Detailhandel
Einkaufen ganz ohne Plastik: Dieses Paar führt den ersten Unverpacktladen in Turgi

In Turgi gibt es seit kurzem allerlei Lebensmittel und Produkte des Alltags ohne überflüssige Verpackung zu kaufen. Nebst dem Verkaufsladen lockt auch ein kleines Bistro.

Cristina Wenzinger
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Unverpacktladen Martha in Turgi
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Wer den Unverpacktladen ­Marta an der Bahnhofstrasse 3 in Turgi betritt, fühlt sich sofort fast wie zu Hause.
Mit viel Holz entsteht eine heimelige Atmosphäre.
Von der NAB-Filiale, die früher einmal in den Räumlichkeiten war, sind nur die umfunktionierten Sitzbänkli und die Decke geblieben.
Selina Keller, Inhaberin des Ladens, hat ihr Geschäft nach ihrer Grossmutter benannt.
Der Name soll laut Keller symbolisieren, dass man früher einen anderen, wenn nicht sogar besseren Umgang mit Lebensmitteln hatte.
Weitere Impressionen vom neuen Unverpacktladen in Turgi.
Weitere Impressionen vom neuen Unverpacktladen in Turgi.
Weitere Impressionen vom neuen Unverpacktladen in Turgi.
Weitere Impressionen vom neuen Unverpacktladen in Turgi.

Unverpacktladen Martha in Turgi

Britta Gut

Wer den Unverpacktladen ­Marta an der Bahnhofstrasse 3 in Turgi betritt, fühlt sich sofort fast wie zu Hause. Mit viel Holz entsteht eine heimelige Atmosphäre. Von der NAB-Filiale, die früher einmal in den Räumlichkeiten war, sind nur die umfunktionierten Sitzbänkli und die Decke geblieben. Im hinteren Teil des Ladens befindet sich ein alter Heuwagen umgewandelt in ein Regal. Die Holzverkleidung der Theke wurde aus einer alten Gelateria gerettet. Dass die Möbel an eine frühere Zeit erinnern, kommt nicht von ungefähr, sondern gehört zum Konzept.

Selina Keller, Inhaberin des Ladens, hat ihr Geschäft nach ihrer Grossmutter benannt. Der Name soll laut Keller symbolisieren, dass man früher einen anderen, wenn nicht sogar besseren Umgang mit Lebensmitteln hatte. «Früher war nicht alles besser, aber der Umgang mit Lebensmitteln bestimmt», sagt die 33-Jährige. Früher hat man saisonal und regional gegessen. Wenn es am Vorabend noch Reste gab, ass man diese am nächsten Tag zu Mittag. Dieses Prinzip will Selina Keller auch in ihrem Laden umsetzen.

Zusammen mit ihrem Partner Stephan Ineichen führt sie den ersten Unverpacktladen in Turgi. In Baden besteht bereits seit 2017 mit dem «Ohne-»Laden ein Geschäft mit ähnlichem Konzept. Es ist einfach: Die Kundinnen und Kunden füllen die Waren in wiederverwendbare Behälter ab, die sie entweder von zu Hause mitbringen oder im Laden kaufen.

Das spart Abfall und hat ausserdem den Vorteil, dass die Waren in den Mengen gekauft werden, die tatsächlich benötigt werden. «Wir haben ein grosses Sortiment», sagt Keller. Nebst herkömmlichen Lebensmitteln wie Nüssen, Getreide, Teigwaren und Flocken verkaufen Selina Keller und Stephan Ineichen auch Kosmetikprodukte, Zahnbürsten aus Bambus, Staubwedel aus Lammfell und Putzmittel im Konzentrat.

Die Lebensmittel versucht Selina Keller, so gut es geht, regional zu beziehen: Mehl aus Birmenstorf, Gemüse aus Untersiggenthal, Milchprodukte aus Wettingen, Zucker aus Rupperswil, Eier vom Bözberg und Honig direkt aus Turgi. Es werden aber nicht alle Lebensmittel, die nder Laden anbietet, in der Schweiz produziert: Der Birkenzucker zum Beispiel kommt aus Österreich.

«Bei Produkten aus dem Ausland schaue ich vor allem darauf, wie diese hergestellt und transportiert werden», sagt Selina Keller. Die Waren, die geliefert werden, kommen in Kartonkisten oder Papiersäcken. «Und wenn die Ware doch einmal wegen Vorgaben des Lebensmittelinspektorats in Plastik verpackt werden muss, recyceln wir diesen», ergänzt Stephan Ineichen.

Bistro mit selbst gebackenem Kuchen

Man muss nicht unbedingt einkaufen gehen, um im Marta-Laden zu verweilen. Nebst dem Verkaufsladen führt Selina Keller noch ein kleines Bistro. Die Muffins, Kuchen und sonstigen Esswaren, die sie dort anbietet, bäckt sie alle selbst. «Alles, was wir im Bistro zu essen anbieten, ist aus unseren Produkten hergestellt», sagt Keller. Am Morgen backt sie Brot, am Abend schaut sie, was im Laden übrig geblieben ist, und plant daraus das Mittagsmenu für den nächsten Tag.

Um so wenig Essen wie möglich wegzuwerfen, ist das Bistro ausserdem bei der App «Too good to go» angemeldet. Wer im Besitz dieser App ist, kann am Abend bei «Marta» vorbeigehen und die übrig gebliebenen Esswaren aus dem Bistro für wenig Geld kaufen.

Von der Büroangestellten zur Unternehmerin

Selina Keller lebt mit ihrem Partner Stephan Ineichen und drei Kindern in einer fünfköpfigen Patchworkfamilie. Zu Hause versuchen sie, so gut es geht, abfallfrei zu leben. Für die Zukunft ihrer Kinder ist es der Turgemerin wichtig, dass mehr auf die Umwelt geachtet und weniger Plastik gebraucht wird. Die Idee, einen eigenen Unverpacktladen zu gründen, schwirrte ­lange in Selina Kellers Kopf herum.

«Das Risiko, das ein eigener Laden mit sich bringt, hat mich lange an der Verwirklichung gehindert», sagt sie. Und doch hat sie nun mit «Marta» den Schritt von der Büroangestellten zur Unternehmerin gewagt. Dass sie relativ neu im Gastrogewerbe ist, macht Keller keine Angst. «Ob ich nun für meine Familie oder für Gäste koche, macht für mich keinen grossen Unterschied», sagt sie. Ausserdem hat Stephan Ineichen bereits Erfahrung in der Gastro­nomie und unterstützt sie tatkräftig.

Schon in der vierten Woche, in der «Marta» geöffnet ist, fühlt sich Selina Keller angekommen. «Ich laufe am Abend raus, schliesse ab und denke: Alles richtig gemacht.»