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Baden
Im Sommer 2016 hatte sich der Einbrecher aus dem Badener Bezirksgefängnis abgeseilt, weil er an einer Infektion der Genitalien litt. Nun musste er sich vor dem Bezirksgericht Baden verantworten.
«Ein Strafverfahren ist zuweilen dem Angelsport nicht unähnlich», meinte der Staatsanwalt. «Beides braucht Geduld.» Das hat im vorliegenden Fall etwas für sich. Im Februar 2016 war der rumänische Staatsangehörige, der in Frankreich lebt, im Baselbiet festgenommen worden. Zur Last gelegt wurde dem Rumänen eine ganze Reihe von Einbruchdiebstählen. Unter anderem auch in Würenlos.
Nach der Überstellung ins Bezirksgefängnis Baden seilte er sich im Juli 2016, zusammen mit einem Mithäftling, mithilfe zusammengeknoteter Leintücher aus dem Gefängnis ab und verschwand. Später wurde er in Frankreich gefasst und ausgeliefert. Seit 2018 befindet er sich in der Lenzburg in Haft. Am Mittwoch wurde er – in Hand- und Fussfesseln – von Polizisten zur Verhandlung vor dem Bezirksgericht Baden eskortiert.
Zur Last gelegt wurden dem gut 40 Jahre alten Mann 15 Einbruchdiebstähle in Wohnungen, die er meist mit seinem Bruder – in einem Fall mit einem Cousin – verübt hatte. Abgesehen hatte es das Duo auf Bargeld und Wertsachen. Gemäss Anklage belief sich der Deliktsbetrag auf rund 88 000 Franken. Zudem wurde bei den Einbrüchen ein Sachschaden von knapp 24000 Franken angerichtet.
In der Befragung durch Gerichtspräsident Daniel Peyer liess der Beschuldigte – der in Frankreich wegen Vermögensdelikten bereits mehrmals verurteilt worden ist – durch die Übersetzerin ausrichten, dass er mit der Anklage «mehr oder weniger» einverstanden sei. Auf Einzelheiten wollte er jedoch nicht eingehen.
Als «nicht ganz richtig» bezeichnete er den Vorwurf, dass er mit den Einbrüchen den Lebensunterhalt bestritten hätte. «Das war nicht meine Art zu leben», sagte er. «Ich habe immer gearbeitet.»
Zum Ausbruch aus dem Bezirksgefängnis erklärte er, dass die Idee von einem Zellengenossen gekommen sei. Für ihn hätte der Hauptgrund für die Flucht darin bestanden, dass er an einer Infektion der Genitalien gelitten und eine Operation benötigt hätte. Das sei aber vom Gefängnispersonal nicht ernst genommen worden. Später habe sich dann aber herausgestellt, dass keine Operation nötig gewesen sei.
Der Staatsanwalt forderte wegen banden- und gewerbsmässigen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung sowie mehrfachen Hausfriedensbruchs eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Der Beschuldigte habe eine «markante kriminelle Energie» an den Tag gelegt, betonte der Staatsanwalt. «Er hat auch kein eigentliches Geständnis abgelegt. Er gibt nur zu, was ihm bewiesen werden kann. Die Reuebeteuerung ist bloss ein Lippenbekenntnis.»
Der Verteidiger stellte die Bandenmässigkeit in Abrede. «Es kann nicht von einer Bande ausgegangen werden», erklärte er. «Die Zusammenarbeit bei den Einbrüchen war locker. Es gibt keine ausreichenden Anzeichen für das Vorliegen von Bandenmässigkeit. Das Vorgehen des Beschuldigten war auch nicht sonderlich professionell.»
Der Verteidiger beantragte eine Freiheitsstrafe von 28 Monaten unter Abzug der 245 Tage Haft, die der Beschuldigte bis zur Verhandlung ausgestanden hat. In seinem Schlusswort meinte der Beschuldigte, dass er im Gefängnis Zeit gehabt hätte, zu überlegen, was er seinen Opfern angetan habe. Er bereue zutiefst, was er getan habe.
Das Badener Bezirksgericht folgte weitgehend den Anträgen des Anklägers. Es sprach den Beschuldigten einstimmig im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten unter Anrechnung von 229 Tagen ausgestandener Haft. Der Beschuldigte muss zudem Zivilforderungen im Umfang von rund 14'000 Franken sowie die Verfahrenskosten tragen.
«Die Einbrüche erfolgten sicher nicht aufgrund spontaner Entscheide», hielt Gerichtspräsident Daniel Peyer in der mündlichen Urteilsbegründung zur Bandenmässigkeit fest. «Der Beschuldigte und seine Mittäter kamen in die Schweiz, um Einbrüche zu verüben. Die Bandenmässigkeit ist gegeben. Es gab Absprachen. Es kommt nicht auf Hierarchien an. Die Rollenverteilung ist nicht wichtig. Der gemeinsame Wille, Beute zu machen, war vorhanden.»