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Die Aargauerin Corinna Hauri ist oberste Pfaderin Europas und stolz darauf, wie Pfadis Flüchtlingen helfen.
Sie vertritt die Interessen von 1,2 Millionen Pfadis in 39 Ländern: Corinna Hauri ist oberste Pfaderin Europas. Nun nähert sich ihre Amtszeit dem Ende. Zum Abschluss reisen die führenden Köpfe der europäischen Pfadibewegung – aus zehn verschiedenen Ländern – nach Baden.
Die 41-jährige Ennetbadenerin wird die Sitzungen leiten und ihre Pfadikollegen durch die Stadt führen. Nach dem Interview muss sie sich wieder um die Vorbereitungen kümmern – die Gastgeberin hat viel zu tun.
Frau Hauri, in Baden trifft sich dieses Wochenende die Spitze der Pfadibewegung Europas. Wie kam es dazu?
Corinna Hauri: Mit dem Tessiner Andrea Demarmels und mir sind noch für kurze Zeit zufälligerweise zwei Schweizer an der Spitze der beiden europäischen Verbände, das wird so schnell nicht wieder vorkommen. Diese spezielle Position der Schweiz wollen wir nochmals nutzen. Das Treffen in Baden ist ein schöner Abschluss.
Zwei Präsidenten aus dem gleichen Land, dagegen gab es auch Vorbehalte. Haben Sie die Schweizer Pfadi bevorzugt behandelt?
Das denke ich nicht. Es kam höchstens mal vor, dass ich den Kollegen informell Tipps gegeben habe. Ansonsten musste ich aber eher schauen, dass ich an den eigenen Verband nicht höhere Erwartungen habe als an die anderen Verbände.
Die Amtszeit ist auf sechs Jahre im Vorstand beschränkt und geht bald zu Ende. Haben Sie Ihre Ziele erreicht?
Mehrheitlich schon. Besonders freue ich mich über den Erfolg mit dem Mentorensystem. Pfadiverbände in Europa können einen Coach zur Seite gestellt bekommen, der sie unterstützt. Ein System, das wir in der Schweiz schon länger kennen und nun auch in Europa Verbreitung findet: 9 von 39 Verbänden erhalten momentan eine solche massgeschneiderte Unterstützung, 5 weitere haben bereits davon profitiert.
Belgien, England, Finnland, Griechenland, Holland, Malta, Österreich, Portugal, Schweden, Serbien – aus zehn Ländern reisten die führenden Pfadimitglieder am Donnerstag nach Baden. Zu Gast war auch die Präsidentin des Weltverbands: Die Engländerin Nicola Grinstead, die eines der grössten Kinderspitäler in London leitet.
Ruth Müri hat am Samstag eine Ansprache gehalten und die Gruppe auf einen kurzen Stadtpostenlauf geschickt. Die Badener Stadträtin – Pfadiname Baski – war nicht nur Kantonsleiterin der Pfadi Aargau, sondern auch Corinna Hauris Bienlileiterin. Müri freut sich über den internationalen Besuch: «Das ist immer eine gute Gelegenheit, um zu zeigen, dass Baden eine tolle Stadt ist – gerade auch für Tagungen.» Die Pfadi habe hier eine lange Tradition und sei fest verankert. Mit der Ennetbadenerin Barbara Blanc stammt auch die höchste Pfaderin der Schweiz aus der Region. (Mbü)
Was haben Sie nicht geschafft?
Ein Ziel war, als Komitee alle 39 Mitgliedsländer zu besuchen und mit den Verantwortlichen über die dortige Pfadi zu sprechen. Bislang hat es für 90 Prozent gereicht. Für die restlichen 10 Prozent bleiben uns aber noch drei Monate Zeit (lacht).
Vor Ihrem Amtsantritt haben Sie Ihrem Mann versprochen, nicht mehr als ein Wochenende pro Monat auf Reisen zu sein. Haben Sie Wort gehalten?
Ja, im Durchschnitt war ich ein Wochenende im Ausland. Weil ich so oft mit dem Flugzeug unterwegs war, glaubte mein Sohn früher, dass es bei der Pfadi ums Fliegen geht. Die vielen Flüge werden mir auf jeden Fall nicht fehlen.
Ein Problem der Pfadi in Westeuropa ist der fehlende Nachwuchs.
Der Mitgliederschwund konnte in vielen Ländern gestoppt werden. In einigen Ländern steigen die Zahlen sogar wieder an. In Finnland und England etwa wächst die Bewegung stetig.
Ein Aufwärtstrend, der hierzulande kaum zu spüren ist. Was können die Schweizer Pfadis von ihren finnischen Kollegen lernen?
Die Finnen richten dort Pfadigruppen ein, wo es bislang keine gab. Eine Strategie, die auch in der Schweiz denkbar wäre. Weisse Flecken lassen sich auch im Aargau finden – im Zurzibiet etwa gibt es keine Pfadi. Allerdings ist es nicht so einfach, neue Abteilungen zu eröffnen. Dazu braucht es einen langen Schnauf.
Als Europapräsidentin sind Sie auch Mitglied der weltweiten Leitung. Wie steht es um die globale Pfadibewegung?
Sie wächst, vor allem in Afrika und Asien. Und noch immer kommen neue Länder dazu, die bisher keine Pfadi hatten. Jüngstes Beispiel ist Myanmar.
In Ihre Amtszeit fällt auch die Flüchtlingskrise. Die Länder entlang der Balkanroute sind davon besonders betroffen. Wie kann die Pfadi helfen?
Was die Mitglieder in vielen Ländern machen, um Flüchtlingen zu helfen, ist eindrücklich. In Athen und auf Lesbos beispielsweise sind täglich Gruppen im Einsatz, die Kleider rausgeben oder mit den Kindern spielen, um die Eltern zu entlasten. In Österreich und der Schweiz stellen Gruppen ihre Pfadiheime für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung. Ich bin stolz darauf, wie die Pfadis in Europa den Menschen in Not helfen.
Welche Rolle kann die Pfadi bei der Integration der Flüchtlinge spielen?
Das Ziel vieler Pfadiverbände in Europa ist es seit längerem, stärker ein Spiegel der Gesellschaft zu sein. Wir möchten Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Kulturen für die Pfadi begeistern, auch aus Flüchtlingsfamilien. Im Aargau wirbt übrigens ein Flyer für die Pfadi – übersetzt in dreizehn Sprachen. Die Syrer beispielsweise haben eine Pfaditradition, trotz Krieg sind in Damaskus noch immer Gruppen aktiv.
Als Siebenjährige traten Sie der Pfadi bei und blieben ihr in allen möglichen Funktionen treu. Was machen Sie, wenn Sie das Präsidentinnenamt abgegeben haben?
Ich werde wohl Pfadi-Mami (lacht). Mein Sohn ist Mitglied der Wölfli der Pfadi Hochwacht Baden. Sein Ziel ist, am Weltpfadilager teilzunehmen. Das Ehrenamt hat sehr viel Zeit gebraucht, nun freue ich mich darauf, mich wieder mehr um die berufliche Karriere kümmern zu können.