Theater
Die Tochter des grossen Karajan zeigt im Aargau, wie gut sie schauspielert

Isabella Karajan ist die Tochter des berühmten Dirigenten Herbert von Karajan. Doch sie machte sich als Kind nicht gross etwas daraus: Sie kraxelte lieber auf Bäume. Am Freitag zeigt sie in Wettingen, welche gute Schauspielerin sie ist.

Christian Berzins
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Isabella Karajan auf der Bühne.

Isabella Karajan auf der Bühne.

Zur Verfügung gestellt

Der Schatten ihres Vaters Herbert von Karajan ist unendlich gross. Und wer vor Isabel Karajan steht, denkt unweigerlich «wie aus dem Gesicht geschnitten». Alles nur Projektion, Einbildung? Wie auch immer. Galt er als unnahbar, zeigte sich Isabel Karajan bei einer Vorprobe in Wettingen direkt und ehrlich. «Wo wollen Sie sitzen?», fragt sie. «Zur Auswahl stehen der Stuhl des Teufels, der des Soldaten oder der des Erzählers!»

Ich kriege einfach das «von» nicht weg aus Ihrem Namen. Immer tönts im Hinterkopf: «von Karajan». Sie aber sind Isabel Karajan?

Isabel Karajan: Ja, dieses «von» gehörte nie zu meinem Namen, in meinem Pass stand von Anfang an Isabel Karajan. Österreich hat den Adel schon 1919 abgeschafft, mein Vater aber durfte dieses «von» als Künstlernamen behalten.

Zur Person

Isabel Karajan wurde am 25. Juni 1960 in Wien geboren. Sie ist die Tochter von Herbert und Eliette von Karajan. Nach ihrem Schauspielstudium führten sie ihre Rollen nach Zürich, Hamburg und Salzburg. Später trat sie auch in Fernsehrollen in Erscheinung, darunter die TV-Serien Julia, Soko Kitzbühel und Schlosshotel Orth. Heute gibt sie oft musikalische Theaterabende. Ihr Ehemann, mit dem sie eine Tochter hat, kam im Februar 2011 im Alter von 58 Jahren bei einem Flugzeugunglück ums Leben. In Wettingen zeigt sie nun Igor Strawinskis «Histoire du soldat». Sie ist nicht nur die Erzählerin, sondern bietet eine wilde Theaterfassung, in der sie den Soldaten, den Teufel und naturgemäss den Erzähler spielt. (bez)

Sie führen hier in Wettingen Strawinskis «L’histoire du soldat» auf. Darin geht es auch um Heimatliebe. Kennen Sie die Heimatliebe?

Es fällt mir schwer, von Heimatliebe zu sprechen. Heimat ist da, wo jene Menschen sind, die mir wichtig sind. Ich habe aber schon immer ein Zigeunerleben geführt. Ich wuchs im Graubünden auf, ging dort in die Schule, danach lebte ich eine Zeit lang in Salzburg, bald in Paris. Aber an und für sich war meine Heimat immer die Schweiz. Darum konnte ich einst auch fliessend «Bündnerdütsch».

Dänn chömmer jo au schwyzerdütsch rede!

«Jo klaar – i hans aber nümma so druff. Und do simmar jo im Aargau.» (Lacht.) Zurück zur Heimatliebe: Ich war schon auf Welttournee, als meine Mutter schwanger war. Vielleicht kommt dieses Unstete daher.

Hinzu kommt, dass Ihr Name nach dem Hotel «Regina Isabella» auf Ischia stammt, wie es Ihre Mutter in «Mein Leben an seiner Seite» schreibt. Aber gehen wir weiter, zu Ihrer Taufe. Warum, um Himmels willen wurden die Wiener Philharmoniker Ihre Taufpaten? Ein Kind will doch eine richtige Taufpatin!

Keine Angst, ich hatte daneben schon noch eine richtige. Da bei der Taufe ein paar Musiker der Wiener Philharmoniker spielten, ergab sich diese spezielle Patenschaft.

Dennoch hatte das alles System: Die Paten Ihrer Schwester Arabel wurden dann die Berliner Philharmoniker. Es tönt nun mal für uns Aussenstehende nach typisch karajanscher Geste: pompös!

Nein, nein, das ergab sich so bei mir und bei meiner Schwester zog man es halt weiter mit den Berlinern. Das war nichts Grosses. Aber klar: Von aussen sieht es nach Inszenierung aus. Das ist merkwürdig: Mein Vater wurde oft in ein pompöses Licht bugsiert. Aber da fühlte er sich gar nicht wohl. Er war am liebsten mit uns zu Hause. Da waren bisweilen ein oder zwei Freunde zu Gast. Aber mehr Aufhebens hat er gehasst. Die Leute interpretieren gerne Dinge in dieses Leben hinein, weil sie in ihm immer nur den grossen Dirigenten sehen.

