Wettingen
Die Wettinger Kammerkonzerte werden 70 – und es geht weiter

Eine Aargauer Institution hat Geburtstag gefeiert: Im vollbesetzten Margeläckersaal war auch Regierungsrat Markus Dieth zu Gast.

Elisabeth Feller
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Regierungsrat Markus Dieth (r.) gratuliert Daniel Surber, Präsident der Kammerkonzerte.

Regierungsrat Markus Dieth (r.) gratuliert Daniel Surber, Präsident der Kammerkonzerte.

CH Media

Die Wettinger Kammerkonzerte, WKK, feiern ihren 70. Geburtstag: mit Musik und einer besonderen Begrüssung. WKK-Präsident Daniel Surber wendet sich am Sonntag nicht an den «sehr geehrten Herrn Regierungsrat Markus Dieth» und die «sehr geehrten Damen und Herren», sondern an die «liebe Musik».

«Seit 70 Jahren besuchen wir die WKK-Konzerte, um dich zu hören. Seit 70 Jahren bist du uns treu und hast uns begleitet durch all die Jahre, in denen Wettingen sich verändert hat. Deshalb wünschen wir dir heute zu deinem Geburtstag alles Gute sowie viele Zuhörerinnen und Zuhörer, die dich in ihren Herzen tragen und die an einem der nächsten Konzerte wiederkommen werden.»

«Man muss gegenseitig gut aufeinander hören»

Weil an einem 70. Geburtstag auch geträumt werden darf, wünscht Surber der ältesten, renommierten Kammermusik­reihe des Kantons Aargau «irgendwann einmal auf der Wettinger Kloster-Halbinsel einen eigenen Konzertsaal». Und zudem noch etwas, ohne die die WKK nicht überleben können: Unterstützungsbeiträge der öffentlichen Hand, finanzielle Gesten von Sponsoren sowie «interessierte, treue Zuhörer für die musikalischen Leckerbissen».

Solche hat auch der ehemalige WKK-Präsident, Regierungsrat Markus Dieth, geniessen können. Für Markus Dieth haben Politik und Kammer­musik eines gemeinsam: «Man muss gegenseitig gut aufeinander hören. Auch auf die leisen Töne muss man achten.» Dieses konzentrierte aufeinander Hören sei die Grundlage, «um gemeinsam tragfähige Lösungen oder eine perfekte Harmonie zu finden. Gute Politik ist wie gute Musik: Sie wird von der Mehrheit gehört und verstanden.»

Der erklärte Herzblut-Wet­tinger Dieth freut sich, dass es die WKK weiter geben wird und diese nun durch die Zusammenarbeit mit Argovia Philharmonic gestärkt werden.

Am Schluss wird der Gründer geehrt

Weil aber nicht das Sprechen über das Geburtstagskind im Mittelpunkt der Feier stehen soll, wird am Sonntag vor allem musiziert: und zwar dort, wo die WKK erneut zu Hause sind – im vollbesetzten Margeläckersaal. Welche Werke wählt man für einen Jubeltag? Leichtes oder Schweres? Die WKK entscheiden sich mit Bedrich Smetanas «Klaviertrio g-Moll op. 15» und Dmitri Schostakowitschs «Sinfonie Nr. 15 A-Dur op. 141» in einer Bearbeitung für Klaviertrio und Schlagzeug für das Schwerere und, wie sich erweisen wird, das Denkwürdige.

Für solches ist das Oliver Schnyder Trio mit dem Ennetbadener Pianisten Oliver Schnyder, dem Geiger Andreas Janke und dem Cellisten Benjamin Nyffenegger prädestiniert. Das Trio verfügt über eine staunenswerte Reife und Harmonie des Zusammenspiels. Smetanas Werk spielt es hochexpressiv und hochdramatisch, ohne sich je in den Zerklüftungen der Partitur zu verlieren.

Smetanas Musik ist ein einziges, unruhevolles Klagen über den Tod der kleinen Tochter. Mit einem Schluchzer setzt die Violine ein; später nehmen schroffe Klänge und Themen gefangen, die kaum miteinander verbunden sind. Spärlich blitzen Aufhellungen auf, über die man förmlich erschrickt. Nur eine glühende Interpretation wie jene vom Oliver Schnyder Trio vermag die Zuhörer auf einer Achterbahn der Emotionen so sorgsam zu begleiten, dass diese nicht entgleisen. Das ist gross.

Die Todessehnsucht

Gross, was das Trio danach auch mit den Spitzen-Schlagzeugern Martin Grubinger, Klaus Schwärzler und Benjamin Forster bei Schostakowitschs letzter Sinfonie leistet: ein Werk, dessen humoristische Anklänge abgelöst werden durch stockende und fahle. Beim lauten Paukenschlag wird man ans Konzert-Motto «Kraftvoll» erinnert; bei den letzten Takten ist Todessehnsucht herauszuhören – die leisen Klänge verdichten sich zu einem ergreifenden Epilog.

Die Intensität des Spiels und des Zuhörens ist da kaum auszuhalten. Nur langsam löst sich die Spannung am Ende; erst nach Minuten der Stille setzt der Applaus ein und das Publikum weiss: Dies war ein denkwürdiges Konzert. Denkwürdig auch, weil Daniel Surber jenen Mann aufs Podium bittet, «dem wir die WKK verdanken»: Walter Sigrist.

Der Wettinger gründete die Kammermusikreihe mit Gleichgesinnten; er und spätere WKK-Teams durften dabei auch auf treue Stützen wie Käthi Kupper und Josef Gerwer zählen.