Heimspiel – Regisseur und Schauspieler Walter Küng tritt in der Theaterinszenierung «Lokalbericht» nach dem gleichnamigen Roman von Hermann Burger im Kurtheater auf.
«Die deutsche Literatur hat einen ihrer originellsten Sprachkünstler verloren», liess Marcel Reich-Ranicki wenige Tage nach dem Tod von Herman Burger verlauten. Der Aargauer Schriftsteller, der 1989 den Freitod wählte, war ein Fabulierkünstler. Und machte mit seinem Sarkasmus weder vor dem konservativen Bürgertum noch vor der damals gegen jegliche Art von Establishment aufbegehrenden Kulturszene Halt. Er teilte auf alle Seiten aus. Im Gegensatz zum Roman «Schilten» schaffte es sein Werk «Lokalbericht» jedoch nie in die Öffentlichkeit. Bis jetzt.
In einer Inszenierung des Aarauer Theaters Tuchlaube kommt die beissende Gesellschaftssatire über Provinzmief auch ins Kurtheater Baden. Eine der vier Hauptrollen spielt Walter Küng. «Ich mime den alten Burger – im Stück heisst er Georg Frischknecht. Die Rolle ist fiktiv, weil Burger ja nur 45 Jahre alt wurde. Aber sie trägt sehr viel von seinen komplexen Charakterzügen in sich», erzählt Küng. Schauplatz für die verschiedenen Figuren – die zum grossen Teil wirklich existieren und eine wichtige Rolle in der damaligen Gesellschaft spielten – ist der Aarauer Maienzug. Im Festgetümmel versucht der junge Frischknecht vergeblich, das Mädchen seiner Träume zu bezirzen. «Die Geschichte betrifft jeden in seinem Innersten und könnte sich auch in Baden abspielen», meint Küng zur Handlung.
Als «wortmächtiges und ironisch-liebevolles Porträt einer mittelländischen Kleinstadt» wird das Stück angekündigt. Die Bühne des Badener Kurtheaters zu bespielen, bedeutet für den Schauspieler Küng abzuschalten und sich total auf seinen Part zu fokussieren. Denn er ist auch Mitglied des Kuratoriums, das um den Um- und Erweiterungsbau des Kulturbetriebs kämpft, der durch eine Baubeschwerde verzögert wird; mit Armin Kerber als Programmleiter ad interim, welcher in die Bresche springt, weil sich Vorgängerin Barbara Riecke aus dem Betrieb zurückzog. Keine unkomplizierte Situation. «Ich kann mich gut abgrenzen», sagt der Badener, der diesen Sommer als Regisseur mit der Produktion «Auf der Suche nach dem Paradies» den toten Verenahof kurzfristig wiederbelebte.
Der Dozent an der Zürcher Hochschule für Künste und Leiter der Sparte Theater und Tanz im Kuratorium Aargau ist es sich gewohnt, auf verschiedenen Bühnen zu tanzen und immer alles zu geben. Das hat sich auch nach seiner schweren Krebserkrankung nicht geändert. Im Gegenteil: «Als Schauspieler tauche ich noch viel intensiver in meine Rollen ein. Und ich bin nur zufrieden, wenn eine Inszenierung 100-prozentig für mich stimmt. Halbe Sachen mache ich nicht. Da bin ich unerbittlicher denn je», gesteht Küng und lacht.
«Lokalbericht» Mit Walter Küng, Paulina Quintero, Main Blülle und Noëmie Fiala. Regie: Robert Hunger-Bühler. Heute Donnerstagabend, 20 Uhr, Kurtheater Baden.