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Das Ensemble von «Salon Morpheus» widmete sich in einem Variété im Royal dem Traum vom Fliegen. Gleichzeitig wurde die menschliche Diversität gefeiert.
Zarte Harfenklänge schweben durch den Raum. Sue quetscht sich mit ihrem Bauchladen durch die Publikumsreihen im vollbesetzten Royal und verkauft allerlei Neckisches. Im Angebot stehen Schokoladen-Lollies in erotischen Formen, glitzernde Nippelhütchen und ein paar Handschellen. Conférencier Daniel Malheur aus Berlin begrüsst die Zuschauer mit «Mesdames, Messieurs et tous entre les deux».
Denn im «Salon Morpheus» wird die menschliche Diversität gefeiert. Der kleinwüchsige Darsteller Lucid Allan entpuppt sich als Pilot des riesigen Heissluftballons, der auf der Bühne steht. Er ist sozusagen der rote Faden durch die manchmal etwas absurde Geschichte, mit der die verschiedenen Varieté-Nummern des «Salon Morpheus» verwoben werden.
Malheur beschreibt sie dem Publikum vollmundig als Traum «aus dem Sie am liebsten nicht mehr aufwachen würden.» Nach einem kurzen und witzigen Exkurs zu den Gebrüdern Montgolfier, die als Erfinder des Heissluftballons gelten, heisst es dann «Leinen los!» Der Ballon hebt ab zu einer Reise ins Ungewisse.
Auf seiner Fahrt begegnet Allan schillernden Traumwesen und lässt sich in ihren Bann ziehen. Drag-Queen Mona Gamie gehört dazu. Sie beweist Stimmstärke. Im feuerroten, mit Glasperlen übersäten Kleid singt sie «Brülle» – quasi eine 1:1-Übersetzung von Katy Perrys Megahit «Roar» auf Schweizerdeutsch.
Es ist eine Aufforderung an das weibliche Geschlecht, sich niemals unterdrücken zu lassen. Der Begriff «Drag» ist übrigens die Abkürzung von «dressed resembling a girl» und stammt aus der Zeit des Shakespeare-Theaters als Frauenrollen ausschliesslich von Männern gespielt wurden.
Mona heisst im wahren Leben Tobias Urech und sieht ungeschminkt wie ein Student aus. Er engagiert sich in der Kampagne «Ja zum Schutz vor Hass» gegen die Diskriminierung von Lesben, Schulen und Bisexuellen, über die am 9. Februar 2020 abgestimmt wird. Und ist im Vorstand der Milchjugend, einer Organisation für lesbische, schwule, bi-, trans- und asexuelle Jugendliche. Mit seinem Drag-Alter-Ego Mona nimmt er verstaubte Geschlechterrollen auf die Schippe. Und meint: «Das Konzept des Geschlechts ist gar nicht so starr, wie viele denken.»
Der amüsant-obskure Flug durch die Nacht geht auf der Bühne des Royals weiter. Ein Hauch von Glamour weht durch den Raum, als Burlesque-Künstlerin Minouche von Marabou mit ihrem opulenten Kostüm aus Federn, Pailletten, Perlen und Rüschen auf die Bühne stolziert und sich im Takt der Musik langsam und lustvoll zu entblättern beginnt. Genüsslich zieht sie die langen Satinhandschuhe aus, schwingt dazu ihre Hüften und peitscht sich spielerisch mit den Perlenketten. Dann zeigt sie ihre üppige Kehrseite und schaut neckisch über ihre Schulter ins Publikum. «Ach hallo, seid ihr auch da?», kokettiert sie mit schmachtendem Blick.
Endgültige Verzückung herrscht, als sie zum Schluss ihre Nippelhütchen kreisen lässt. Minouche (die ihren Namen nicht verraten will) ist gelernte Theaterschneiderin und macht all ihre Kostüme selber. 2015 brachte sie anlässlich ihres Auftritts bei «Das grösste Schweizer Talent» das Blut von Gilbert Gress gehörig in Wallung.
Im Salon Morpheus kommt der Expertin im verführerischen Ausziehen noch die Rolle der diebischen Elster zu, die Travestiestar Mona den Schmuck klaut. Nach überraschenden Wendungen findet das Geschmeide irgendwann wieder zur Besitzerin zurück. Vorher hat aber noch Finn «Gonzo» Andersen aus Kopenhagen seinen Auftritt und verbindet nervenkitzelnde Akrobatik im goldenen Paillettenslip mit einer gehörigen Prise Humor.
Gründer des «Salon Morpheus» ist Teka alias Thomas Kaufmann. Der gebürtige Wettinger kreiert die Shows und führt Regie. Das Projekt erhielt unlängst einen Kulturförderbeitrag der Werner H. Spross Stiftung in Zürich und finanziert sich durch die Eintritte. «Wir kommen immer knapp über die Runden. Wichtig ist mir, dass alle Künstlerinnen und Künstler, die bei uns auftreten, einen angemessenen Lohn erhalten und versichert sind», bekundet er.
«Salon Morpheus ist eine Ode an den Facettenreichtum der Menschheit. Dabei pfeifen wir auf jegliches Diktat, sind provokant und politisch nicht immer korrekt. Diffamiert wird bei uns aber niemand», betont Kaufmann.