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Es kommt relativ selten vor, dass eine geplante Mobilfunkantenne am Widerstand der Bevölkerung scheitert. In Ennetbaden hat sich der Widerstand der Bevölkerung ausgezahlt.
In der Regel sind Baugesuche rechts- und zonenkonform, wenn sie zur öffentlichen Auflage kommen. Da kann auch das Vorbringen von ideellen Beeinträchtigungen, etwa durch Strahlung, die Realisierung einer Antenne nicht verhindern.
Umso erfreuter dürften die vielen Einwohner Ennetbadens, die sich gegen den Bau einer 23 Meter hohen Antenne an der Ehrendigerstrasse wehrten, die jüngste Meldung aus der Ratsstube aufgenommen haben: «Die von Salt geplante Mobilfunkantenne kommt nicht.» Der Gemeinderat habe aufgrund der zahlreichen Eingaben aus der Bevölkerung den Mietvertrag als Grundeigentümerin gekündigt. «Das Baugesuch wird damit hinfällig.»
Besonders gross ist die Freude bei Adrian Kunz Betriebsleiter der Therapiestation der Stiftung «Integration von Kindern und Jugendlichen» (ikj), in deren unmittelbarer Nähe die Antenne hätte realisiert werden sollen. «Natürlich bin ich hochzufrieden und freue mich in erster Linie für unsere Kinder und Mitarbeitenden», so Kunz. Die Stiftung betreibt in Ennetbaden und Koblenz zwei Therapiestationen. Dabei handelt es sich um vom Kanton Aargau anerkannte stationäre Sonderschulen mit internem Therapieangebot. In der Station in Ennetbaden wohnen neun Kinder im Primarschulalter. Dass ausgerechnet in unmittelbarer Nähe eine Mobilfunkantenne hätte zu stehen sollen kommen, kritisiert Kunz mit klaren Worten: «Unser Haus wäre mit der maximal zulässigen Strahlendosis belastet worden. Unsere Kinder wären 24 Stunden dieser Belastung ausgesetzt gewesen.»
Deshalb setzte sich Kunz mit vielen anderen Quartierbewohnern – rund 150 Unterschriften wurden in einer Sammeleinsprache zusammengetragen – im Herbst des letzen Jahres zur Wehr. Kunz sagte damals: «Ich erachte es als verantwortungslos, dass kleine Kinder, die aufgrund ihrer Biografie bereits schwer belastet sind – und damit auch sensibler auf jegliche Einflüsse reagierten –, nun auch noch massivster elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt werden sollen.» Es käme niemandem in den Sinn, so eine Antenne auch nur in die Nähe eines normalen Kindergartens zu stellen, obwohl sich jene Kinder nur während täglich weniger Stunden in der kritischen Zone aufhalten würden, so Kunz. «Ich bin froh, ist die Antenne jetzt vom Tisch. Der Widerstand hat sich absolut gelohnt.» Dabei windet Kunz auch dem Gemeinderat ein Kränzchen. «Man hat uns immer fair behandelt und ernst genommen.»
Dass der Gemeinderat sich vom Widerstand erweichen liess, kommt doch etwas überraschend. Zwar gab es eine Vertragsklausel, wonach die Gemeinde wieder aus dem Vertrag mit dem Mobilfunkanbieter Salt aussteigen könne, wenn sich in der Bevölkerung grosser Widerstand gegen die geplante Antenne formiere. «Wir haben die Klausel aufgenommen, um vom Vertrag zurücktreten zu können, sollten während der Einsprachen durch die Anwohner und Bevölkerung Gründe dargelegt werden, die dem Gemeinderat nicht bekannt waren und die Begründung genug wären, um vom Vertrag zurückzutreten», sagte Gemeindeammann Pius Graf (SP) letzten Herbst.
Aber, so Graf: «Die Klausel kann nicht angewandt werden, um eine Antenne grundsätzlich zu verhindern, wenn alle technischen Vorgaben erfüllt sind, wie dies bei diesem Baugesuch der Fall ist.»
Wieso hat der Gemeinderat den Vertrag nun doch gekündigt respektive, die Klausel zur Anwendung gebracht? «Da waren einerseits die vielen Briefe, die wir aus der Bevölkerung erhalten haben, die sich mit der Therapiestation solidarisch zeigten», so Graf. Andererseits sei Salt bei der Suche nach Lösungen auch zu wenig entgegengekommen. Graf bestätigt, dass Salt bis jetzt kein neues Gesuch gestellt habe. «Wenn dies aber beim etwas weiter oben liegenden Standort vis-à-vis dem ehemaligen Restaurant Schützenhaus passiert, der in unserem Antennenkonzept als Standort vorgesehen ist, dann wird dort mit grosser Wahrscheinlichkeit auch eine Antenne realisiert.»
Dass der Ennetbadener Gemeinderat mit seinem Entscheid jetzt das Signal sende, dass man sich nur laut genug wehren muss, um eine Antenne zu verhindern, glaubt Graf nicht. «Im Gegenteil, wir begrüssen es, wenn sich die Menschen melden und sich die Bevölkerung einbringt.»
Neuigkeiten gibt es auch in Sachen Antennenkonzept und überarbeiteter Bau- und Nutzungsordnung (BNO). Diese wurde an der Wintergmeind 2017 gutgeheissen. Gegen Paragraf 46 ging aber eine Beschwerde der drei Mobilfunkanbieter Swisscom, Salt und Sunrise beim Regierungsrat ein. Der Paragraf besagt, dass der Gemeinderat Bauvorhaben für Mobilfunkanlagen, gestützt auf das «Antennenkonzept» aus dem Jahr 2010, beurteile. «Abklärungen haben ergebeben, dass die Beschwerde voraussichtlich gutgeheissen wird und damit der entsprechende Paragraf der BNO entfällt», sagt Graf. Der Gemeinderat prüfe, ob er am Paragrafen festhalten und bei einer Gutheissung der Beschwerde den weiteren Rechtsweg beschreiten wolle. «So oder so prüfen wir, ob das Antennenkonzept, das uns als Entscheidungsgrundlage dient, aktualisiert werden soll», sagt Graf.
Das alles interessiert Adrian Kunz, den Leiter der Therapiestation, nur noch bedingt: «Wir haben jetzt allen Grund zum Feiern. Bald werden wir beim Bau-Gespann eine Grillparty mit allen jenen feiern, die uns unterstützt haben.»