Baden
Ein Ballett der ganz anderen Art

Richard Wherlocks Tanzabend «Don’t tell the kids» fand am Samstag in der reformierten Kirche in Baden statt.

Céline Geneviève Sallustio
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Ein intimes Ballett in der reformierten Kirche.

Ein intimes Ballett in der reformierten Kirche.

Céline Sallustio

Zwei braune Ledersessel, ein Sofa, ein Holztisch und in der Ecke eine Kommode: Das Bühnenbild hätte simpler nicht sein können. Der szenische Raum in der reformierten Kirche in Baden wurde durch hohe schwarze Wände und einen flachen Boden abgegrenzt. Im theatralischen Fachjargon auch «Black Box Theater» genannt. Anlass für diese Szenerie bot der Tanzabend «Don’t tell the kids» von Richard Wherlock, dem britischen Choreografen und Leiter des Basler Balletts.

Das Kammerspiel mit sechs Tänzern zu Songs der New Yorker Rockband The Velvet Underground handelt davon, was Eltern ihren Kindern so alles verheimlichen wollen. Die Verhältnisse auf der Bühne sind höchst ambivalent. So ist auf der einen Seite die steife, bürgerliche Familie zu sehen, die uns Wherlock vorführt. Der Sohn (Max Ossenberg-Engels) ist deprimiert, hält sich zu Beginn des Stücks zwei Finger an die Schläfe, wie eine Pistole. Auch die Mutter (Debora Maiques Marin) ist unglücklich, was in ihrem starren und trüben Blick ins Leere zu entnehmen ist. Der Vater (Piran Scott) achtet wenig auf seine Familie, was im Tanz durch Ablehnung dargestellt wird.

«Gute Gesellschaft und Freundschaft»

Im Kontrast dazu stehen die Familienverhältnisse der Nachbarn: Die Mutter (Andrea Tortosa Vidal) strahlt nicht nur Glück, sondern auch eine unglaubliche Schönheit aus. Mit einer mitreissenden Harmonie und Lockerheit turnt sie mit ihrem Partner Max Zachrisson über Sessel, Sofa und Tisch. Dabei wird das Paar von ihrer Tochter (Lisa Horten-Skilbrei) nachdenklich beobachtet.

In der Mitte des Stücks kommen sich die beiden unterschiedlichen Familien näher, als es die gesellschaftlichen Normen erlauben: Der Hippie-Vater raucht mit dem Nachbarssohn unbeschwert einen Joint. Und er wagt sogar ein Tänzchen mit seiner biederen Mutter, die dafür nicht nur ihr Haar von der strengen Frisur befreit, sondern auch ihre Füsse aus den unbequemen Stöckelschuhen. Als Abschluss entsteht zwischen Nachbarssohn und Nachbarstochter eine neue Liebesgeschichte, wobei alle Familienmitglieder auf der Bühne zusammenkommen. Unbeschwert und befreiend fassen die Songs aus den 1960er-Jahren das Ende zusammen.

Eine kleine Produktion – ganz ungewöhnlich für Wherlock. «Normalerweise sind unsere Produktionen grösser, insbesondere mit einem Sinfonieorchester und etwa 30 Tänzern», sagte der Direktor und Choreograf, «doch es war eine Freude, dieses Stück zu produzieren.» Ausserdem sei die Zusammenarbeit viel intimer gewesen und man habe sich besser kennen gelernt. «Ich erfuhr auch etwas über das Familienverhältnis der Tänzer, ob die Eltern geschieden waren oder nicht», sagte Wherlock weiter.

Der Tanzabend ist gelungen und fand auch beim Publikum Anklang: «Der Abend bot eine ganz andere Art von Ballett», sagte Isabel Suter aus Wettingen, «auch die Körpersprache und die Mimik der Tänzerinnen und Tänzer erzählten eine Geschichte.» Und was meinte der Basler Ballettchef zu seinem Stück? «It’s a Broadway production, without being Broadway.»