Neuenhof
Ein guter Bundesrat? «Muss gut und vor allem viel reden können»

So haben Real- und Sekschüler gestern Vormittag bei den Bundesratswahlen mitgefiebert. Obwohl sie noch nicht stimmberechtigt sind, ist das politische Interesse und Know-how teilweise schon gross.

Martin Rupf (Text und Fotos)
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Ist Berset schon wiedergewählt? Die Sekschüler sind bei der Bundesratswahl auf Schritt und Tritt dabei.

Ist Berset schon wiedergewählt? Die Sekschüler sind bei der Bundesratswahl auf Schritt und Tritt dabei.

martin rupf

Das Schulzimmer ist abgedunkelt, auf der Leinwand analysiert Politologe Adrian Vatter gerade die Ersatzwahl von SVP-Bundesrat Ueli Maurer. Jürg Peter, Klassenlehrer der 4. Realklasse, erklärt den Schülern, dass viele wichtige Absprachen in der Wandelhalle des Bundeshauses stattfinden würden.

Doch interessieren sich die Schüler überhaupt für die Bundesratswahl, zumal sie – wie sie einräumen – nur einen Bruchteil des Politlateins der TV-Experten und Politiker verstehen?

Tatsächlich scheint sie das grosse Polittheater in Bern nur mässig in seinen Bann zu ziehen. Und doch haben sie klare Vorstellungen, was ein guter Bundesrat mitbringen muss: «Er muss gut und vor allem viel reden können.»

Die Schüler wissen auch genau, wofür sich der neue Bundesrat einsetzen soll. «Er soll dafür sorgen, dass auch armen Gemeinden wie Neuenhof geholfen wird.» Arm?

«Ja, wir haben einmal in Aarau Blockflöte gespielt, damit ärmere Gemeinden von reicheren unterstützt werden», sagt Mario. Auch sei die Gemeindepräsidentin Frau Voser vorbeigekommen und habe entsprechende Statistiken gezeigt.

Auch wenn die Schüler sich wohl nicht vorstellen können, wie es in diesem Moment im Bundeshaus genau zu- und hergeht, so kennen einige den Parlamentsbetrieb aus eigener Erfahrung.

Denn alle zwei Jahre werden aus jeder Oberstufenklasse zwei Schüler ins Schulparlament gewählt. «Wir haben auch schon Erfolge gefeiert; so wurden dank uns auf dem Sportplatz Fussballtore aufgestellt», sagt Sonja.

Wenn würden die Realschüler als Bundesrat wählen? Am meisten Sympathien geniesst der jüngste Kandidat, Thomas Aeschi: «Junge habe eher kreative Ideen», so der Grundtenor.

Norman Gobbi ist für Leon nicht wählbar: «Jemand, der einen dunkelhäutigen Sportler beschimpft, ist ein Rassist und als Bundesrat fehl am Platz.» Überhaupt geniesst die SVP in der Runde einen schlechten Ruf: «Wenige Leute finden die Partei sympathisch, denn sie ist ausländerfeindlich.»

Die Schüler wüssten auch, für was sich ihre NHP – die Neuenhofer Partei – einsetzen würde: weniger Arbeitslose, genug Lehrstellen, Flüchtlinge unterstützen, weniger Asoziale und weniger Geld für junge Arbeitslose, die einfach zu faul sind, arbeiten zu gehen.

Vincent: «Denn schliesslich zahlen wir die dann mit unserem Lehrlingslohn.» Und was würden die Schüler mit dem ersten grossen Lohn kaufen? Leart: «Ich würde ein Auto kaufen, es tunen und dann zu einem höheren Preis verkaufen.»

Die Sekschüler verfolgen gespannt die Live-Übertragung der Bundesratswahlen.

Die Sekschüler verfolgen gespannt die Live-Übertragung der Bundesratswahlen.

martin rupf

Klasse tippt daneben

Die Sekschüler von Klassenlehrer Philipp Fischer haben sich bereits eine Woche auf die Bundesratswahlen vorbereitet. Und so erstaunt es denn auch nicht, dass etwa Michelle aus dem Stand heraus erklären kann, weshalb die SVP einen Anspruch auf einen zweiten Sitz hat – wegen der Zauberformel. Einzig bei der Frage nach dem letzten Tessiner Bundesrat zielt ein Antwortender mit «Francesco Totti» – dem italienischen Fussballstar – daneben.

O. k. Immerhin reimt sich der Nachname auf Alt Bundesrat Flavio Cotti. Ob sie die SVP denn auch gut finden? Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Ronja etwa kann mit der Partei wenig anfangen, weil diese gegen Ausländer ist.

Eine andere Schülerin, selber eine Ausländerin, findet gerade das gut: «Ich finde es richtig, dass weniger Ausländer in die Schweiz kommen. Wir sind jetzt schon fast alles nur Ausländer in der Klasse.»

Und welcher der Kandidaten geniesst am meisten Sympathien? Erst sprechen sich die meisten Schüler für Gobbi aus. Doch als einer seine rassistische Bemerkung erwähnt, schwenken fast alle auf Guy Parmelin um.

Die Schüler kommen nicht erst an diesem Vormittag mit der Politik in Berührung. Erst kürzlich besuchten sie die Gemeindeversammlung. «Ich war so sauer darüber, dass der Hort aufgegeben wird. Doch leider durfte ich noch nichts sagen», erinnert sich Ronja. Sie wie auch weitere Schülerinnen und Schüler freuen sich schon jetzt auf ihre Volljährigkeit und wollen dann auch die Gmeind besuchen.

Zurück zur Bundesratswahl: Gleich wird das Wahlresultat des 1. Wahlgangs der Ersatzwahl von Eveline Widmer-Schlumpf bekannt gegeben. Eine Mehrzahl glaubt, Gobbi werde nach dem 1. Wahlgang vorne liegen.

Ein Raunen erfüllt den Raum; sie liegen falsch, Gobbi belegt nur den dritten Platz. Wenig später ist die Wahl gelaufen. Ob die Schüler gerne mal das Bundeshaus besuchen würden?

Die meisten antworten: «Da waren wir schon.» Klassenlehrer Fischer ist überrascht: «Wieso hat mir das keiner vorher gesagt. Jetzt habe ich die Reise nach Bern schon organisiert.»