Ennetbaden
Diese Möbelentwürfe sind Raritäten eines Avantgardisten

Die Möbel-Kollektion von Richard Neutra (1892-1970) wird im Oederlin-Areal ausgestellt.

Roman Huber
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Richard Neutra’s Möbel-Entwürfe, hier in der alten Giessereihalle als exklusive Manufaktur-Kollektion ausgestellt; rechts der berühmte Architekt im Bild. René Rötheli

Richard Neutra’s Möbel-Entwürfe, hier in der alten Giessereihalle als exklusive Manufaktur-Kollektion ausgestellt; rechts der berühmte Architekt im Bild. René Rötheli

René Rötheli Baden

Die Möbel, die gestern als avantgardistisch galten und sogar heute noch als klassisch modern oder vielmehr zeitlos bezeichnet würden, passen zum Ausstellungsort, der alten Giessereihalle im Oederlin-Areal. Dort wird der Besucher von Richard Neutra’s Möbelentwürfen überrascht. Es erstaunt, dass diese rund 90 Jahre, nachdem der später vielfach ausgezeichnete Architekt von Wien nach Chicago ausgewandert war, zurück nach Europa gekommen sind.

Richard Neutras bislang unentdecktes Möbeldesign ist durch die Verbindung seines Sohnes Dion Neutra zum 1898 gegründeten deutschen Familienunternehmen Vereinigte Spezialmöbelfabriken (VS) gelangt. Die VS beschäftigen sich seit 2012 damit, die Neutra-Möbel auf den Markt zu bringen. Eine exklusive Manufaktur-Kollektion mit Entwürfen und Skizzen wird zurzeit im Oederlin-Areal von der Aera AG Raumkonzepte ausgestellt. Die Designer-Stücke sollen wieder industriell hergestellt werden; die Aera AG, die ihren Geschäftssitz im Oederlin-Areal hat, wird sie als Vertreter der VS anbieten.

Als Architekt eine Legende

Der austro-amerikanische Architekt Richard Neutra gilt als legendärer Vertreter der klassischen Moderne. Er kam in den 1920er Jahren von Wien nach Chicago, wo er den Rausch der Wolkenkratzer-Architektur kennenlernte. Er schuf sich sehr schnell einen klingenden Namen in der Architekturszene. Als Architekt wird er zusammen mit Le Corbusier, Frank Lloyd Wright und weiteren zu den grossen Namen der modernen Architekturgeschichte gezählt. Beeindruckend sind nebst den grossen Geschäftshäusern und den Schulbauten seine lichtdurchfluteten, loftähnlichen Landhäuser und Villen, die er primär in Kalifornien, so auch in Hollywood Hills, im vergangenen Jahrhundert erstellt hatte. Weit weniger bekannt ist, dass Neutra für seine anspruchsvolle Klientel auch die idealen Möbel schuf.

Der Funktionalität verschrieben

In seinem Schaffen setzte er sich die Funktionalität und Zweckmässigkeit als oberstes Ziel. Dies kommt bei seinen Möbelentwürfen in den auf die Physiologie des Menschen abgestimmten Formen zum Ausdruck. Sie ermöglichten einen für die damalige Zeit nahezu visionären Komfort, der auf einer erstaunlichen Einfachheit in seinen Formen wie auch in den verwendeten Materialien basierte. Beeinflusst vom Bauhaus-Stil gilt Richard Neutra als ein Vertreter der klassischen Moderne, was bei ihm in der Architektur und im Möbel-Design ausgeprägt sichtbar wird. Die stimmige Ausstellung setzt die Möbelstücke in ihren realen Bezug zu den Neutra-Villen, die gross abgebildet sind.

Neutra hat auch einen Bezug zur Schweiz: Der im Ersten Weltkrieg erkrankte Leutnant kam zur Kur in die Schweiz. Er lernte bei Gustav Ammann in Zürich Gartenarchitektur und war Seminarteilnehmer beim bekannten, in Baden aufgewachsenen Architekten Karl Moser, der das unter Schutz stehende Badener Postgebäude erbaute. In Zürich lernte er die Tochter eines Architekten kennen: die Schweizer Sängerin und Cellistin Dione Niedermann, die seine Ehefrau wurde.

Ausstellung nur bis 3. September, Oederlin-Areal, Giesserei-Halle