Berlusconi
Die Badener rufen: Ciao Silvio, Ciao Berlusconi, Ciao!

Er wird geliebt und gehasst. Silvio Berlusconi ist eine illustre Figur, welche die Gemüter zu bewegen weiss. Die Italienerinnen und Italiener leiden mit ihm und sie leiden wegen ihm.

Nadja Rohner und Corinne Rufli
Drucken
Berlusconi geht - und das sagen die Badener
3 Bilder
Pierluigi Ghitti Pierluigi Ghitti (46), Baden: «Berlusconi hat viel für Italien getan. Er hat über 20000 Mitarbeiter in seinen Unternehmen und diese beziehen bei ihm Lohn. So werden viele Familien ernährt. Von der Schweiz aus sieht man oft nur das Negative. Die Linken, die vorher an der Macht waren, die haben auch nichts getan. Die hätten die Wirtschaft in den Ruin getrieben, wären sie länger an der Macht gewesen. Berlusconi hat viele motiviert, sich selbstständig zu machen. Diesen Traum hat er vielen Leuten eingeimpft. Die Krise ist nicht italienisch, sie ist europäisch, ja global. Als Mann bewundere ich Berlusconi. Als 75-Jähriger hat er schon viel Schwieriges hinter sich. Und er schaut immer noch hübschen Frauen nach. Ich kann ihn verstehen. Die politischen Gegner haben vieles auch aufgespielt. Und die vielen Gesetze in Italien, die schränken die Menschen ein. Berlusconi verkörpert die italienische Mentalität. Er ist lebensfroh und immer für ein Spässchen zu haben. Er ist eine Persönlichkeit, wichtige Leute aus aller Welt haben ihn besucht. Er hat die Italianità in die Welt hinaus getragen. Ich denke, dass er ein Entscheidungsträger in Italien bleiben wird. Wir hatten so viele Ministerpräsidenten in den letzten 50 Jahren – ich glaube nicht, dass jetzt jemand kommt, der alles verändern kann. Italien wird bleiben, wie es ist.» (cru)
Silvio Font Silvio Fant (68), Döttingen «Ich hatte eine schlaflose Nacht. Ich bedaure zwar nicht, dass Berlusconi zurückgetreten ist, dafür habe ich Verständnis. Ich bin aber enttäuscht, dass die Italiener den Rücktritt ihres Regierungschefs feierten. Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient, auch die Italiener, und Berlusconi war ein guter Ministerpräsident. Wir haben so viele andere Probleme, und die Leute regten sich über Berlusconis Frauengeschichten auf. Berlusconi wollte viel erreichen und kam dabei manchen Leuten in die Quere. Er ist ein guter Mann. Ich mache mir aber keine Sorgen um die Zukunft Italiens. Auch wenn ganz Europa untergeht: Italien und die Schweiz werden weiterschwimmen, davon bin ich überzeugt. Die Italiener sind initiativ und erfinderisch, die werden schon eine Lösung finden. Und die Schweiz hat sehr viel Geld und Wissen, und das bedeutet Macht. Ich bin mir sicher, dass wir noch nicht das letzte Mal von Berlusconi gehört haben. Er wird den Sekretär der Popolo della Libertà, Angelino Alfano, fördern, genauso wie Christoph Blocher es mit Toni Brunner gemacht hat.» (kob)

Berlusconi geht - und das sagen die Badener

So auch die vielen Secondos und italienischen Einwanderer in der Schweiz. Hitzige Diskussionen über seine Frauen, «Rai» und Lifting werden an den hiesigen Italo-Stammtischen geführt.

Secondos sind heimatverbunden

«Die Italiener in der Schweiz interessieren sich dafür, was in Italien geschieht», sagt Luisa Gregis vom italienischen Konsulat in Wettingen. «Sie sind sehr heimatverbunden und verfolgen auch die italienische Politik.» Es seien aber vor allem die Älteren, die informiert sind. Die jüngere Generation weniger. «Diese fragen sich, was mit Italien passiert, sie sehen, dass es Probleme gibt.» Während die Italiener früher noch in ihr Heimatland reisen mussten, um abstimmen und wählen zu können, ist es seit 2004 möglich, dies brieflich zu tun. «Das Stimmrecht wird oft wahrgenommen, auch von denen, die schon lange hier sind», sagt Luisa Gregis.

Quo vadis, Italia?

Doch einer Meinung sind die Italienerinnen und Italiener in der Schweiz lange nicht. Während nicht wenige Silvio Berlusconi mit Überzeugung immer wiedergewählt haben, rauften sich die anderen die Haare über diese Wahl - oder über die fehlenden Alternativen. Das Ende der Berlusconi-Ära ist eingeläutet. Sorge bereitet den Secondos die Zukunft ihres Landes. Ihre Verwandten und Freunde haben keine Arbeit. Die Krise wird immer grösser. Quo vadis, Italia?