Die Geschäftsleiterin des neuen Unverpackt-Ladens zieht nach zwei Monaten Bilanz.
Seit Mitte August kann man in Baden Unverpacktes einkaufen. Gemeinsam mit Kollegin Sophie Scaramuzza beschloss Silja Buck, den ersten Laden ohne Plastikverpackungen im Aargau ins Leben zu rufen. Die Teilhaberin und Gründerin blickt mit Freude auf die Eröffnung am 12. August zurück: «Den Tag vergleiche ich gerne mit einem Popcorn — von einem Moment auf den anderen platzte der Laden fast aus allen Nähten.» Rund zwei Monate nach der Eröffnung von «ohne.ch» ist der Alltag eingekehrt. Wenn man heute am Geschäft vorbei läuft, wirkt dieses oft ziemlich leer. Hat sich das Interesse am neuen Laden bereits wieder gelegt?
Silja Buck dementiert dies. Im Gegenteil: Sie zeigt sich sehr zufrieden: «Unsere Kasse registriert 100 bis 200 Käufe pro Tag.» Dabei sei die Zahl vom Wochentag abhängig. «Zu Beginn der Woche bewegen wir uns meist im Bereich von 100 Einkäufen. Die Zahl steigt aber an, je näher wir dem Wochenende kommen», sagt Buck. Am Samstag zähle man dann oft bis zu 200 Kunden. Ausserdem würden die Kunden in Stosszeiten kommen, was die angesprochene Leere zu gewissen Zeiten erkläre. Die Zahlen übertreffen die Erwartungen der 38-Jährigen und ihrer Geschäftspartnerin. Sie hatten mit 100 bis 130 Kunden pro Tag gerechnet. «Natürlich stellt die Eröffnung eines solchen Ladens ein gewisses Risiko dar», sagt Buck. «Wir wussten ja nicht, wie die Bevölkerung auf das Geschäftsmodell reagiert und ob sie das Angebot nutzen wird.»
Für die Inhaberinnen war wichtig, dass sie mit ihrem Laden nicht nur ein bestimmtes Publikum ansprechen. Dies scheint soweit auch zu klappen: «Wir bedienen Menschen aus allen Schichten. Ob Highheels-Trägerinnen oder Pensionierte, man sieht alles in unserem Laden», sagt Silja Buck. Es seien aber unterschiedliche Einkaufstypen erkennbar. So nutzen junge Leute vorwiegend das Kosmetikangebot und kaufen spezielle Produkte wie Hanfsamen. Ältere Kunden zeigen sich interessiert an alltäglicheren Lebensmitteln wie zum Beispiel Teigwaren. Zu den meistverkauften Artikeln zählen die Haarseife, die Milch im Glas und Trockenprodukte. Bei Früchten und Gemüse zeigen sich die Kunden noch eher zurückhaltend. Buck erklärt sich dieses Verhalten mit der Produktmenge in den Kisten: «Wir produzieren defensiv. Das heisst, wir füllen die Obstkisten mit Zurückhaltung, sodass Foodwaste vermieden wird.» Die Kunden würden im Grosshandel stets volle Regale antreffen, was das Kaufverhalten positiv beeinflusse. Das «ohne.ch»-Team möchte mit ihrer Vorgehensweise den Menschen nahelegen, dass es kein Zeichen von mangelnder Qualität ist, wenn die Obstkiste nicht bis oben gefüllt ist.
Kunden zeigen auch Skepsis
Der Laden löst bei der Bevölkerung verschiedenste Reaktionen aus, die die Angestellten hautnah miterleben. «Ein Ehepaar bedankte sich bei uns unter Tränen für unser Engagement», erinnert sich Buck. Besonders berührt hat sie ausserdem ein 11-Jähriger, der die Mutter zur Unterstützung ihres Projekts überzeugte. Bei Einigen kommt aber auch Skepsis zum Vorschein. So führt die Geschäftsführerin oft Diskussionen mit Kunden über Preise und den Vergleich mit dem Grosshandel. «Ich führe diese Gespräche gerne, denn unser Ziel ist es, dass Leute die Dinge infrage stellen. Unser Projekt entstand gewissermassen ja auch aus dem Hinterfragen des heutigen Umgangs mit Lebensmitteln.»
Trotz dem Erfolg können die Geschäftsführerinnen nicht vom Ertrag ihres Ladens leben. Auch die Angestellten arbeiten zurzeit zu einem Praktikumslohn. «Für unser Team steht nicht das Geld im Vordergrund, sondern gemeinsam etwas bewegen zu können», sagt Silja Buck. Sie selbst hat im Moment ein Pensum zwischen 120 und 150 Prozent. Das Ziel sei natürlich, in ferner Zukunft dem Personal einen höheren Lohn auszahlen zu können. «Das Geschäft muss zuerst noch richtig anlaufen. Man merkt, dass die Leute sich an diese neue Art Einkaufen gewöhnen müssen.» Denn eigene Behälter mitzubringen erfordere eine gewisse Planung. Ausserdem benötige man für das Abfüllen mehr Zeit, als wenn man schnell im Coop oder Migros eine Packung Teigwaren in den Wagen lege.
Silja Buck blickt zuversichtlich in die Zukunft, denn sie findet: «Die Bevölkerung ist bereit, auf Plastik zu verzichten.» Die Geschäftsführerinnen sind ihr Angebot deshalb bereits am Ausbauen. Seit letztem Freitag kann der Kunde mit Butter das erste offene Milchprodukt im Laden kaufen. Mit einer schrittweisen Einführung von weiteren Lebensmitteln und Haushaltsprodukten strebt das «ohne.ch»-Team die Abdeckung eines möglichst breiten Angebots an. «Das langfristige Ziel ist, dass die Kunden den täglichen Bedarf vollständig bei uns einkaufen können», sagt Buck.