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Das Seilziehen um die Verkehrsentlastung von Mellingen geht weiter. Umweltverbände verlangen die Prüfung eines Tunnels. Der Kanton hat diese Variante nun berechnet. Ein Tunnel würde mindestens 100 Millionen Franken kosten und wäre frühestens 2030 fertig.
Die Umweltverbände WWF und VCS verlangen für die Umfahrung von Mellingen «die genaue Prüfung von Tunnellösungen und grossräumigen Umfahrungen ohne eine neue Reussbrücke». Kantonsingenieur Rolf H. Meier: «Bei der Ausarbeitung der Umfahrung Mellingen haben wir damals verschiedene Varianten skizziert und Kosten-Nutzen-Schätzungen erstellt. Wir haben uns damals für die Best-Variante entschieden, über die das Volk abgestimmt hat.»
Eine Tunnelstudie wurde damals nicht erstellt. Das ist inzwischen mit einer Vorstudie nachgeholt worden. Diese orientiert sich an der Linienführung der vom Volk gutgeheissenen Umfahrung.
Demnach würde dieser Abschnitt weiterhin ab dem Kreisel Birrfeldstrasse beginnen. Die Strasse ginge auf diesem kurzen Abschnitt mit einer Neigung von bis zu zehn Prozent zum südlichen Reussufer. Dann würde sie die Reuss unterqueren. Anschliessend käme sie mit rund fünf Prozent Steigung wieder hoch, damit im Bereich Kreisel/Tanklager der Anschluss an die Hauptstrasse wiederhergestellt wird. Vom Kreisel/Tanklager Richtung Reuss würde die Strasse rund 200 Meter offen geführt. Etwa parallel zum Gruemethügel verschwände sie in einem rund 600 Meter langen Tunnel.
2011 hat das Volk der aus zwei Abschnitten bestehenden Umfahrung Mellingen zugestimmt. Aufgrund von Gerichtsurteilen hat der Kanton bei Abschnitt 1 (Brücke und Zufahrt vom Kreisel Tanklager) Änderungen vorgenommen. In diesen Tagen fand eine Anhörung zu einer Richtplananpassung statt. Bürgerliche Parteien reagierten grundsätzlich zustimmend. SP, Grüne und Umweltverbände reagierten ablehnend.
Die Stellungnahmen werden jetzt ausgewertet.
Laut Kantonsingenieur Meier ist ein Grossratsentscheid im Oktober geplant. Der Regierungsrat sollte das Projekt (mit Brücke) dann im Frühling 2018 definitiv genehmigen können. Umweltverbände und SP verlangen jedoch die genaue Prüfung einer Tunnellösung. Inzwischen wurde im Auftrag des Baudepartements eine Vorstudie für einen Tunnel erstellt (siehe Hauptartikel).
Doch wie komplex wäre so ein Bau? Die rund 100 Meter unter dem Fluss durch würden wie bei der SBB-Durchmesserlinie in Zürich im «Gefrierverfahren» erstellt, da damit unter der Reuss durch das Grundwasser tangiert würde. Meier: «Das ist anspruchsvoll, technisch kein No-Go, aber sehr teuer». Für den Tunnelquerschnitt würde laut dieser Vorstudie das bei der Umfahrung Oberwil-Lieli ausgeführte Normalprofil übernommen.
Der Tunnel und die beidseitig anschliessenden Rampen kämen in das Grundwasser zu liegen. Für Betrieb und Unterhalt wäre eine Betriebszentrale notwendig, über die die Tunnelentlüftung mittels Ventilatoren und die ganze Sicherheitsausrüstung gesteuert würde. Die Gesamtlänge des Tunnels und der Rampen mit 905 Metern würde in Tunnelmitte gegenüberliegende Ausstellbuchten sowie zwei bis drei Fluchtwege erfordern.
Die vom Volk gutgeheissene Brücke über die Reuss im ersten Abschnitt der Umfahrung kostet 24 Millionen Franken. Dazu kommt der zweite Abschnitt zur Entlastung der Kernzone von Mellingen für 12 Millionen Franken. Und was würde die Tunnelvariante kosten? Meier: «Beim Vortrieb unter dem Fluss durch rechnen wir mit 160 000 Franken pro Meter, beim Tagebau mit 80 000 Franken pro Meter.
Insgesamt würde dies mindestens 100 Millionen Franken kosten.» Das ist viermal so viel wie die Brücke. Meier gibt zu bedenken, dass Betrieb und Unterhalt des Tunnels während dessen Lebensdauer nochmals so viel kostet wie der Bau selbst. Bei einer normalen Strasse wäre es etwa halb so viel wie die Baukosten.
Eine Tunnelvariante bräuchte ein gänzlich neues Projekt. Wann stünde dann die Umfahrung? Meier rechnet: Ab einem allfälligen entsprechenden Regierungsentscheid bräuchte man 2 bis 2,5 Jahre für ein neues Bauprojekt. Das Kreditgenehmigungsverfahren dauert etwa ein Jahr, die Auflage des Projekts mit Einwendungsverhandlungen 1,5 bis 2 Jahre. Danach folgt das Landerwerbsverfahren (etwa ein Jahr).
Der politische Prozess inklusive allfälliger Volksabstimmung dauert nochmals ein Jahr. Meier: «Optimal wären wir in sechs bis sieben Jahren wieder so weit, wo wir heute stehen.» Wann würde dann die Tunnelumfahrung eingeweiht? Der Brückenbau dauert 1,5 bis 2 Jahre, der Tunnelbau bräuchte vier bis fünf Jahre. Meier: «Zählt man alles zusammen, würde die Umfahrung mit Tunnel im optimalen Fall 2030 eingeweiht.»
Die Umweltverbände fordern allerdings nicht nur die Prüfung eines Tunnels, sondern auch einer grossräumigen Umfahrung. Meier dazu: «Jeder zusätzliche Meter Tunnel kostet rund 100 000 Franken. Zudem bräuchte eine grossräumige Umfahrung mehr Boden. Das wollen wir vermeiden.»
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