Baden
Der Verleger, der beim Corona-Experten studierte – heute vertreibt er ein Magazin für Grosseltern

Im Porträt: Der Badener Dominik Achermann hat beruflich schon vieles ausprobiert. Seit fünf Jahren gibt er ein Magazin für Grosseltern heraus.

Ursula Burgherr
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Dominik Achermann vor der Redaktion des Magazins an der Kronengasse in Baden.

Dominik Achermann vor der Redaktion des Magazins an der Kronengasse in Baden.

Chris Iseli (24. Februar 2020

Dominik Achermann sticht aus der Masse heraus. Er hat ein ganz spezielles Leuchten in seinen dunkelbraunen Augen und verliert sein Lächeln praktisch nie. Am Arm des Strahlemanns baumelt eine Kette mit Tigeraugen. «Ein Geschenk von meiner Frau», sagt er, «die Steine stehen für Mut, Schutz und Sicherheit.» Mut hat der 47-Jährige gebraucht, als er seine erfolgreiche Verlagsleiterposition in einer Zürcher Kommunikationsagentur aufgab. Und im August 2014 mit seinem Privatvermögen den eigenen Verlag an der Kronengasse 4 in Baden gründete, der seither 10 Mal pro Jahr das Grosseltern-Magazin herausgibt.

Ein Heft für Omas und Opas in der Zeit des Mediensterbens? Vater Pius Achermann, der früher den Verlag PA Media leitete, war von den Plänen seines Filius anfänglich alles andere als angetan. «Aber ich konnte ihn doch überzeugen, die Idee zu prüfen, und schliesslich war er mit seiner Einschätzung stark mitverantwortlich, dass ich diesen Schritt wagte», berichtet Dominik Achermann.

Schlaflose Nächte, doch den Schritt nie bereut

Die wöchentliche Sitzung ist gerade vorbei und alle seine drei Redaktionsmitglieder tippen hoch konzentriert auf ihre Tastaturen ein. Die Idee für das Magazin sei bereits 2006 in seiner Ausbildung zum Medienmanager entstanden, erzählt der Jung-Verleger. «An einem Nachmittag hatten wir die Aufgabe, ein grobes Lancierungskonzept für eine neue Zeitschrift zu ­machen, dessen Zielgruppe Print-affin ist.»

Dominik Achermann war sofort klar, dass für ein solches Produkt starke positive Emotionen im Spiel sein müssen. «Mir kamen meine Eltern und meine Schwiegereltern in den Sinn und wie viel Freude und Stolz sie hatten, als unser Sohn Gian Andrea auf die Welt kam.» (Die Mutter des heute 14-Jährigen ist die Badener Pianistin Rahel Sohn Achermann.)

Schlaflose Nächte habe es ihn dann trotzdem gekostet, sein Konzept in die Praxis umzusetzen und sich selbstständig zu machen. Dass das Experiment gleich von Anfang an gelang, verdankt er auch seinem Team.

Bereut hat er seinen Schritt bis heute noch keinen Tag. Trotz steigender Herausforderungen wegen des rückläufigen Inseratemarktes. «Wir haben treue Abonnenten. Sie werden für uns immer wichtiger.» Achermann betont, dass kein einziges Heft ein Selbstläufer sei. Wenn er dann in einigen der letzten Ausgaben blättert und Beiträge über Grosseltern in anderen Ländern oder Erinnerungen von Pedro Lenz und anderen prominente Zeitgenossen an ihre eigenen Grossmütter und -väter zeigt, funkeln seine Augen wieder. Die Begeisterung für sein eigenes Magazin ist offenkundig. «Oft werden wir gefragt, ob uns nicht die Themen ausgehen. Aber das ist nicht der Fall, denn wir befassen uns mit dem gesamten Lebensspektrum von der Geburt bis zum Tod und allem, was die Generationen dazwischen verbindet.»

Gemeinsam mit seinem Team rief er 2016 den Grosseltern-Tag ins Leben, der mittlerweile in der ganzen Schweiz mit Sonderaktionen für Seniorinnen und Senioren gefeiert wird. Achermann dazu: «Laut Bund passen Grosseltern 160 Millionen Stunden jährlich auf ihre Enkelkinder auf. Aber die Anerkennung in der Gesellschaft ist nicht da.» Nur wenn es über Rentenreformen gehe und was alte Menschen kosten, würden alle mitreden. Wir möchten mit dem Grosseltern-Tag auf ihre positiven Seiten aufmerksam machen. Gerade in diesen Tagen, wenn die Grosseltern möglichst wenig Kontakt mit den Enkelkindern haben sollten, wird ihre Bedeutung für unsere Gesellschaft deutlich.»

Bis zum eigenen Verlag war es für Dominik Achermann ein weiter und alles andere als gradliniger Weg. Nach der Kanti in Baden studierte er Biologie. «Mein schwächstes Fach zwar, aber ich fand es spannend.» Seine Diplomarbeit machte er an der Uni Zürich über den Adenovirus – im Team von Professor Urs Greber, das zurzeit mit einem neuen Verfahren rund 5000 Wirkstoffe für antivirale Medikamente gegen den Corona-Virus testet.

Logische Konsequenz wäre eine Dissertation gewesen. Doch der quirlige Badener entschied sich für eine Kehrtwendung und fing an, bei einem Geigenbauer zu arbeiten. Dann sprang er als Kantilehrer in Sargans ein. Organisierte schliesslich bei einer Agentur in Schönenwerd Tourneen für verschiedene Flamenco-Truppen und schloss eine Ausbildung in Kulturmanagement ab. Angekommen schien er bei seinem Vater im PA-Media-Verlag. Er machte ein Betriebswirtschaftsnachdiplomstudium und liess sich zum Medienmanager weiterbilden. Doch dann verkaufte Papa Pius Achermann seine Firma an eine Zürcher Agentur, wo Sohn Dominik den Verlag weiterführte. Bis die Idee des Grosseltern-Magazins spruchreif wurde.

Harmoniebedürftig und eher konfliktscheu

«Ich bin ein Herdentier», sagt Dominik Achermann über sich selbst. Er braucht Menschen um sich, die am gleichen Strick ziehen. Und findet solche beispielsweise in seinen Redaktionsmitgliedern oder in seiner Tätigkeit im Vorstand des Vereins Bagno Popolare. Achermann gibt zu, dass er sehr harmoniebedürftig und eher konfliktscheu sei. «Menschen, bei denen die Chemie nicht stimmt, gehe ich aus dem Weg», verrät er und wird ernst. Auf die grösste Zäsur seines Lebens angefragt, gibt er sich zurückhaltend. «Wenn Freundschaften auseinanderbrachen, habe ich jeweils sehr lange daran genagt», sagt er und will lieber wieder von angenehmeren Dingen sprechen.

Trotz seiner Sensibilität ist er risikobereit. «Machen» lautet das Credo des sportlichen 1,86-Meter-Manns, der in der Freizeit Skitouren in weiten und unberührten Landschaften macht. «Es ist wichtig, im Leben Neues zu probieren. Wenn es funktioniert, ist es gut. Wenn nicht, hat man wenigstens eine Erkenntnis daraus gewonnen. Lieber mal den Kopf anschlagen, statt stehen zu bleiben und nichts zu wagen. In unserer Gesellschaft ist die Angst vor dem Scheitern leider viel zu gross.»