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Baden
Der Wald leidet. Er benötigt dringend Wasser. Waldarbeiter der Region freuen sich auf den für Samstag angesagten Regen. Sie hoffen, dass er anhält.
Die Bäume ächzen unter der lang anhaltenden Trockenheit und lechzen nach Wasser. Seit April hat es nicht mehr richtig geregnet. «Der Wald hat Durst, massiven Durst», bekräftigt Peter Muntwyler, Förster im Revier Heitersberg mit den Waldgebieten der Gemeinden Spreitenbach, Bellikon, Killwangen, Oberrohrdorf und Remetschwil. Auch Pius Moser, verantwortlich für Naturschutz beim Stadtforstamt Baden, kann das nur bestätigen: «Der Wald leidet im Moment sehr. Das sieht man ihm auch an.» Die Bäume seien schon länger in Herbststimmung – und das sei alles andere als normal.
«Menschen, die zu wenig trinken, bekommen Kopfweh. So ähnlich geht es auch dem Wald», veranschaulicht Revierförster Muntwyler die Folgen der Trockenheit. Seit Wochen regne es Nadeln, und übermässig viele Blätter fielen ab. Die Trockenheit beschädige das Wurzelwerk und das Holz. «An vielen Bäumen sterben Kronenteile ab, besonders an sehr trockenen Standorten, wo es sowieso schon wenig organischen Nährboden, also Humus, hat», erklärt Moser vom Badener Stadtforstamt.
Tun können die Waldarbeiter da nicht viel. Es hilft ihnen, zu wissen, dass die Bäume Reserven haben, um sich von solchen Trockenperioden wieder erholen zu können. Moser weiss aus Erfahrung: «Bäume sind wahre Überlebenskünstler!» Trotzdem wünschen sich Moser wie Muntwyler nichts sehnlicher als endlich Regen. Letzterer will den Menschen die Freude am schönen sonnigen Herbst zwar nicht nehmen, aber: «Es müsste mehrere Wochen durchregnen, damit der Wald genug Zeit hat, das Wasser aufzunehmen und sich zu regenerieren.»
Das wahre Ausmass der diesjährigen Dürre und wie viele Bäume wirklich abgestorben sind, das sei erst nächsten Frühling ersichtlich, so Moser. «Wir sind immer wieder erstaunt, wie viele dann doch durchkommen», gibt er sich zuversichtlich. Durch die Trockenheit seien aber bereits viele junge Bäume, die das Forstamt Baden in den letzten drei Jahren gepflanzt habe, abgestorben – sie konnten sich zu wenig im Boden verankern. Auf eine nächste Extremsituation würden viele geschwächte Bäume nicht mehr reagieren können.
Im Stadtforstamt Baden ist der Klimawandel schon lange Thema: «Seit etwa 15 Jahren sind wir daran, die Baumarten umzustellen, und setzen vor allem auf Eichen», erklärt Moser. Diese bräuchten zwar nicht weniger Wasser, aber dank ihres Wurzelwerkes, das tiefer in den Boden reicht, seien sie trockenresistenter als Buchen und Fichten. Buchen leiden unter der Trockenheit, weil viele davon dürre Kronenteile haben. Die geschwächten Fichten hingegen leiden unter Borkenkäferbefall. Die Schädlinge fühlen sich bei diesen Gegebenheiten unter der Rinde der Fichte besonders wohl, sie vermehren und verbreiten sich schnell. Für von Borkenkäfern angegriffene Fichten gibt es keine Rettung: «Diese Bäume sterben ab», klagt Moser.
Auch die Wildtiere leiden unter der anhaltenden Trockenheit: «Sie finden nicht mehr so viele Orte, wo sie etwas trinken können.» Durch den heissen Sommer habe sich zu wenig Tau gebildet, der Flüssignahrung für sie wäre. Die Situation sei nicht prekär, aber die Wildtiere trotzdem geschwächt, so Moser. Glücklicherweise habe es dennoch einige feuchte Stellen und Bäche für sie im Wald, obwohl viele Brunnen und Teiche ausgetrocknet seien.
Bereits der letztjährige Sommer war sehr trocken. Der darauf folgende niederschlagsreiche Winter glich das aber wieder aus. Muntwyler wie Moser hoffen, dass es dieses Jahr wieder so sein wird, damit der Wald auftanken kann. Trockene Sommer und niederschlagsarme Winter führten früher oder später zu einer «Versteppung», erklärt Revierförster Muntwyler. Er will zwar nicht dramatisieren, aber sollten fünf solcher Dürrejahre hintereinander folgen, dann würde das Landschaftsbild ganz schnell ganz anders aussehen: «Das würde der Wald nicht schaffen.» Es sei auch kaum möglich, abgestorbene Bäume einfach mit neuen zu ersetzen. Diese hätten Mühe, am gleichen Ort wieder zu wachsen.
Pius Moser ist froh, dass das Thema Klimawandel immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerät: «Wir werden jeden Tag damit konfrontiert, während die Bevölkerung das nur in Extremjahren wahrnimmt.» Er sieht das Problem aber weniger bei der Natur als beim Menschen: «Es ist nicht so, dass die Natur uns braucht, die kann gut und gerne 100 Jahre ohne Wald leben», sagt er lachend. Für die Natur sei das nur ein kurzer Zeitraum. «Es ist doch viel mehr so, dass wir Menschen den Wald brauchen.» Einerseits weil Holz der wichtigste einheimische Rohstoff sei, andererseits weil der Wald das Klima ausgleiche: «Er trägt zur Abkühlung bei.»
Schon bald sieht es für die Bäume wieder etwas besser aus. Ab Samstag ist Regen angesagt – und für die folgenden Tage auch. Ob es für die Neubelebung von Flora und Fauna genug sein wird, das wird sich zeigen.