Wettingen
Die Sternsinger blicken auf eine 70-jährige Tradition zurück – Nachwuchssorgen haben sie keine

Jedes Jahr begeistern die Sternsinger die Besucher in der Kirche St. Anton. Anlässlich des 70-Jahre-Jubiläums waren über 80 Sänger und Sängerinnen im Chor versammelt, begleitet von zwei Querflötistinnen, einer Klarinett- und einer Bassklarinettistin.

Rosmarie Mehlin
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Die Kirche St. Anton in Wettingen war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Sternsinger begeisterten anlässlich ihres 70-Jahr-Jubiläums das Publikum.

Die Kirche St. Anton in Wettingen war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Sternsinger begeisterten anlässlich ihres 70-Jahr-Jubiläums das Publikum.

ZVG

Wer am späteren Nachmittag in Wettingen durch das grosse Tor von St. Anton trat, liess die Weihnachtshektik draussen. In der bis auf die hintersten Bänke besetzten Kirche flogen freudige Begrüssungen hin und her, gefolgt von gedämpftem Gemurmel, das schlagartig verstummte. Vielstimmiger Gesang hebt an. Durch den Mittelgang auftretend, folgen weissgewandete jugendliche Sternträger und Kinder mit Öllämpchen einem sich ständig drehender Stern: Bunt ist er – multicolor – grad so, als würde er für multikulti stehen. Über die Seitengänge schreiten, auch sie singend, Erwachsene in schwarzen, grauen, weinroten Gewändern.

Über 80 Sängerinnen und Sänger sind schliesslich im Chor versammelt, begleitet von zwei Querflötistinnen, einer Klarinett- und einer Bassklarinettistin. Als die Sternträger zur Seite treten, öffnet sich den Besuchern ein Bild von magischer Strahlkraft: Maria und Joseph mit dem Kind in der Krippe. Das Spiel beginnt. In Reimen wird die Geschichte von der Geburt Jesu berichtet. Begleitet wird die Erzählung von Liedern wie «Vom Himmel hoch ihr Engel kommt», «Es ist ein Ros entsprungen» oder «Es ist für uns eine Zeit angekommen», eindrücklich gesungen von glockenhellen und kellertiefen Stimmen.

1948 zu neuem Leben erweckt

Die Wettinger Sternsinger blicken auf eine 70-jährige Tradition zurück. Zwar lässt sich der Brauch bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, doch war er zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten. 1948 wurde er als Verein zu neuem Leben erweckt. Der Innerschweizer Autor und Regisseur Oskar Eberle hatte dafür ein eigenes Spiel geschrieben. Drei weitere Spiele waren gefolgt: 1954 von Silja Walter, 1979 von Fritz Senft und 1998 von Suzanne Rohr. Seither werden die Spiele im Vier-Jahreszyklus aufgeführt. Heuer war dasjenige von Oskar Eberle an der Reihe. Erwachsene – der älteste ist über 70 – bilden mit über 50 Mitgliedern den grössten Teil des Chores. Dazu gesellen sich rund 15 Kinder ab Schulalter und ebenso viele Teenager.

«Nachwuchssorgen haben wir keine», betont Vorstandsmitglied Daniel Strebel zufrieden. Ab den Herbstferien bis Weihnachten findet jeweils am Sonntagabend eine einstündige Probe statt. «Im Vordergrund stehen die Freude und die weihnächtliche Botschaft. Die Mitwirkenden sollen vor allem gerne und durchschnittlich gut singen. Erwartet wird, dass sie die Proben lückenlos besuchen», so Strebel. Die Kosten, welche die Erhaltung der Kostüme, die Busfahrten zu den Aufführungen, die Werbung und ein bescheidenes Vereinsleben verursachen – «nach der GV gibt es jeweils einen Grillplausch» – werden durch Spenden sowie Kirchgemeinde-Beiträge gedeckt.

Seinen Auftritt als Hirtenbub anfangs der 70er-Jahre im Spiel von Eberle hat Daniel Strebel nie vergessen. Als junger Erwachsener waren Auftritte als Sternsinger gefolgt, danach ein Unterbruch von 40 Jahren. «Vor vier Jahren bin ich wieder dazu gestossen und es war magisch. Teil dieser Weihnachtsgeschichte zu sein, lässt mich jeweils verzaubert und beglückt zurück», schwärmt Strebel. Damit ist der 58-Jährige ganz gewiss nicht allein: In der Kirche St. Anton zeugten hunderte von strahlenden Gesichtern und glänzenden Augen von Zauber, Freude und Zufriedenheit.