Wieso Brigitta Gwerder in ihrem Näh-Atelier in Rieden neu auch Kurse für das männliche Geschlecht anbietet.
Seit Jahrhunderten hält sich das Bild: Das Bearbeiten von Textilien ist eher Frauensache. So zählt denn auch das Nähen zu den Tätigkeiten, die eher dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben werden. Diesem gewohnten Bild möchte Brigitta Gwerder entgegenwirken. Die 60-jährige Gebenstorferin führt seit zehn Jahren ein Nähatelier an der Landstrasse 2 in Rieden bei Baden, in dem sie vor rund fünf Jahren begann, ihr Wissen in Kursen an Frauen weiterzuvermitteln.
Neu bietet Gwerder neben den Kursen für Frauen auch Männerkurse an. Sie habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, Männern das Nähen näher zu bringen: «Er entstand aus einem Witz heraus an einer Hochzeitsfeier im letzten Jahr. Im Gespräch mit einigen Gästen kam das Thema auf, dass die Frauen meine Kurse besuchen. Da fragten die Männer, ob ich auch für sie Nähkurse gebe.»
Vor kurzem hat Gwerder einen Testkurs mit zwei männlichen Teilnehmern durchgeführt – mit überraschender Erkenntnis: «Die beiden gingen viel mutiger an diese Herausforderung, als so manche Frau. Ich erlebe, dass Frauen zu Beginn eines Kurses eher zurückhaltend agieren.» Gwerder will bewusst separate Männerkurse anbieten.
Jeder Teilnehmer soll in seinem Tempo arbeiten können: «Bei gemischten Gruppen kann eine komische Stimmung entstehen, denke ich. In den Kursen soll niemand durch eine andere Person Druck verspüren.» Die Frauen sollen den Männern nicht helfen, wenn diese im ersten Moment nicht so begabt nähen würden.
In die Kurse bringen die Teilnehmer meistens selbst Ideen ein, was sie gerne nähen würden. Auch den benötigten Stoff bringen die Besucher selbst, beispielsweise von Auslandsreisen, wo sie Stoff sehen und kaufen. Alternativ legt Gwerder im Atelier eine Auswahl vor: «Ich schätze dann ein, ob das gewünschte Kleidungsstück realisierbar ist und schätze die benötigte Kursdauer ein.» Meistens würden die Kursteilnehmer ein Kleidungsstück innerhalb von zwei Tagen fertig nähen, sagt Gwerder.
Einer der Teilnehmer des Testkurses bei Gwerder ist Mike Perrenoud. Der 73-jährige Wettinger war auch Gast an der Hochzeitsfeier, wo die Idee der Nähkurse für Männer aufkam. Perrenoud nähte dann unter Anleitung von Gwerder ein kurzärmliges Hemd in den Farben Orange und Violet.
Er habe etwas Neues ausprobieren wollen, sagt Perrenoud: «Spezielle Angelegenheiten reizen mich. Damit kann ich wachsen.» Das Nähen sei aber – wie gewöhnlich – eher ein Hobby seiner Frau: «Für mich war der Nähkurs eine einmalige Sache. Ich habe jetzt ein Interesse für ihr Hobby, auch ein geschulteres Auge für Nähte, ob sie schön sind oder nicht.»
Gwerder wartet nun auf Anmeldungen von Männern. Sie setzt auf Mundpropaganda, viel Geld für sonstige Werbung bleibt nicht: «Der Beruf reicht, um zu leben. Aber viel Luxus liegt nicht drin.» Eine andere Tätigkeit als Bekleidungsgestalterin kann sich Gwerder nicht vorstellen: «Meine Mutter und Tante arbeiteten auch in der Textilbranche. Das Nähen wurde mir von Kindesbeinen in die Wiege gelegt.»