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Wegen seiner «feuchtfröhlichen» Eröffnungsrede am Schmutzigen Donnerstag geriet der Mellinger Gemeinderat Beat Gomes in die Kritik. Die Fasnachtszeit kann für Amtsträger eine Herausforderung sein.
Der Mellinger Gemeinderat Beat Gomes ist bei seiner Fasnachtseröffnungsrede in die Alkohol-«Stolperfalle» getappt. Für seine «feuchtfröhliche» Rede hat er sich im Nachhinein entschuldigt. Einige Leser sprechen sich in ihren Kommentaren für Gomes aus und sind der Meinung: Alkohol gehöre zur Fasnacht einfach dazu – auch als Gemeinderat. Eine Umfrage bei Politikern in der Region zeigt aber: Die Fasnachtszeit kann für Amtsträger eine Herausforderung sein.
16 Jahre lang war Arthur Schneider Ammann in der Aargauer Fasnachts-Hochburg Würenlingen. Bevor er gewählt wurde, war auch er ein fleissiger Fasnächtler. Als er 1994 das Amt übernahm, zog er einen Schlussstrich unter seine närrischen Aktivitäten. «Die Fasnacht ist für Amtsträger eine kritische Zeit», sagt er, «es wird Alkohol konsumiert, die Leute tragen Masken. Man verliert seine Hemmungen und tut eventuell Dinge, die man später bereut.»
Einerseits wollte sich Schneider vor Provokationen und Anfeindungen schützen. «Andererseits wollte ich mir keinen Schwips erlauben, für den Fall, dass ich als Ammann plötzlich ausrücken und Verantwortung übernehmen muss.»
Die Gefahren sind laut Schneider vielfältig: Streit, Schlägereien, Eheprobleme. «Und als Politiker muss man auch Acht geben, dass die Zunge nicht zu locker wird und man Geheimnisse aus dem Kollegium ausplaudert.»
Trotzdem hätte es in Würenlingen für Gesprächsstoff gesorgt, wenn der Ammann den Feierlichkeiten gänzlich ferngeblieben wäre. Deshalb besuchte Schneider jeweils den grossen Umzug. «Ich stand am Strassenrand, aber das wars dann.» Zum Fall des Mellinger Gemeinderats sagt der heute 76-Jährige: «Ich habe mich während meiner Amtszeit stets davor gehütet, derart ins Fettnäpfchen zu treten. Mit Erfolg.»
Der aktuelle Würenlinger Ammann André Zoppi (FDP) sagt zur «Stolperfalle» Fasnacht: «Zu einem Politiker gehört ein gebührliches Verhalten, sonst verliert er sein Gesicht, seine Autorität, den Respekt und die Glaubwürdigkeit.»
Nationalrat Hansjörg Knecht sagt, dass er als Politiker grundsätzlich immer – und nicht nur an der Fasnacht – im Fokus der Öffentlichkeit stehe. «Deshalb versuche ich, mich stets vorbildlich zu verhalten.» Da seine Frau aus Würenlingen stammt, nimmt er auch gerne an der Fasnacht teil. «Klar gibt es Sprüche, aber die gibt es auch ausserhalb der Fasnacht», sagt Knecht, «man muss auch mal ein Auge zudrücken können.»
Gemeindevizepräsident von Spreitenbach Markus Mötteli (CVP) hat bei der Fasnachtseröffnung in Spreitenbach stellvertretend für das Exekutivgremium eine Spende der «Bräusi-Vögel»-Guggenmusik für das Pfadiheim entgegengenommen und in diesem Rahmen einige Dankesworte an die Fasnächtler gerichtet. Für ihn sei es ein Grundsatz, vor offiziellen Einsätzen als Gemeinderat keinen Alkohol zu konsumieren oder höchstens ein Glas.
«Viel zu schnell hat man etwas Falsches gesagt oder gerät in die Bredouille.» Da müsse man sich als Amtsträger zurückhalten, insbesondere beim Alkoholkonsum. «Innerhalb des Gemeinderats sehen das alle in etwa gleich, deshalb war Alkoholkonsum auch noch nie ein Thema, das man aktiv diskutieren müsste.» Den Vorfall in Mellingen habe er nur am Rande mitverfolgt, weshalb er sich dazu nicht weiter äussern könne.
Anders in Untersiggenthal: «Als ich vom Vorfall in Mellingen gelesen hatte, fragte ich mich, ob das wirklich nötig ist», sagt Untersiggenthals Frau Gemeindeammann Marlène Koller (SVP). Für sie ist klar: «Als Gemeinderat ist man zu so vielen Anlässen und Apéros eingeladen. Da muss man sich einfach ohne Wenn und Aber im Griff haben.»
Sie selber besuche die Fasnacht seit Jahren regelmässig und noch nie sei es dabei für sie zu blöden Situationen gekommen. «Einzig mit dem Verkleiden habe ich nach ein paar Jahren aufgehört. Weil mit Verkleidung ist man einfach nicht mehr ganz sich selber.» Zudem bestehe dann das Risiko, dass man als Gemeinderat Dinge erzählt bekomme, die man eigentlich gar nicht wissen sollte. «Auch innerhalb des Gemeinderats war die Fasnacht diesbezüglich nie ein Thema, respektive hat nie zu Diskussionen Anlass gegeben», sagt Koller.
Gleichzeitig betont die Frau Gemeindeammann, dass es für sie nie einen Grund gab, die Fasnacht zu meiden, weil man dort von teils alkoholisierten Menschen angepöbelt werde. «Nein. In all den Jahren gab es nie Angriffe oder Pöbeleien – weder zur Fasnachtszeit, aber auch sonst nicht.»
Oberrohrdorf verwandelt sich in der närrischen Zeit in eine regelrechte Fasnachtshochburg. Dabei zählt die Gerichtsverhandlung im Falle Polteri am «gruusige Mettwoch» zu den Höhepunkten. Allerdings hielt in den letzten Jahren keiner der Gemeinderäte eine offizielle Rede. «Stattdessen fragen wir jeweils innerhalb des Gremiums nach, wer Zeit hat, beispielsweise an der Dekoeröffnung oder an der Gerichtsverhandlung präsent zu sein», sagt Gemeinderat Thomas Heimgartner (CVP).
Wie sich das Gemeinderatsmitglied dann dort verhalte, sei jedem Einzelnen überlassen. «Bei uns gibt es diesbezüglich keine Benimmvorschriften.» Heimgartner könne sich aber vorstellen, dass sich die Situation in Gremien, in denen es aktive Fasnächtler gibt, anders präsentiert. «Man sollte es aber so oder so als selbstverständlich voraussetzen, dass man sich als Gemeinderat korrekt verhält. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz», sagt Heimgartner.
Das sind die schönsten Bilder des Fasnachtsumzugs in Würenlingen