Ennetbaden
Down-Syndrom: Der Glückliche, der mit dem Herzen spricht

Simon Federer hat seine Eltern erzogen und damit sich selbst und seine Familie glücklich gemacht. Der ungewöhnliche junge Mann sorgt für so manche Überraschung.

Rosmarie Mehlin
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Irmgard und Peter Federer sind heute mit ihrem Sohn Simon beim Schweizer Fernsehen zu Gast.Annika Bütschi

Irmgard und Peter Federer sind heute mit ihrem Sohn Simon beim Schweizer Fernsehen zu Gast.Annika Bütschi

Simon ist 27, hat eine Lehre als Tierpfleger gemacht, arbeitet gegenwärtig als Abwart in einer Privatschule in Aarau und jobbt an den Wochenenden in einer Bar in Baden. Er wohnt allein in einer kleinen Altstadtwohnung in Baden, hat ein Töffli, spielt Saxofon, reitet, strickt, fährt Ski und Velo, joggt, ist schon drei Marathons gelaufen, hat sich jüngst entschieden, zumindest vorläufig, Single zu bleiben . . . ja und?

Simon Federer ist kein gewöhnlicher junger Mann. Er wurde mit dem Down-Syndrom geboren. 1999 hatte Simons Mutter Irmgard ein Büchlein herausgegeben über ihre Erkenntnisse und Erfahrungen mit Simons non-verbalen Informationen.

Im Vorwort schreibt die Ärztin: «Durch die Geburt von Simon waren zunächst Freude und Kraft, die nötig sind, um für ein Kind zu sorgen, wie gelähmt.» Ihr schulmedizinisches Wissen habe ihr gesagt, dass im Falle eines Down-Syndroms nichts zu machen ist.

«Als Simon vier Wochen alt war, tauchte in mir der neue und überwältigende Gedanke auf, dass er vollkommen richtig ist, so wie er ist.»

Herkömmliche Raster filtern

In ihrem Haus in Ennetbaden erzählen Irmgard und Peter Federer, auch er ist Arzt, von ihrem Leben mit Simon. Es ist viel von Vertrauen die Rede, auch von Loslassen, von Offenheit, ganz besonders aber von Bauchgefühl.

«Alle Lehrbücher, alles Fachwissen über den Umgang mit dem Down-Syndrom sind gut und recht. Aber wichtiger ist der Instinkt», sind sich die Eltern einig. Man müsse stets aufs Neue situativ entscheiden. Das Wichtigste sei, in sich hineinzuhorchen.

«Simon hat uns gelehrt offen zu sein, die herkömmlichen Raster in unseren Köpfen zu filtern und je nachdem, ob dabei ein gutes oder schlechtes Gefühl herauskommt, entsprechend zu handeln», fügen sie hinzu.

Heute Abend ist Simon mit seinen Eltern am Schweizer Fernsehen zu Gast in «Fortsetzung folgt» bei Röbi Koller. «DOK» hatte Simons Weg der Integration von seinem 10. bis zum 20. Geburtstag begleitet und gezeigt, wie er dank dem Einsatz seiner Eltern den Weg der Integration gehen konnte.

Irmgard und Peter Federer sehen sich aber keineswegs als eine Art «Stars» im Umgang mit dem Down-Syndrom. «Wir wollen betroffenen Eltern Mut machen, indem wir ihnen den Weg aufzeigen, den wir gegangen sind.»

Radikal geht gar nichts

Schmunzelnd gestehen sich Peter und Irmgard Federer ein, dass Simon sie und seine beiden Geschwister in gewissen Belangen regelrecht erzogen hat, «ohne, dass wir uns von ihm deswegen tyrannisieren liessen, hat er erreicht, dass wir ihm die Freiheiten, nach denen es ihn drängte, gaben.

Das war nicht immer einfach und nicht selten hatten wir Angst um ihn. Etwa, als er einmal als Knirps, statt beim Metzger in Ennetbaden nur Wurst einzukaufen, alleine nach Baden marschierte und nach mehr als einer Stunde vergnügt und zufrieden heimkam.»

Sie hätten lernen müssen, zu akzeptieren, dass Simon Unabhängigkeit braucht. Dabei zu erkennen, wie stark sie Simon loslassen und wie sehr sie ihn halten müssen, sei allerdings oft eine Gratwanderung gewesen. «Auch hier haben wir uns hauptsächlich auf unser Bauchgefühl verlassen.»

Klar ist: Mit Radikalität kommt man bei Simon nicht ans Ziel. «Sagen wir zum Beispiel «muesch pressiere», dann geht bei ihm gar nichts. Fragen wir ihn aber, ob er auf einen bestimmten Zug wolle, dann gehts ruck zuck. Er hat einen enormen Durchhaltewillen, wenn Argumente ihn überzeugen und etwas für ihn Sinn macht.»

Mitten im Gespräch geht die Tür auf und Simon stürmt herein. Er hat seinen freien Nachmittag, kommt aus Ehrendingen vom Reiten. Lachend stellt er sich vor und berichtet, dass die Stute Kim heisse und schwarz-weiss gefleckt sei. Dann muss er mir unbedingt ein Foto vom verwunschenen Gärtchen hinter seiner Wohnung zeigen.

Plötzlich aber wird Simon ernst, redet vom Tod: «Es ist wie eine Blüte, die verwelkt und abfällt. Aber dann kommen neue Blüten.» Das habe ihm sein Opa so gesagt. «Wenn dr Opa stirbt, muess das i d’Todesazeig», sagt Simon, der Glückliche, der mit dem Herzen spricht.

Sendung: «Fortsetzung folgt: Simons Weg – Leben mit Down-Syndrom», heute Abend, 21 Uhr, auf SRF 1.