Im Porträt: Getränkehändler, Präsident des Feuerwehrverbands und Cordula-Zünftler – Fabian Engel ist ein Mann mit vielen Gesichtern.
Noch ist es dunkel auf der Badener Bahnhofstrasse, doch Fabian Engel ist schon mit seinem Sackrolli zum nächsten Kunden unterwegs. Für einen älteren Mann, der sechs Flaschen Valser-Wasser bestellt hat, nimmt er sich besonders viel Zeit. Dessen Frau ist kürzlich verstorben, und er leidet schrecklich unter dem Verlust. «Ich habe immer ein offenes Ohr für Menschen, die Sorgen plagen. Das gehört für mich zum Job. Ich bin auch froh, wenn eines Tages mir jemand zuhört, wenn ich Kummer habe», meint Engel ernst.
Sein Getränkehandel in Dättwil ist klein und übersichtlich. Kein Vergleich zum riesigen Betrieb seines Vaters Herbert, dessen Firma man in ganz Baden kannte. Als dieser mit 45 Jahren tödlich verunglückte, war das für den gelernten Automechaniker Fabian nicht nur ein Schock. Es zwang ihn auch, sein ganzes Leben umzukrempeln. Um den Getränkehandel weiterzuführen, suchte der Junior nach neuen Wegen. Er absolvierte eine Weinfachschule und übernahm in einem alten Gewölbekeller im Bäderquartier eine Weinhandlung. Mit der Zeit florierte der Betrieb. Das ständige Auf- und Abladen der Palette verursachte allerdings auch viel Lärm. «Es gab immer mehr Reklamationen aus der Nachbarschaft. Ich wollte aus der Innenstadt raus und entschied mich für den Standort Dättwil», erzählt der 55-Jährige.
Den Laden, den er parallel zum Unternehmen eröffnete, musste er bald wieder schliessen. «Die Leute gehen in den Supermarkt und kaufen zu tiefen Preisen ein, mit denen ich als Detailhändler nicht mithalten konnte», meint er. Wer bei Engel bestellt, schätzt den persönlichen Service. Der Vater von vier erwachsenen Kindern verdient immer noch genug für das, was er zum Leben braucht. «Ich kann auch bescheiden sein. Materielle Dinge interessieren mich wenig», sagt er und gesteht, dass sein Portemonnaie vor Weihnachten beim Geschenkekauf auch schon ziemlich leer gewesen sei.
«Manchmal stellte ich mir auch die Frage, ob mein Betrieb heute grösser wäre, wenn ich nicht so viel Zeit in meine zweite Profession investiert hätte – nämlich die Feuerwehr. Doch ich komme immer wieder zum selben Ergebnis, dass sie mich menschlich positiv geformt hat», sinniert Engel.
In der Stützpunktfeuerwehr Baden durchlief er in 34 Jahren sämtliche Chargen bis zum Vizekommandant. 27 Jahre war er zudem als Feuerwehr-Instruktor für die Gebäudeversicherung des Kantons Aargau unterwegs. Ende Jahr wurde er mit 55 Jahren pensioniert. «Das war die Altersguillotine», sagt er. Und gibt zu, dass es wehgetan habe, als er in der ersten Januarwoche 2020 seinen Spund räumen musste.
Feuerwehrkollegen behaupten von ihm, dass er oft mit dem Kopf durch die Wand gehe. Stimmt das? Sein Mund verzieht sich zu einem breiten Lächeln: «Ja, das ist wahr. Ich hatte als Instruktor immer meine eigenen Vorstellungen, wie ich die Teams weiterbringe und konnte auch laut werden.» Der kleine, kompakt gebaute Mann gibt gerne den Ton an. Damit macht er sich nicht überall beliebt. Doch mehr als die Kritik zählt offensichtlich seine Professionalität. Im November 2018 wurde Engel zum Präsident des Aargauischen Feuerwehrverbands gewählt. «Sie haben mich an die Spitze gesetzt wie den Winkelried», behauptet er mit offensichtlichem Stolz. Als Dank für das erwiesene Vertrauen gelobte er: «Ich nehme im ersten Jahr keinerlei Entschädigungen oder Spesengelder an, sondern setzte alles für einen guten Zweck ein.»
Dank seiner Initiative wurde der Feuer- und Elementarereignis Fonds des Aargauischen Feuerwehrverbands gegründet. Damit könne Opfern von Bränden Elementarkatastrophen schnell und unkompliziert geholfen werden. Als Beispiel erwähnt Engel eine Familie aus Merenschwand, die 2019 nach einem Totalbrand ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatte. «Wir waren zwei Stunden nach der Meldung da, hatten ein offenes Ohr für ihre Sorgen und brachten ihnen Geld zur Überbrückung.» Aus seiner reichen Erfahrung weiss er: «Wenn Feuerwehrleute den Brandort gelöscht haben, sind sie Helden. Für diejenigen, die zurückbleiben, fängt das Elend erst an.»
Fabian Engel kommuniziert und lacht gerne und viel. Er weiss längst, dass sein Charme ankommt. Darauf angesprochen meint er: «Ich liebe den Umgang mit Menschen. Er gibt mir die Energie, die ich für meine 12- bis 16-Stunden-Tage brauche.» Seit 1993 ist er in der Cordula-Zunft Baden, war sogar drei Jahre lang Zunftmeister. «Wir feiern nicht nur Feste, sondern tun auch viel Gutes. Im Stillen», betont Engel. 20 Jahre war er zudem zusammen mit René Bernhard und später Daniel Hertig als Schnitzelbank-Duo «Schwäfelsüder» an der Badener Fasnacht unterwegs.
Über Schattenseiten redet der Multitasker weniger gern: «Ich habe auch Neider. Die bezeichnen mich als Sonnyboy und Schwätzer», gesteht er. Doch er habe sehr wohl einen eigenen Rucksack zu tragen. Der frühe Tod seines Vaters, der Einbruch im Getränkehandel... Aber ich stehe immer wieder auf», sagt Engel. Er bezeichnet sich als kontrollierten Menschen: «In die Karten schauen lasse ich mir nicht so gern.»
Dann gibt er doch noch etwas Intimität preis, als er von einem Kind erzählt, welches er bei einem seiner früheren Rettungseinsätze als aktiver Feuerwehrmann auf der Autobahn zu reanimieren versuchte. «Vergeblich. Ich war unendlich traurig. Doch diese Trauer musste ich abschütteln, um weitermachen zu können.» Was war für ihn der Höhepunkt in seinem Leben? «Das klingt jetzt kitschig», meint er und gibt wieder ganz den Strahlemann: «Jeder Tag, an dem ich in aufstehe, ist für mich ein Highlight. Und natürlich auch, dass meine vier Kinder positiv im Leben stehen.»