griff hat.
Die Kantonspolizei hat Raser im Blickfeld. Sie ist zu neuralgischen Zeiten mit zivilen Patrouillen unterwegs.
Man müsse sich aber bewusst sein, so Graser: «Szenen wie in den Hollywood-Filmen, wo sich Dutzende Fahrer zu Rennen treffen, das ist nicht die Realität auf den Aargauer Strassen.»
Und wie der Unfall von Würenlingen mahnt: Mit Heldentum haben Rennen auch nichts zu tun.