Eine Mitarbeiterin der Mütter- und Väterberatung des Bezirks Baden erzählt, wie Eltern mit der Pandemie umgehen – und was für Vorteile trotz allem herausspringen können.
Das Leben vieler Familien wurde im vergangenen Jahr auf den Kopf gestellt. Die Homeoffice-Pflicht, fehlende Alltagsstrukturen und Existenzängste nagten an den Nerven der Eltern. Das stellen auch die Mitarbeitenden der Mütter- und Väterberatung des Bezirks Baden fest.
Gerade von einem Hausbesuch zurückgekehrt, erzählt Beraterin Stephanie Rohr Graf von ihren Erfahrungen: «Im Vergleich zu den Beratungen vor Corona merken wir grosse Unterschiede im Inhalt der Gespräche», sagt Rohr und ergänzt:
«Mit dem ersten Lockdown ist das Unterstützungsnetzwerk vieler Familien zusammengebrochen.»
Der Besuch der Grosseltern fiel aus, die sozialen Kontakte wurden eingeschränkt. Alle mussten sich neu organisieren. Diese Ausnahmesituation dauert nun schon ein Jahr und Probleme, die tiefer sitzen, kommen vermehrt zum Vorschein.
«Die Beratungen sind komplexer geworden und die Gespräche häufig emotionaler», sagt Rohr. Vor allem psychische Probleme haben sich im vergangenen Jahr bei den Eltern gehäuft. Ein Teufelskreis, denn Kinder seien auf psychisch gesunde Eltern angewiesen. «Sie reagieren auf den Stress der Eltern», sagt die Beraterin.
Hat Corona Eltern ausgebrannt? «So absolut würde ich das nicht sagen. Aber aufgrund der Dauer der Situation ist die Belastung hoch», sagt Rohr. Wichtig sei vor allem der soziale Austausch. Eltern sollen wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Auch bei Beratungen kann zumindest ein Teil der Belastung abgelegt werden.
Ob die Nachfrage nach Beratungen im vergangenen Jahr gestiegen ist, sei schwierig zu sagen. Zu Beginn der Pandemie seien Eltern zurückhaltender gewesen, jetzt nehmen sie die Unterstützung wieder vermehrt in Anspruch, sagt Rohr.
Das Angebot der Mütter- und Väterberatung im Bezirk Baden wurde aufgrund von Corona neu ausgearbeitet. Neu können Beratungen auch per Video-Chat durchgeführt werden. Zudem werden Beratungen ohne Voranmeldung täglich nachmittags in Wettingen durchgeführt. Gespräche in den einzelnen Gemeinden sind mit Voranmeldung immer möglich.
Auch wenn die Pandemie viele negative Auswirkungen mit sich brachte, konnte Stephanie Rohr positive Veränderungen feststellen. «Vor allem junge Familien, die soeben ihr erstes Kind bekommen haben, profitieren von der Situation. Vorausgesetzt, der Vater ist im Homeoffice», sagt sie. Die Mutter profitiere von der Unterstützung und habe ein Sicherheitsnetz. Junge Familien sind viel entspannter – zumindest bis das zweite Kind kommt.
Vor allem Väter, die Zuhause arbeiten, profitieren von der Situation: «Sie erleben ihre Kinder völlig anders. Vorher haben sie am Abend zum Teil müde und weinende Kinder angetroffen. Jetzt sehen sie auch andere Emotionen», sagt Rohr. Die Väter seien im Leben der Kinder viel präsenter und merken, was die Mütter alles leisten.
Eine schwierige Situation kann auch zusammenschweissen. Rohr sagt: «Man kann unvorstellbare Sachen durchstehen. Das haben viele Familien gemerkt.»