In der Brugger Altstadt lädt die Badenerin Loredana Caponata in ihrem nostalgischen Laden samt Café zum Verweilen ein. Mit den Pastelltönen und den Blumenmuster schafft sie sich ihre eigene «Mary-Poppins-Welt».
In der unteren Brugger Altstadt verbirgt sich an der Hauptstrasse 49 das Eingangstor zu einem kleinen Märchenreich. Es ist die pastellfarbene Welt der Loredana Caponata. Die 34-jährige Badenerin trägt beim Besuch ein geblümtes Trägerkleidchen und eine rosafarbene Strickjacke. Die roten, welligen Haare passen zum ebenfalls knalligen Lippenstift. Ein grosser Mund lacht einem herzlich entgegen. Caponata hat auf überschaubarem Raum ein rosafarbenes, heimeliges Zweitzuhause für Besucher eingerichtet. «Ich möchte, dass sich die Besucher in meinem Lädeli und Café wie bei Grossmutter zu Hause fühlen und verweilen können», empfängt sie die Besucherin.
Selbst bemalte Möbelstücke stehen an den Wänden. Der Stil nennt sich «Shabby Chic», zu Deutsch schäbiger Chic. Er kommt ursprünglich aus Grossbritannien. In Pastelltönen bemalte Kommoden und Tischchen aus Naturholz mit künstlichen Gebrauchsspuren sind dafür charakteristisch. Auf den Tischen und Kommoden ausgestellt sind alle möglichen rosaroten und hellblauen Nippsachen, blumige Taschen und sonstige bezaubernde Blickfänge. An den Wänden blickt die Besucherin auf Emailleschilder mit englischen Aphorismen und Sprüchen, teils sogar aus der Feder Caponatas.
Die Badenerin schreibt zurzeit an einem eigenen Zitatebuch. Tageslicht, das von der Strasse her durch das Schaufenster dringt, erhellt den Raum. Dazu sorgen nostalgische Lampen für warme Lichteffekte. Café und Lädeli sind quasi eins. Auf den drei Tischchen sorgt hausgemachter Kuchen für kulinarische Genüsse. Verschiedene Teesorten sowie Filterkaffee oder Kaffe aus alten italienischen Kaffeemaschinen runden ein nachmittägliches Kaffeekränzchen ab. Das Angebot ist überschaubar, auf Qualität achtet die Italienerin sehr.
«Ich möchte den Menschen zeigen, dass man mit ganz wenig glücklich sein kann – zurück zur Einfachheit», sagt die Frau mit der rosa Blume im Haar. «Bei mir geht dann halt alles etwas länger, aber das ist gewollt», fügt sie mit einem Augenzwinkern an. Caponatas grosse Leidenschaft ist das Restaurieren und Aufwerten alter Möbel. «Ich habe schon immer gerne meine Möbel umgestellt.» Da hätten sie Freunde und Ehemann gedrängt, etwas aus ihrer Begeisterung zu machen. Die damals 28-Jährige hatte sich die Techniken im Selbststudium beigebracht: «Ich habe einfach einmal begonnen, ohne gross nachzudenken.» Mit der Zeit hätte die Badenerin gemerkt, dass es eine erhebliche Nachfrage nach solchen Möbeln gibt. 2011 konnte sie dann ihr kleines Geschäft, damals noch unter dem Namen «Shabby Treasures» bekannt, eröffnen. Heute heisst der Laden «Zum Goldenen Zauber».
Eins war Caponata von Beginn weg klar: «Wenn dir das Leben eine Tür und zugleich den passenden Schlüssel dazu anbietet, nimm den Schlüssel und öffne die Tür.» Hätte sie den Schritt ins Geschäftsleben damals nicht gewagt, würde sie heute wohl wehmütig auf die verschlossene Tür zurückblicken, ist sich Caponata sicher. Die Rothaarige sieht zwischen Menschen und Möbelstücken Parallelen: «Jeder Mensch hat wegen seiner persönlichen Geschichte Gebrauchsspuren, die man auch sehen darf.» Das sei bei Möbeln nicht anders. Sie entdecke beim Bemalen die Seele eines Möbels. Mit ihrer Arbeit lasse Caponata dann jeweils eigenes Herzblut hineinfliessen.
«Und so wird aus einer alten Kommode wird ein eigenes spezielles Unikat», sagt die Ladeninhaberin begeistert. Sie hatte von Anfang an Unterstützung: Ihre Freunde und Bekannte wie auch ihr ehemaliger Partner standen hinter der Idee des eigenen Ladens. Doch es gab auch die anderen: «Es wurden dann schon Stimmen laut, die mir rein reden wollten und meine Vision infrage stellten.» Dies hätte sie jedoch nicht an einer Realisierung gehindert, fügt sie an. Für die aufgeweckte Italienischstämmige ist positives Denken wichtig. «Ich habe in meinem Leben schon schwierige Zeiten erlebt», sagt sie. Einmal sei sie an einen Punkt gekommen, an dem sie sich von «negativer Energie» und belastenden Beziehungen habe lösen müssen. «Ich wog einst 37 Kilogramm mehr. Seit ich mein Leben umgekrempelt habe, bin ich körperlich viel gesünder», erzählt Caponata.
Sie ist in Baden aufgewachsen und lebte 20 Jahre dort. Caponata arbeitete bis vor kurzem im Büro eines Unterwäscheherstellers. Den Laden führt sie nebenbei. In ihrem ganzen Leben besuchte die quirlige Ladenbesitzerin nur ein Jahr lang die Handelsschule im KV Baden. «Ich kam immer irgendwie durch», lacht sie heute. Anfang März konnte Caponata oberhalb ihres Ladens eine Wohnung beziehen. Ab Juni will der Shabby Chic-Fan sich dann vollkommen ihrem «Zauberreich» widmen – den Bürojob hat Caponata gekündigt. «Ich setze jetzt alles auf den Laden, das ist mein Lebenswerk», sagt sie. Seit Januar können pastellbegeisterte Besucher auch in der romantischen Vintage-Welt übernachten: Caponata hat dazu im oberen Geschoss des Hauses zwei Zimmer eingerichtet, die sie als B’n’B vermietet.
Auch privat liebt sie es hell und verträumt. Ein Blick in die lichtdurchflutete Privatwohnung beweist, dass Rosa, Hellblau und Mintgrün wirklich die Farben ihres Herzen sind. «Ja, es ist ein Lifestyle, der sich durch mein ganzes Leben zieht», meint Caponata und erzählt stolz: «Alle meine Möbel ausser dem Bett habe ich selber bemalt.» Die Badenerin schüttelt verächtlich den Kopf, als die Besucherin sie auf die heutige Konsumgesellschaft anspricht. «Die Menschen heute kaufen und kaufen – und werden doch nicht glücklicher, das ist unglaublich», findet sie.
Dem will sie entgegenwirken. Man trete beim Hineingehen in ihre nostalgische Pastellwelt eine Zeitreise an. Auf einer Kommode liegen Bravo-Heftli aus den 1960er-Jahren für den Besucher bereit. Caponata dazu: «Ich nenne das ‹news from the past› – Neuigkeiten aus der Vergangenheit.» Bald soll auch ein alter Plattenspieler dazu beitragen, dass sich die Kunden noch intensiver in der Zeit zurückversetzt fühlen – und endlich mehr Zeit haben. Für die Zukunft wünscht sich die 34-Jährige, «dass das Lädeli läuft und die Besucher die Andersartigkeit schätzen.» Das Schicksal habe es gut mit ihr gemeint, sagt Caponata. Jetzt sei es an der Zeit, das Empfangene weiterzugeben.