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Das neu gegründete Badener Künstlerkollektiv Hofmann & Sonnenwald hebt den Erzählschatz von Senioren. «Wir ermitteln die biografischen Erlebnisse der Menschen und geben ihnen eine theatralische Form», formulieren die beiden ihr Konzept.
Regisseurin Annina Sonnenwald und Bewegungsschauspielerin Simona Hofmann sind seit kurzem ein Team. Noch bröckelt in ihrer neu bezogenen Werkstatt in der Badener Oberstadt der pastellblaue Verputz, noch liegt eine Staubpatina zwischen Kostümständer und Requisiten. Doch Simona Hofmann sieht bereits ihren Flamenco-Boden im frisch gestrichenen Proberaum ausgelegt – und die Geschichten, die auf so einem Erzählteppich herumtanzen: surreale, anrührende, dramatische Geschichten.
Die zwei jungen Frauen sind hungrig nach solchen. «Wir ermitteln die biografischen Erlebnisse der Menschen und geben ihnen eine theatralische Form. Das Surreale, das auf der Bühne hinzukommt, das sind wir», erklärt Sonnenwald ihr Konzept «Reality Theater», auf das sich die beiden spezialisieren wollen. Die Arbeitsteilung ist klar: Sonnenwald sucht die Geschichten, Bewegungskünstlerin Hofmann holt mit Körperarbeit Emotionen an die Oberfläche.
Arbeit mit Badener Asylsuchenden
Beide machen das nicht zum ersten Mal. Sonnenwald liess schon Teenager auf der Bühne von ihren Sehnsüchten erzählen («Zirkus unserer Träume»), Anfang Jahr entliessen Insassen der Justizvollzugsanstalt Lenzburg (JVA) in der Gefängnisturnhalle ihre eingesperrte Unruhe ins Freie («Wild im Herz»). Die Produktion, in die beide Künstlerinnen involviert waren, kam so gut an, dass Gefängnisdirektor Marcel Ruf eine Wiederholung zum 2014 anstehenden 150-Jahr-Jubiläum der Anstalt vorschlug. Spielort: der renovierungsbedürftige alte Gefängnisflügel.
Seit kurzem arbeiten die Frauen auch mit Badener Asylsuchenden. Im Juli hatten die Männer mit Hungerstreiks für den Verbleib in ihrer Unterkunft im Kappelerhof gekämpft. «Junge Leute, mit Ideen und Träumen. Alles Machertypen, mit wahnsinnigen Geschichten», erzählt Sonnenwald, die bereits jetzt Ausbaupotenzial sieht.
Mit dem Rollstuhl durch Wettingen
In der neusten Produktion aber sollen zuerst einmal Senioren ihre persönlichen Erlebnisse auf der Bühne erzählen – der jüngste ist 62, der älteste 92 Jahre alt. Noch sind nicht alle zehn gefunden. Mitmachen können alle, denn «jeder hat skurrile, schräge, abgründige Geschichten auf Lager», so Sonnenwald. Das Badener Altersheim Kehl und das Regionale Pflegezentrum Baden (RPB) haben bereits Unterstützung signalisiert. Die Premiere ist auf Oktober in der Aula der Kanti Baden geplant.
Bei der Feldforschung geben die zwei bereits Vollgas: Mit dem Rollstuhl fuhren sie kürzlich durch Wettingen, um sich besser in den Horizont ihrer Schauspieler einzufühlen. Die Verlangsamung aller Lebensschritte, so die Künstlerinnen, sei für ihren jungen Tatendrang eine echte Herausforderung gewesen.