Was antworteten Sie, wenn die Kinder auf dem Spielplatz fragten: «Isabel, was macht dein Vater?»

Da fragt man sich noch nicht solche Dinge, da schaut jeder, dass er als Indianer gute Freunde für sich gewinnen kann.

Lassen wir den Spielplatz! Im «Histoire du soldat» geht es neben vielem anderen auch um die Frage, Geld oder Kunst ...

(unterbricht) ... ist es Kunst oder nicht viel eher die Seele? Die beiden sind sehr miteinander verbunden.

Wie auch immer: Ihr Vater machte Kunst zu viel Geld, zu einem Imperium. Wie merkten Sie das?

Wir wuchsen auf dem Land auf, gingen dort zur Schule. Mir war der ganze Zirkus rundherum, wenn wir dann mal mitgingen, zu viel. Ich war froh, wenn ich wieder meine Lederhose anziehen und auf die Bäume kraxeln konnte.

Hat Sie die Kunst Ihres Vaters – vielleicht auch die Regiekunst, das Szenische – interessiert, als Sie älter wurden?

(Ungeduldig.) Ja, ja, aber das hatte nicht direkt mit meinem Vater zu tun. Ich begann ja schon in Zuoz, Theater zu spielen. Andere Schulen borgten sich für ihre Theater-Produktionen die Mädchen aus unserer Schule aus. Schliesslich spielte ich in Salzburg in Max Frischs «Andorra» die Barblin. Das war ein entscheidender Moment in meinem Werdegang, denn darauf, kurz vor der Matura, war mir klar, dass ich Schauspielerin werden würde.

Wurde dieser Entscheid vom Umstand beeinflusst, dass Ihr Vater auch als Regisseur tätig war?

Eigentlich nicht, auch wenn ich die eine oder andere Regie-Assistenz bei seinen Produktionen machte: Meine Schauspielerei hat das nicht beeinflusst. Bald ging ich weg von Salzburg, lebte in Paris und wollte meinen eigenen Weg gehen – und bin ihn auch gegangen.

Aber man wird ja nicht zufällig Schauspielerin. Sie sassen von Kind auf in den Opernhäusern.

Ja, schon, aber der Entscheid hatte nichts mit meinen Eltern zu tun – hätte es mit den Eltern zu tun, würde ich jedem davon abraten, Schauspieler zu werden. Dafür muss man einen Drang haben, eine Notwendigkeit spüren, sonst wird das nichts. Meine Eltern förderten den Entscheid nicht, sie hatten sogar Angst, dass ich das durchziehe. Sie hatten Angst, dass ich scheitern würde. Mit gewissem Recht, denn es ist ein unheimlich schwieriger Beruf. Ich habe mich in der Szene ziemlich alleine durchgekämpft. Und heute freut es mich umso mehr, dass ich mich nun immer mehr auf Theaterprojekte mit Musik konzentriere.

In Wettingen wird diesen Freitag gespielt – der Folgetag ist speziell für uns Karajan-Freunde ... Für Sie?

Wie ist es denn für Sie, wenn jemand Geburtstag hat, der Ihnen nahe stand und nicht mehr da ist?

Gewiss, da ist die ganz persönliche Ebene. Aber zusammen mit Ihnen gedenkt die Musikwelt des Geburtstags Ihres Vaters – und am 16. Juli 2014 dann sogar seines 25. Todestages. Magazine drucken Spezialausgaben, CD-Editionen erscheinen ...

Das geschieht halt.

Ihr Vater sagte mal, er würde sich gerne einfrieren lassen, damit er zukünftige Aufnahmetechniken erleben könne. Ein Mann, der die Zukunft liebte. Erkannten Sie diesen Zug an ihm?

Ja, durchaus. Er wurde 1908 geboren, erlebte diese ungeheuren technischen Fortschritte allesamt mit: von der Schellack-Platte bis zur CD! Diese Entwicklung verfolgte er und gestaltete sie auch mit. Er war neugierig und blieb es sein ganzes Leben lang.

Fasziniert Sie der Gedanke?

Ich bin technisch nicht so interessiert, aber diese grosse ungestillte Neugier habe ich sicher von ihm. Wie er habe auch ich grosse Lust, mich mit jungen Leuten zu unterhalten, mit ihnen zu arbeiten und nicht auf festgefahrenen Schienen weiterzumachen. Die Kunst ändert sich laufend. Ich stehe hier und habe viele Dinge vor. Neue Dinge. Ich bin, so wie ich bin – mein Vater war mein Vater. Er starb vor 25 Jahren.

Wettinger Kammerkonzerte Freitag, 4. April, 20 Uhr, Margeläcker Wettingen. Karten: www.ticket.baden.ch