Baden
Die Liebe zum Blues verbindet sie: Nun vertritt das Musikduo die Schweiz in Memphis

Der Badener Gitarrenvirtuose Nic Biedermann lernte die nigerianische Künstlerin Justina Lee Brown auf Youtube kennen: «Ihr Gesang hat mich umgehauen.» Seither verzaubern sie die Bühnen in der Schweiz – und nun bald in Memphis, die US-Blues-Hochburg.

Ursula Burgherr
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Justina Lee Brown
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 Justina Lee Brown in der Strandbar in Villnachern.
Justina Lee Brown kämpft nebst anderen an der Swiss Blues Challenge um eine Einladung nach Memphis, Tennessee.ZVG
 Die Big Band Aarau unterstützte das Hilfsprojekt ihrer Gastsängerin Justina Lee Brown. Konzert am Freitagabend in der Aula des Pestalozzischulhauses in Aarau.
 Justina Lee Brown in der Strandbar in Villnachern.
 Justina Lee Brown in der Strandbar in Villnachern.

Justina Lee Brown

Christophe Losberger - www.sitat

Nach zweimal Klingeln steckt Justina Lee Brown schläfrig den Kopf aus der Tür. Es ist 14 Uhr. Für sie viel zu früh. «Ich bin ein Nachtmensch», sagt die 35-jährige nigerianische Sängerin und verschwindet ins Bad, um sich frisch zu machen.

Lange nach der Geisterstunde, wenn die Welt um sie herum mucksmäuschenstill ist, kommen ihr die besten Ideen für neue Songs.

Seit einigen Monaten wohnt sie bei der Familie von Gitarrist Nic Niedermann im Bäderquartier in Baden. Denn der Saitenvirtuose und die Frau mit der gigantischen Stimme arbeiten an einem Album, das im Herbst auf den Markt kommt.

Plattentaufe wird am 19.9.2019 im Badener Club Joy sein. Für Niedermann ist die Entdeckung der Künstlerin, die bis dato zwischen der Schweiz und Grossbritannien hin- und herpendelte, ein absoluter Glücksfall: «Ich war für meine Musikreihe ‹Afterwork› auf der Suche nach guten Vocals. Und entdeckte auf Youtube Justina. Ihr Gesang hat mich umgehauen. Ich buchte sie sofort.»

Melancholische Balladen

Seit die beiden gemeinsame Sache machen, sprudeln sie nur so vor Kreativität. «Oft spielt Nic ein paar Akkorde und ich improvisiere dazu mit meiner Stimme», erzählt Justina. Die meisten Lieder des neuen Longplayers seien spontan und «aus dem Bauch heraus» entstanden. In «Carry me», einer melancholischen Bluesballade mit souligen Elementen, zeigt die westafrikanische Künstlerin ihren ganzen Facettenreichtum.

Justina Lee Brown und die Band führt den Song «Carry me» auf:

Sie röhrt und raunt. Am diesjährigen Bluesfestival verwandelten die beiden mit anderen musikalischen Weggefährten wie Max Lässer die Klosterkirche Wettingen in einen Hexenkessel. «Die Stimmung war unglaublich. Wir hätten die Räumlichkeiten dreimal füllen können», erzählt Nic Niedermann.

Ein weiteres Highlight des musikalischen Zweigespanns war der Sieg an der 9. Swiss Blues Challenge Ende Juni in Basel. Justina Lee Brown, Nic Niedermann sowie Angelo Signore, Thom Wettstein und Robert Mark rissen das 700-köpfige Publikum mit ihren energiegeladenen Songs von den Sitzen.

Neben dem Album steht nun ein weiterer Höhenflug bevor. «Wir werden die Schweiz im April 2020 an der European Blues Challenge in Amsterdam – und im Januar zuvor an der World Blues Challenge in Memphis in den USA vertreten», freut sich das Duo.

Justina Lee Brown wurde 2009 der britische «Women-in Entertainment-Award» als beste afrikanische Künstlerin verliehen. Ein grosser Schritt für sie, die auf eine Kindheit in bitterer Armut mit zwölf Geschwistern und Halbgeschwistern im nigerianischen Lagos zurückblickt. Browns Familie wohnte im Getto und hungerte. Ihre Mutter füllte aus einem Kanister Wasser in kleine Tüten ab und verkaufte sie für umgerechnet etwa 1 Rappen.

«Weil ich mich langweilte, fing ich an zu singen»

«Ich musste als kleines Mädchen den grossen Behälter hüten und auf Mama warten. Weil ich mich langweilte, fing ich an zu singen. Plötzlich blieben die Leute stehen. Und es wurden jeden Tag mehr», erinnert sich die heute erfolgreiche Bluesinterpretin an ihre Anfänge. Sie hat immer noch eine starke Beziehung zu ihrem Heimatland. Nicht nur, weil ihre Familie dort lebt. Sie unterstützt aus den Verkäufen ihrer CDs auch ihre eigene «JBL Care Foundation», um Jugendlichen eine Schulbildung zu ermöglichen.