In der Exekutive der 26 Gemeinden stellen die Parteilosen die deutliche Mehrzahl der Mitglieder. Haben die klassischen Parteien auf Gemeindeebene überhaupt noch Einfluss?
Seit wenigen Tagen sind die neu gewählten Exekutiven im Amt. Ein Blick auf die 26 Gemeinden im Bezirk Baden zeigt: Von den 133 Gemeinderats- und Stadtratsmitgliedern sind 46 parteilos.
Die traditionellen Parteien wie die FDP (31), CVP (23) und die SVP (18) stellen deutlich weniger Mitglieder. Wie lässt sich erklären, dass Parteilose in den Exekutiven der Badener Gemeinden stärker vertreten sind als Mitglieder einer Partei?
«Die Lokalsektionen der Parteien stecken seit längerem in einer Krise», sagt Daniel Kübler, Professor für Politikwissenschaft und Direktor am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA). Der Grund: Viele hätten Mühe, Mitglieder zu finden, die sich aktiv für eine Gemeinde einsetzen wollen, vor allem in kleineren Kommunen.
«Und je weniger Lokalsektionen in einer Gemeinde vertreten sind, desto mehr Parteilose füllen die Lücken in den Ämtern.» Anders sei es in grossen Gemeinden und Städten, in denen es um gewichtigere Geschäfte gehe. «Dann ist auch das Amt attraktiver und die Parteien können ohne weitere Probleme Kandidaten stellen», sagt Kübler.
Susanne Voser, Präsidentin der CVP Bezirk Baden und Gemeindeammann von Neuenhof, fügt weitere Gründe an, weshalb auch Parteilose gewählt werden: «Auf Gemeindeebene steht die Person im Vordergrund. Die Bevölkerung wählt jemanden, der sich für Anliegen im Dorf einsetzt und den man vielleicht sogar kennt. Jemanden, mit dem sie sich identifizieren kann.» Zudem gehe es im Gemeinderat selten parteipolitisch zu und her. «Anders sieht die Situation auf Kantons- und Bundesebene aus, wo parteipolitische Themen die Agenda dominieren und Parteilose keine Chance haben.»
Anders sieht die Situation bei den Gemeindeammännern aus: Hier sind die Freisinnigen mit 9 Personen vertreten, die CVP mit 6. Die SVP und die Parteilosen stellen mit je 4 Personen gleich viele Ammänner. Dass sich bei den Gemeindeammännern ein anderes Bild zeigt, sprich, die Parteien deutlich besser vertreten sind als Parteilose, führt Politologe Daniel Kübler auf mehrere Gründe zurück: «Das Ammann-Amt ist ein wichtiges Amt. Die Parteien legen Wert darauf, dieses auch für sich zu gewinnen.»
Zudem spiele eine Partei im Wahlkampf eine wesentliche Rolle. Ohne Unterstützung einer organisierten Partei hätten Parteilose das Nachsehen, besonders, wenn diese den Wahlkampf selber finanzieren müssten.
Norbert Stichert, Präsident der FDP Bezirk Baden und Gemeinderat von Untersiggenthal, erwähnt neben dem Prestige auch die Ambitionen auf ein Grossratsamt, das manche Ammänner hätten: «Auf Kantonsebene ist die Unterstützung einer Partei unerlässlich.»
Susanne Voser glaubt zudem, dass die Mitteparteien im Vergleich zu Parteilosen oder anderen Parteien mehr Gemeindeammänner stellen, weil sich Wähler für kompromissbereite, lösungsorientierte und vertrauenswürdige Personen entscheiden: «Sie wünschen jemanden an der Spitze ihrer Gemeinde, der weder ein Polteri ist noch zu stark rechts oder links steht.»
Gemäss einer Studie über das Milizsystem im Aargau treten parteilose Exekutivmitglieder früher zurück als ihre Kollegen, die einer Partei angehören. «Eine Partei gibt Rückhalt. Parteilose hingegen haben keine Strukturen im Hintergrund, die sie unterstützen», sagt Politologe Daniel Kübler. Anton Möckel, neuer parteiloser Gemeindeammann von Würenlos, teilt diese Meinung nicht.
«Wenn Gemeinderatsmitglieder zurücktreten, hat das kaum mit der Parteilosigkeit zu tun. Vielmehr haben die Ratsmitglieder den Arbeitsaufwand unterschätzt oder Mühe, ihre reguläre Arbeit mit dem Amt unter einen Hut zu bringen.» Weiter glaube er, dass eine Partei eher Druck ausübe und dies mehr unangenehm als motivierend sein könne.
Susanne Voser war hingegen froh über den Rückhalt ihrer Partei, als sie sich 2011 zur Wahl als Gemeindeammann stellte: «Ich glaube nicht, dass ich gewonnen hätte, wenn ich als Parteilose angetreten wäre. Mit einer Partei im Hintergrund konnte ich in Neuenhof mehr bewegen.» Sie sei besser vernetzt, wodurch Inputs und Kritik schneller zu ihr gelangen. Auch FDP-Gemeinderat Norbert Stichert schätzt es, auf die Unterstützung der Partei zählen zu können.
«Das bedingt aber auch, dass man den Austausch und die Beziehungen pflegt.» Der hohen Zahl an parteilosen Exekutivmitgliedern steht er eher skeptisch gegenüber. «Parteien verfügen über Know-how und können ihre Mitglieder motivieren. Parteilose sind eher auf sich allein gestellt, wodurch die Fluktuation höher ist.»
Obwohl Gemeindeammann Anton Möckel parteilos ist, sieht er in einer Partei auch Vorzüge. Etwa, wenn jemand in den Gemeinderat möchte, der im Dorf aber kaum bekannt ist. «Dann macht die Unterstützung einer Partei Sinn.»
Er selber hat nie das Bedürfnis gehabt, einer Partei beizutreten: «Mich kennt man im Dorf. Ich bin hier aufgewachsen und setze mich seit Jahrzehnten als Unternehmer und Privatperson für Würenlos ein.» Das Wichtigste, wenn man parteilos ist: «Dass man gut vernetzt und bekannt ist. Dann stehen die Chancen für eine Wahl gut.»