Bezirksgericht Baden
Elektroschocker als Sexspielzeug: 30-Jähriger wird nach Vergewaltigungs-Versuch verurteilt

Ein 30-Jähriger musste sich wegen versuchter Vergewaltigung und weiteren Delikten am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Baden verantworten. Er erklärte sich für unschuldig, sein Verteidiger verglich die Würgeangriffe auf sein Opfer mit einem «Pausenplatzfight».

Dominic Kobelt
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Markus (Name geändert) war nicht vorbestraft und nie negativ aufgefallen. Bis im September 2016. Innerhalb von vier Tagen soll er zwei Prosituierte bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und versucht haben, sie zu vergewaltigen.

Vor Gericht wirkt Markus nervös, tippt mit dem Fuss ununterbrochen auf den Boden, mit der Geschwindigkeit einer Nähmaschine. «Die Vorwürfe sind haarsträubend und falsch», sagt er zu Beginn der Verhandlung. Bei seiner ersten Tat, so schildert es die Staatsanwaltschaft, hat sich Markus mit einer Prostituierten in einer Mietwohnung verabredet, und einen Elektroschocker mitgebracht. Als er geduscht hat, stellt er sich nackt vor die Frau: «Mach.»

Als diese nach Art und Dauer der gewünschten Dienstleistung fragt, greift er sie unvermittelt mit dem Elektorschocker an. Sie wehrt sich mit aller Kraft, kann die Waffe ergreifen und stürmt aus der Wohnung. Im Treppenhaus hämmert sie an Türen, bis jemand öffnet und die Polizei ruft. Allerdings lässt der Nachbar sie nicht in die Wohnung. Weil die Frau nur leicht bekleidet und zudem sehr aufgebracht ist, läuft sie nicht auf die Strasse, sondern zum Tatort zurück, und damit Markus wieder in die Arme. Es kommt zum Kampf um den Elektorschocker, mit einem Unterarm-Würgegriff setzt Markus die Prostituierte ausser Gefecht.

Angeklagter verweigert Aussage

Obwohl Gerichtspräsident Daniel Peyer es mehrmals versucht, will Markus keine Fragen beantworten. «Keine Aussage. Mein Verteidiger wird sich äussern.» Nach dessen Schilderung hätten die beiden involvierten Personen den Sex und den Einsatz des Elektroschockers abgesprochen. Die Prostituierte habe plötzlich 100 Franken mehr verlangt. Als Markus nicht bereit war, das zu bezahlen, habe sie ihn attackiert, ihm eine 5 bis 10 Millimeter tiefe Wunde an der Innenseite der Wange zugefügt. Ein Forensiker konnte aber keine Verletzungsspuren feststellen.

Der zweite Vorfall ereignete sich vier Tage später in einer Kontaktbar. Markus ging mit einer Prostituierten aufs Zimmer. Als sie sich weigerte, den Oralsex ohne Kondom zu vollziehen, soll er sich wieder aggressiv verhalten haben. Auch diese Frau berichtet, dass er sie in der anschliessenden Auseinandersetzung bis zur Ohnmacht gewürgt habe, mit demselben Unterarm-Griff.

Der Anwalt von Markus schildert den Vorfall anders: Sein Mandant habe sein Geld zurückhaben wollen und sei mit der Situation überfordert gewesen, im anschliessenden Handgemenge habe er die Prostituierte nur kurz gewürgt.

Die Frage der Schuldfähigkeit

Zwei Gutachter haben versucht, sich ein Bild von Markus zu machen. Beide attestieren ihm Schizophrenie. Nicht einig sind sich die beiden, ob sich die Krankheit zur Tatzeit in einer akuten Phase befand oder nicht. Damit verbunden ist die Frage der Schuldfähigkeit: Die Staatsanwaltschaft erachtet für die Schwere der Verbrechen eine achtjährige Gefängnisstrafe für angemessen. Diese reduziert sich, je nach Einschätzung der Gutachter, um 25 oder 75 Prozent, sprich auf zwei oder sechs Jahre. Die Gefängnisstrafe für Markus würde zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben.

Markus’ Vorstellung einer gerechten Bestrafung sieht anders aus: «Ich bin unschuldig, wollte nie jemanden töten oder vergewaltigen. Hören sie nicht auf die Gutachter, ich bin voll schuldfähig.» Markus gibt lediglich zu, das Telefon der Prostituierten «aus Versehen» mitgenommen, und bei der Einvernahme einen Beamten bespuckt zu haben. Den Elektroschocker habe er für ein Sexspielzeug und nicht für eine Waffe gehalten, erklärt sein Verteidiger. Die Würgeangriffe vergleicht er mit einem «Pausenplatzfight auf dem Schulhof», keineswegs lebensgefährlich. Für viele der weiteren Vorwürfe, insgesamt zehn Anklagepunkte, gebe es keine Beweise.

Die beiden Gutachter sind sich zwar nicht in allen Punkten einig, zeichnen aber ein ähnliches Bild von Markus. Ein einschneidendes Erlebnis im Frühjahr 2013 habe zu einer Persönlichkeitsänderung geführt, erklärt der forensische Psychiater Andreas Frei.

«Heute ist er kurlig, verhält sich kalt, unnahbar und verschroben. Früher war das nach Aussagen von Leuten aus seinem Umfeld anders.» Seine Vorliebe für Prostituierte resultiere aus einer Angst vor echter Intimität. Auf die Schuldfähigkeit angesprochen, sagt Frei: «Die Krux der Psychiatrie ist, dass es keine objektiven Befunde gibt.» Er sei aber überzeugt von seiner Diagnose.

Einstimmiges Urteil

Die Richter waren sich einig. Schuldig in allen Anklagepunkten: Versuchte Vergewaltigung, mehrfache Gefährdung des Lebens, einfache Körperverletzung und sieben weitere Anklagepunkte.

Sie verurteilen Markus, dessen Schuldunfähigkeit sie nur leicht beeinträchtigt sehen, zu vier Jahren Haft, aufgeschoben zugunsten einer stationären psychiatrischen Massnahme. Das Urteil fällt einstimmig. Da sich Markus nicht einsichtig zeigt, dürfte es eine ganze Weile dauern, bis eine Therapie allenfalls eine Wirkung zeigt.